Zusammenfassung
Hintergrund: Dysfunktionale Kognitionen über das eigene Aussehen sind ein Kernsymptom der körperdysmorphen Störung und Fokus in kognitiv-behavioralen Behandlungsmanualen. Jedoch ist die Rolle körperdysmorpher Kognitionen als Mediator für den Behandlungserfolg noch nicht umfassend erforscht und es existiert im deutschsprachigen Raum kein Messinstrument zur Erfassung. Ziel der Pilotstudie war die Entwicklung und vorläufige Validierung eines Fragebogens zur Erfassung körperdysmorpher Kognitionen (FKDK) sowie die Untersuchung von Veränderungen über den Therapieverlauf. Material und Methoden: Der FKDK misst die Auftretenshäufigkeit und Überzeugtheit spezifischer Kognitionen. An einer klinischen Stichprobe (N = 30) wurden Konstruktvalidität, Reliabilität und Veränderungssensitivität untersucht. Zudem wurde der Verlauf im Rahmen einer prozessbasierten kognitiven Therapie untersucht und evaluiert, ob der KDS-Schweregrad vor Behandlungsbeginn sowie die therapeutische Beziehung die Reduktion körperdysmorpher Kognitionen beeinflussen. Ergebnisse: Wir fanden eine gute interne Konsistenz sowie eine gute Veränderungssensitivität. Konvergente Korrelationen deuten ausreichende Zusammenhänge mit anderen Maßen für KDS-Schweregrad an, wobei höhere Korrelationen mit Depressionsmaßen Unklarheiten bei der Konstruktvalidität aufwerfen. Personen mit höherem KDS-Schweregrad sowie einer besseren therapeutischen Beziehung zeigten eine stärkere Reduktion der Kognitionen. Diskussion und Schlussfolgerung: Die faktorielle Struktur des FKDK ist ungeklärt und muss an einer größeren Stichprobe untersucht werden. Insgesamt konnte diese Studie erste Hinweise liefern, dass der FKDK aufgrund der ökonomischen Durchführung und Veränderungssensitivität zur kontinuierlichen Beobachtung im Therapieverlauf nützlich sein könnte. Zukünftige Studien sollten die Rolle körperdysmorpher Kognitionen als Mediator für den Therapieerfolg kognitiver Therapie bei KDS untersuchen.
Abstract
Background:: Dysfunctional cognitions about ones appearance are a core symptom of body dysmorphic disorder (BDD) and a central focus in cognitive-behavioral treatment. However, the role of dysfunctional cognitions as a mediator for treatment success has not been extensively researched and there is no German questionnaire to assess body dysmorphic cognitions and beliefs. The aim of this pilot study was to develop and preliminarily validate a questionnaire for the process-oriented assessment of body dysmorphic cognitions and to investigate their changes over the course of therapy. Material and Methods:: The Questionnaire of Body Dysmorphic Dysfunctional Cognitions (FKDK) measures frequency and conviction of specific cognitions. The FKDK was validated in a clinical sample (N = 30) regarding convergent and divergent validity, reliability, and change sensitivity. Additionally, we investigated the course of dysfunctional cognitions during cognitive therapy and evaluated whether BDD severity and therapeutic relationship predicted a stronger reduction. Results:: We found a good internal consistency, as well as sensitivity to change regarding internal and external responsiveness of the FKDK. Convergent correlations provide evidence of satisfactory associations with other measures of KDS severity, although descriptively higher correlations with depression measures present some ambiguity regarding construct validity. Patients with stronger BDD symptoms, and better therapeutic relationship, showed a greater reduction in cognitions after treatment. Discussion and Conclusion:: The factorial structure of the FKDK is still unclear and needs to be investigated on a larger sample. Overall, this study could provide first indications that the FKDK could be useful for continuous monitoring in the course of therapy due to its economical implementation and sensitivity to change. Future studies should investigate whether the reduction of dysfunctional cognitions mediates the therapeutic outcome of cognitive therapy for BDD.
Theoretischer Hintergrund
Die körperdysmorphe Störung (KDS) kennzeichnet die exzessive Beschäftigung mit einem oder mehreren wahrgenommenen Makeln in der äußeren Erscheinung, die für andere nicht oder nur minimal sichtbar sind [American Psychiatric Association, 2013]. Dabei werden v.a. verschiedene Teile des Gesichts, Körpers, Haut oder Haare als unansehnlich oder entstellt wahrgenommen [Veale et al., 1996]. Betroffene weisen exzessive, rituelle Verhaltensweisen auf, um ihr Aussehen zu kontrollieren, zu verändern oder zu verbergen, sowie eine intensive mentale Beschäftigung mit den Makeln [Veale und Neziroglu, 2010; Rabiei et al., 2012; Zeinodini et al., 2015]. Die Einsichtsfähigkeit in die Übertriebenheit der Überzeugungen bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen ich-dyston (gute Einsicht) und ich-synton (geringe oder fehlende Einsicht), wobei 39% der Betroffenen wahnhafte Überzeugungen und 70% Referenzideen aufweisen [Eisen et al., 2004; Phillips et al., 2006; Chosak et al., 2008]. Die KDS wird in den aktuellen Klassifikationssystemen DSM-5 [American Psychiatric Association, 2013] sowie ICD-11 [World Health Organization, 2019] den Zwangsspektrumsstörungen zugeordnet.
Wichtige Faktoren für Ätiologie und Aufrechterhaltung der KDS sind kognitive und emotionale Verarbeitungsprozesse wie eine selektive Selbstaufmerksamkeit [Grocholewski et al., 2012], detailorientierte Wahrnehmung des Makels [Feusner et al., 2007], negative autobiografische Erinnerungen und damit zusammenhängend verzerrte mentale Vorstellungsbilder [Fang und Wilhelm, 2015; Ritter und Stangier, 2016; Fang et al., 2020; Ritter und Stangier, 2020] sowie frühe maladaptive Schemata [Weingarden et al., 2018; Malcolm et al., 2021]. Intrusive Gedanken stellen einen weiteren zentralen aufrechterhaltenden Faktor bei KDS dar, der sich in kognitiv-behavioralen Modellen wiederfindet [Phillips, 2005; Veale und Neziroglu, 2010; Wilhelm et al., 2013; Fang et al., 2020]. Typische Kognitionen beziehen sich auf das wahrgenommene Aussehen („Ich bin hässlich“), befürchtete Folgen (z.B. „Wegen meines Aussehens wird mich niemals jemand lieben“) oder eine Gleichsetzung von Aussehen und Wohlbefinden (z.B. „Würde ich besser aussehen, wäre ich endlich glücklich“).
Traditionelle kognitiv-behaviorale Therapieansätze haben sich vor allem auf die die Inhalte von körperdysmorphen Gedanken bezogen und versucht, diese durch kognitive Umstrukturierung zu hinterfragen [Phillips, 2005; Veale und Neziroglu, 2010;; Wilhelm et al., 2013]. Randomisiert-kontrollierte Therapiestudien (RCTs) belegen die Wirksamkeit dieser Ansätze [Harrison et al., 2016]. Neuere Therapieansätze [Wilhelm et al., 2019; Ritter et al., 2023] versuchen darüber hinaus, durch prozessbasierte Interventionen wie Imagery Rescripting, Achtsamkeits- und Distanzierungsübungen oder Videofeedback gezielter die kognitiven Verarbeitungsprozesse zu beeinflussen, die zur Evidenz der körperdysmorphen Überzeugung beitragen. In eine ähnliche Richtung gehen auch Studien mit Ansätzen der Dritten Welle wie akzeptanzbasierte Exposition [Linde et al., 2015] und metakognitiver Therapie [Rabiei et al., 2012]. Entsprechend dem Behandlungsrational der Acceptance und Commitment Therapie, die in der Behandlung der KDS erste positive Befunde gezeigt hat [siehe z.B. Linde et al., 2015; Debaneh, 2018], ist so die Annahme plausibel, dass auch bei der KDS die Beziehung zu den Gedanken (Fusion vs. Defusion) eine wichtige Rolle spielt.
Obwohl die Wirkung dieser Ansätze erwiesen ist, sind die Mechanismen der Veränderung noch nicht umfassend erforscht. Als zentraler Wirkfaktor gilt die Modifikation dysfunktionaler Denkprozesse und Interpretationen. In einer aktuellen Studie konnte nachgewiesen werden, dass Veränderungen bezüglich dysfunktionaler Kognitionen einen signifikanten Mediator für den Behandlungserfolg einer kognitiv-behavioralen Therapie darstellt [Fang et al., 2020]. Diese Veränderungen traten vor allem nach solchen Behandlungssitzungen auf, in denen gezielte Interventionen zur Veränderung der körperdysmorphen Kognitionen durchgeführt wurden. Darüber hinaus konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass kognitiv-behaviorale Therapie von KDS zu stärkeren Veränderungen in den Überzeugungen bezüglich des Aussehens führt als eine supportive Psychotherapie [Greenberg et al., 2023], was die besondere Bedeutung spezifisch auf die KDS bezogener Kognitionen unterstreicht.
Für eine gezielte und effektive Steuerung des Therapieprozesses ist es deshalb von großem Nutzen, im Therapieverlauf dysfunktionale Kognitionen kontinuierlicher zu erfassen. Dabei könnte eine Differenzierung nach Intensität der Überzeugtheit vs. Häufigkeit wichtige Informationen über Quantität und Qualität der Kognitionen liefern. Zum einen ist die Häufigkeit, mit der körperdysmorphe Kognitionen auftreten, ein wichtiger Indikator für die klinische Ausprägung der Beschäftigung mit den vermeintlichen Mängeln im Aussehen [Giraldo-O’Meara and Belloch, 2018]. Zum anderen erheben wir die Überzeugtheit als Indikator für den kognitiven Verarbeitungsprozess der Identifikation oder Distanzierung vom Gedankeninhalt. Zudem hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Ausmaß an Einsicht vs. wahnhafter Ausprägung der Überzeugung, entstellt zu sein, ein wichtiges dimensionales Merkmal der KDS darstellt, das erheblichen Einfluss auf die Behandlung haben kann [Phillips et al., 2014].
Der Fragebogen körperdysmorpher Kognitionen (FKDK) wurde deshalb entwickelt, um sowohl die Häufigkeit als auch die Überzeugtheit von körperdysmorphen Kognitionen möglichst niedrigschwellig und ökonomisch im Therapieverlauf zu messen. Im Rahmen dieser Pilotstudie soll die Konstruktvalidität anhand von Korrelationen mit verwandten Konstrukten sowie die interne Konsistenz und Veränderungssensitivität des FKDK bestimmt und Itemstatistiken berichtet werden. Darüber hinaus wurde der Verlauf der wöchentlich gemessenen körperdysmorphen Kognitionen während der Therapie untersucht. Wir erwarteten über den Zeitverlauf hinweg: (a) eine Reduktion der Auftretenshäufigkeit sowie der Überzeugtheit körperdysmorpher Kognitionen, (b) interindividuelle Unterschiede in der Reduktion. Weiterhin soll untersucht werden, welche Prädiktoren die Reduktion körperdysmorpher Kognitionen über den Therapieverlauf vorhersagen. Die therapeutische Beziehung ist laut zahlreicher Befunde ein wichtiger Wirkfaktor für den psychotherapeutischen Behandlungserfolg [Martin et al., 2000; Baier et al., 2020]. Wir untersuchen daher, ob sich dieser Zusammenhang auch für den Teilaspekt der Reduktion körperdysmorpher Gedanken zeigt und der Erfolg kognitiver Interventionen mit der therapeutischen Beziehung zusammenhängt. Wir erwarteten hierbei (c) einen positiven Zusammenhang der dyadenspezifischen, therapeutischen Beziehung mit der Reduktion körperdysmorpher Kognitionen. Darüber hinaus bestehen uneindeutige Befunde zum Zusammenhang zwischen der Symptomschwere psychischer Erkrankungen vor Behandlungsbeginn und dem Behandlungserfolg [Kampman et al., 2008; Olatunji et al., 2013]. Für depressive Störungen konnte gezeigt werden, dass eine höhere Symptomstärke die Effektivität kognitiver Interventionen einschränkt [Hamilton und Dobson, 2002]. Bei KDS liegen dazu jedoch keine spezifischen Befunde vor. Wir untersuchen daher explorativ, (d) ob die Symptomschwere vor Behandlungsbeginn einen Einfluss auf die erreichte Reduktion körperdysmorpher Kognitionen hat. Wir betrachten weiterhin, ob die Reduktion körperdysmorpher Kognitionen als ein Kernsymptom der KDS äquivalent zur Reduktion der generellen Symptomschwere erfolgt. Da es hier keine empirischen Befunde gibt, betrachten wir explorativ, (e) ob es einen Zusammenhang zwischen der Reduktion körperdysmorpher Kognitionen und der Symptomreduktion im Therapieverlauf gibt.
Methode
Stichprobe
Die Stichprobe wurde im Rahmen eines RCT zur Wirksamkeit von kognitiver Therapie [Ritter et al., 2023] erhoben. N = 40 Patient*innen wurden randomisiert in eine Therapiegruppe (n = 21) und eine 12-wöchige Wartelistengruppe (n = 19). Nach Berücksichtigung der Dropouts haben N = 30 Teilnehmer*innen aus beiden Gruppen die Therapie beendet und wurden zur Validierung der Skala in einer kombinierten Stichprobe ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Startzeitpunkts analysiert. N = 21 der Patient*innen sind weiblich (70%). Das Alter beträgt M = 29,87 (SD = 8,34).
Die Patient*innen wiesen vor Beginn einen mittleren KDS-Schweregrad (BDD-YBOCS: M = 28,83, SD = 5,84), einen FKS-Wert von M = 37,11 (SD = 8,13) sowie eine ausreichende Einsichtsfähigkeit (BABS: M = 12,14, SD = 4,33) auf. Die psychische Belastung (BSI) war hoch (M = 71,17, SD = 10,07), die Depressivität (QIDS) eher leicht (M = 8,37, SD = 5,30).
Konstruktion des FKDK
Der FKDK ist ein kurzes, einfaches Selbstbeurteilungsinstrument, welches die Auftretenshäufigkeit und die Überzeugungsstärke hinsichtlich 20 körperdysmorpher Kognitionen in Bezug auf die jeweils letzte Woche erfasst. Die Instruktion lautet „Auf diesem Blatt finden Sie einige Gedanken, die Menschen durch den Kopf gehen, die unter einem Makel im Aussehen leiden. Bitte notieren Sie auf der linken Seite, wie oft in der letzten Woche jeder dieser Gedanken aufgetreten ist. Auf der rechten Seite schätzen Sie anschließend ein, wie sehr Sie von dem Gedanken überzeugt sind.“ Die Auftretenshäufigkeit wurde nach der Frage „Wie häufig tritt Gedanke auf?“ von „1 = nie“, „2 = selten“, „3 = oftmals“, „4 = regelmäßig“ bis „5 = immer“ bewertet. Für die Überzeugtheit wurde Instruktion ergänzt „Wie stark glauben Sie daran, dass der jeweilige Gedanke zutrifft, wenn der Gedanke auftritt? Bitte schätzen Sie jeden der aufgetretenen Gedanken ein, indem Sie eine Zahl zwischen 0 und 100 aussuchen und rechts neben dem Gedanken eintragen.“ Die Skala von 0–100 mit Zwischenstufen in Zehnerschritten war an den Maximalpolen mit „Ich glaube nicht, dass Gedanke zutrifft“ und „Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass der Gedanke stimmt“ beschriftet. Für beide Skalen wird der Wert manuell angegeben, sodass für die Überzeugtheit auch Zwischenwerte möglich sind. Die Skalierung orientiert sich am Fragebogen zu sozialphobischen Kognitionen [SPK; Stangier et al., 2003]. Die Items des FKDK wurden anhand zweier Manuale [Veale und Neziroglu, 2010; Wilhelm et al., 2013] sowie der klinischen Erfahrung der Autor*innen formuliert, wodurch eine gute inhaltliche Validität angestrebt wurde. Kognitionen sind z.B. „Andere finden mein Aussehen wegen des Makels lächerlich“ oder „Ich bin wegen des Makels im Aussehen als Mensch minderwertig“. Zudem wird in einem offenen Textfeld erfragt, auf welchen Makel sich die Gedanken beziehen. Die Trennung der Subskalen erlaubt eine differenzierte Betrachtung der Auftretenshäufigkeit und der Beziehung, die Patient*innen im Sinne der Fusion oder Defusion zu ihren Gedanken haben. Für beide Subskalen kann ein Punktwert berechnet werden, indem die Summe durch die Anzahl der bewerteten Items geteilt wird. Patient*innen können bis zu drei zusätzliche Kognitionen ergänzen und diese ebenso bewerten. Die zusätzlichen Nennungen sind relevant für die Planung des therapeutischen Prozesses. Die Bewertungen der hinzugefügten Items gehen in die Berechnung der Gesamtpunktzahl für die Subskalen Häufigkeit und Überzeugtheit ein. Es ist zu berücksichtigen, dass dann die erhöhte Gesamtzahl der Items für die Berechnung des Mittelwerts herangezogen werden muss.
Messinstrumente
Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale modifiziert für KDS (BDD-YBOCS)
Die BDD-YBOCS ist das Standardinstrument zur Messung des KDS-Schweregrads [Phillips et al., 1997; deutsch: Kollei et al., 2023]. Es handelt sich um ein halbstrukturiertes klinisches Interview, das die gedankliche Beschäftigung mit einem wahrgenommenen Makel, zwanghafte Verhaltensweisen, Einsicht und Vermeidung erfasst. Es besteht aus 12 Items, die zu einem Gesamtwert (Range 0–48) aggregiert werden. Der BDD-YBOCS weist eine gute Interrater- und Test-Retest-Reliabilität, interne Konsistenz, Validität und Änderungssensitivität auf [Phillips et al., 2014]. In einer deutschen Stichprobe fand sich eine gute interne Konsistenz (α = 0,77) und Interrater-Reliabilität (ICC = 0,96) [Kollei et al., 2023; Ritter et al., 2023].
Fragebogen körperdysmorpher Symptome (FKS)
Der FKS ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung körperdysmorpher Symptome [Buhlmann et al., 2009]. Neben 16 Items, die zu einem Gesamtscore (Range 0–64) summiert werden, erfasst der FKS KDS-spezifische Körperregionen. Der FKS weist eine interne Konsistenz von α = 0,88 auf und trennt mit einem Cut-off-Wert von 14 gut zwischen KDS-Patient*innen und gesunden Personen (AUC = 0,96) [Buhlmann et al., 2009].
Brown Assessment of Beliefs Scale (BABS)
Um die Einsicht in die Übertriebenheit körperdysmorpher Überzeugungen zu erfassen, verwendeten wir die BABS [Eisen et al., 1998; deutsch: Buhlmann, 2014]. Es handelt sich um ein halbstrukturiertes klinisches Interview, bei dem die individuell wichtigste Überzeugung erfasst und mittels sechs Items die Überzeugungsstärke bewertet wird. Der Summenwert (0–24) weist auf den Grad der Einsichtsfähigkeit hin. In einer deutschen Stichprobe wurde eine gute interne Konsistenz von α = 0,87 sowie die konvergente und divergente Validität bestätigt [Buhlmann, 2014], zahlreiche Studien bestätigen die Reliabilität und Validität [Kaplan et al., 2006; Phillips et al., 2013; Niu et al., 2016].
Quick Inventory of Depressive Symptomatology-Clinician Rating (QIDS-C)
Das QIDS-C ist ein klinisches Interview für den Schweregrad depressiver Symptome [Rush et al., 2003; deutsch: Drieling et al., 2007]. Anhand von 16 Items werden die diagnostischen Kriterien nach DSM-IV erfragt und zu einem Summenwert (0–27) aggregiert. Das QIDS-C zeigte in verschiedenen Studien eine gute interne Konsistenz von α = 0,65 bis 0,87 [Reilly et al., 2015].
Brief Symptom Inventory-18 (BSI-18)
Das BSI-18 [Derogatis, 2000; deutsch: Spitzer et al., 2011] erfasst in 18 Items die Facetten Somatisierung, Depressivität und Ängstlichkeit, die zum Gesamt-Schweregrad-Index (GSI) der generellen psychischen Belastung aggregiert werden können. In zahlreichen internationalen und deutschen Stichproben zeigt sich das BSI als valides und reliables Messinstrument.
Helping Alliance Questionnaire (HAQ)
Der HAQ [Alexander und Luborsky, 1986; deutsch: Bassler et al., 1995] misst in je sechs Items die Zufriedenheit mit der therapeutischen Beziehung und mit dem Therapieerfolg, und kann in der patient*innen- als auch in der therapeut*innenbewerteten Form eingesetzt werden. Die Subskalen können einzeln oder als Gesamtwert ausgewertet werden. Für die interne Konsistenz werden mit α = 0,89 (Subskala Beziehungszufriedenheit) und α = 0,84 (Subskala Erfolgszufriedenheit) gute Kennwerte berichtet. Zur Prüfung der Hypothese (c) ziehen wir in dieser Studie nur die Subskala Beziehungszufriedenheit in der patient*innenbewerteten Version heran.
Vorgehen
Der detaillierte Ablauf des RCTs findet sich bei Ritter et al. [2023]. Das Versuchsprotokoll wurde von der Ethikkommission der Goethe-Universität Frankfurt genehmigt und entspricht den Standards der Deklaration von Helsinki [World Medical Association, 1997]. Alle Proband*innen willigten nach umfassender Aufklärung in die Teilnahme ein. Die Behandlung bestand aus bis zu 20 Therapiesitzungen, die 50–100 Minuten dauerten. In Abhängigkeit von Behandlungsstufe und Intervention wurden sieben 100-minütige Sitzungen durchgeführt. Nach jeder Sitzung wurden die körperdysmorphen Kognitionen für die vergangene Woche bewertet (FKDK). Diese dienten der Anwendung von Interventionen wie Imagery Rescripting oder Verhaltensexperimenten [Ritter und Stangier, 2016; Ritter et al., 2023]. In der vorliegenden Analyse fließen Doppelsitzungen als zwei MZP ein, da wir davon ausgehen, dass mehr therapeutischer Fortschritt erfolgt als in einer Einzelsitzung und so die interindividuelle Verteilung von Doppelsitzungen nicht zu einer Verzerrung im Datensatz führt. Eine Diagnostik mit BDD-YBOCS, BABS, BSI und QIDS erfolgte in beiden Gruppen vor Behandlungsbeginn (Pre), nach 12 (T1) und 24 (T2) Wochen sowie zu Behandlungsende (Post). Die mittlere Behandlungsdauer betrug 45,6 Wochen (SD = 20,54). Der FKDK und der HAQ wurden nach jeder Sitzung bearbeitet.
Auswertung
Zur Validierung des FKDK wird für alle Patient*innen der erste ausgefüllte Fragebogen zu Behandlungsbeginn (Prä) genutzt. Der jeweils letzte ausgefüllte Bogen zu Behandlungsende (Post) wurde zusätzlich zur Bestimmung der Veränderungssensitivität genutzt. So konnten trotz einiger fehlender Werte alle Patient*innen in den Großteil der Analysen eingehen. Die Anwendung hierarchisch-linearer Regressionen ermöglicht auch bei fehlenden Werten den Einbezug aller Personen. Es wurden daher keine Werte imputiert und alle Einzelanalysen jeweils mit der größtmöglichen Stichprobe durchgeführt (Angabe der Anzahl jeweils an der entsprechenden Stelle). Weiterhin wurden patientenspezifische Mittelwerte für die Beziehungszufriedenheit über den Therapieverlauf hinweg berechnet. Die interne Konsistenz des Fragebogens wurde mittels McDonalds Omega bestimmt, da dieses Maß für interne Konsistenz weniger strenge Annahmen über die faktorielle Struktur des Fragebogens trifft und somit bei nicht erfüllten Voraussetzungen weniger Verzerrungen mit sich bringt [Dunn et al., 2014]. Aufgrund der kleinen Stichprobe kann keine Faktorenanalyse durchgeführt werden [Kline, 2005], somit kann nach aktuellem Validierungsstand eine vermutete einfaktorielle Struktur des FKDK nicht geprüft werden. Aufgrund der seltenen Angabe zusätzlicher Kognitionen wurden die Items 21–23 bei der Berechnung der Reliabilität ausgespart. Für die Konstruktvalidität des Fragebogens wurden Korrelationen mit verwandten Maßen berechnet. Für die Symptomschwere (BDD-YBOCS, FKS) erwarteten wir eine mittlere bis hohe Korrelation (>0,3) da der FKDK eine Teilkomponente der körperdysmorphen Symptomatik abdeckt. In Bezug auf die Einsichtsfähigkeit (BABS) erwarten wir eine moderate Korrelation mit der Subskala Überzeugtheit, da das gemessene Konstrukt der Einsicht neben inhaltlichen Überschneidungen auch abweichende Aspekte beinhaltet. Aufgrund der hohen Komorbiditäten der KDS mit Depression [Phillips und Stout, 2006] und des hohen Leidensdrucks erwarten wir für die depressive Symptomatik (QIDS) sowie die psychische Belastung (BSI) eine mittlere Korrelation (0,3–0,5) [Einstufung nach Cohen, 1988].
Die Veränderungssensitivität gibt an, ob ein Fragebogen eine aufgetretene Veränderung im erhobenen Konstrukt in den Messwerten wiedergibt. Veränderungssensitivität kann entsprechend der Empfehlungen von Stratford und Riddle [2005] über einen t-Test für verbundene Stichproben bestimmt werden (internale Responsivität), wenn von einer homogenen Veränderung über das gesamte Sample hinweg ausgegangen wird. Wenn sich jedoch die Veränderungsstärke im Sample unterscheidet, wird eine Korrelation zwischen der Veränderung in den Fragebogenwerten und in einem externalen Kriterium (externe Responsivität) bestimmt. In der vorliegenden Studie vergleichen wir zur robusten Bestimmung die interne und die externe Responsivität. Zur graphischen Darstellung des Verlaufs der körperdysmorphen Kognitionen über die Therapie hinweg wurden beide Subskalen mittels Vorgehen nach Little [2013] in eine Metrik von 0 bis 1 transformiert, die die Proportionen zwischen den MZP beibehält. Die Hypothesen zum Verlauf wurden mit hierarchisch-linearer Regression geprüft. Hierfür wurde zunächst ein Random Intercept, Fixed Slope Modell mit einem Random Intercept, Random Slope Modell verglichen. Im nächsten Schritt wurden Prädiktoren hinzugenommen, um die interpersonelle Slope-Varianz zu erklären. Mittels multipler Regression wurde zuletzt geprüft, ob die Symptomreduktion über den Therapieverlauf durch die Veränderung der körperdysmorphen Kognitionen erklärt wird.
Ergebnisse
Tabelle 1 zeigt die deskriptiven Daten der Subskalen Auftretenshäufigkeit und Überzeugtheit für den ersten und den letzten ausgefüllten Fragebogen jeder Person.
Die interne Konsistenz von ω = 0,90 für die Subskala Häufigkeit und ω = 0,96 für die Überzeugtheit zeigt eine sehr gute Reliabilität des FKDK an. Die Trennschärfen liegen zwischen 0,17 und 0,87, wobei drei Items einen Wert unter 0,30 aufweisen. Die Itemtexte sowie -statistiken sind in online Supplement-Tabelle S1 (für das ganze online suppl. Material, siehe https://doi.org/10.1159/000533324) abzurufen.
Konstruktvalidität
Zur Bestimmung der Konstruktvalidität des FKDK wurden Korrelationen der beiden Subskalen mit verwandten Konstrukten berechnet (Tab 2). Es zeigt sich eine moderate Korrelation der FKDK-Subskalen mit dem KDS-Schweregrad (BDD-YBOCS) und der KDS-Symptomstärke (FKS). Die Einsichtsfähigkeit (BABS) korreliert wider Erwarten nicht signifikant mit der Überzeugungsstärke. Die allgemeine psychische Symptombelastung (BSI) sowie die depressive Symptomatik (QIDS) zeigen einen signifikanten Zusammenhang mit der Häufigkeit (hohe Korrelation) und Überzeugtheit (moderate Korrelation). Die Korrelation mit der depressiven Symptomatik ist für die Häufigkeit signifikant größer als für die Überzeugtheit (p = 0,011). Obwohl die Korrelationen mit den Depressionsmaßen teilweise deskriptiv höher sind als mit den störungsspezifischen Maßen der KDS-Symptomschwere, ist der Unterschied nicht statistisch signifikant.
Veränderungssensitivität
Ein t-Test für verbundene Stichproben weist eine signifikante Veränderung zwischen Prä und Post für die Häufigkeit (t = 3,68, p = 0,001, df = 24) und die Stärke der Überzeugtheit (t = 3,27, p = 0,003, df = 24) vor und spricht daher für eine gute internale Responsivität.
Zudem zeigt eine Korrelation mit den KDS-Symptommaßen (BDD-YBOCS, FKS), dass der FKS eine parallele Veränderung körperdysmorpher Kognitionen abbildet. Für beide Subskalen fanden wir signifikante Korrelationen mit der Symptomreduktion gemessen mit BDD-YBOCS (Häufigkeit: r = 0,78, p < 0,001, Überzeugtheit: r = 0,53, p = 0,007, beide n = 24) und FKS (Häufigkeit: r = 0,78, p < 0,001, Überzeugtheit: r = 0,64, p = 0,002, beide n = 21).
Verlauf der Kognitionen
Abbildung 1 zeigt die Veränderungen in der Auftretenshäufigkeit und der Überzeugtheit körperdysmorpher Kognitionen, mit der deutlichsten Reduktion im Mittelteil der Behandlung.
Veränderung von Häufigkeit und Überzeugtheit der körperdysmorphen Kognitionen über den Verlauf der prozessorientierten kognitiven Therapie. Für die Darstellung wurden die Werte in eine einheitliche Skalierung von 0 bis 1 transformiert.
Veränderung von Häufigkeit und Überzeugtheit der körperdysmorphen Kognitionen über den Verlauf der prozessorientierten kognitiven Therapie. Für die Darstellung wurden die Werte in eine einheitliche Skalierung von 0 bis 1 transformiert.
Der ICC zeigt an, dass die Gesamtvarianz körperdysmorpher Kognitionen zu 68,20% (Häufigkeit) bzw. 71,80% (Überzeugtheit) auf Unterschiede zwischen Personen zurückzuführen ist. Daher werden zur Analyse der Hypothesen (a)–(d) hierarchisch lineare Modelle genutzt.
Fester und zufälliger Zeit-Trend
Im ersten Schritt wurden ein fester und ein zufälliger Zeit-Trend verglichen (Hypothese b). Im Modellvergleich zeigte sich, dass das Modell mit Random Slope für Häufigkeit (χΔ = 166,07, p < 0,001) sowie Überzeugtheit (χΔ = 202,92, p < 0,001) überlegen war. Auch AIC und BIC geben die Überlegenheit des Modells mit Random Slope an. Daher wurde zur Prüfung von Hypothese (a) für beide Subskalen das Random Slope, Random Intercept Modell berechnet. Für beide Subskalen ergibt sich ein signifikanter, negativer Zeiteffekt (Tab 3), der zeigt, dass es zu einer Reduktion körperdysmorpher Kognitionen im Verlauf kommt. Da die Variablen in eine einheitliche Metrik (0–1) transformiert wurden, sind die Koeffizienten direkt vergleichbar und zeigen eine äquivalente Reduktion in beiden Subskalen.
Prädiktoren für Reduktion der Kognitionen
Dann wurden Prädiktoren ins Modell aufgenommen, um zu überprüfen, ob sich interindividuelle Unterschiede in der Reduktion körperdysmorpher Kognitionen durch andere Variablen erklären lassen (Hypothese c und d). Hierbei wurden die Beziehungszufriedenheit (HAQ) und der KDS-Schweregrad (BDD-YBOCS) vor Behandlungsbeginn aufgenommen und als Cross-Level-Interaktionen im Modell postuliert (Tab 4).
Aufklärung interindividueller Unterschiede in der Reduktion der körperdysmorphen Kognitionen durch die Beziehungszufriedenheit und den Baseline KDS-Schweregrad

Dabei wurde ein signifikanter Effekt des Baseline-Schweregrades (BDD-YBOCS) auf die Häufigkeit und die Überzeugtheit körperdysmorpher Kognitionen gefunden. Dies zeigt, dass Personen mit einem größeren KDS-Schweregrad (Prä) über den gesamten Therapieverlauf hinweg eine höhere Ausprägung körperdysmorpher Kognitionen zeigen. Für beide Subskalen besteht eine Cross-Level-Interaktion zwischen der Reduktion körperdysmorpher Kognitionen und der Beziehungszufriedenheit (Häufigkeit: β = –0,01, p = 0,015, Überzeugtheit: β = –0,01, p = 0,008). Das bedeutet, dass Personen, die über die Therapie hinweg eine höhere Beziehungszufriedenheit angeben, eine stärkere Reduktion körperdysmorpher Kognitionen berichten (Hypothese c). Ebenfalls konnten wir für beide Subskalen zeigen, dass Personen mit einem höheren KDS-Schweregrad (Prä) über die Therapie hinweg eine stärkere Reduktion körperdysmorpher Kognitionen zeigen (Cross-Level-Interaktion, Hypothese d; Häufigkeit: β = 0,00, p = 0,040, Überzeugtheit: β = 0,00, p = 0,041). Abbildungen zu Cross-Level-Interaktionen (Abb. S1-S4) sind im online supplementary Material zu finden.
Zusammenhang von Kognitionsreduktion mit Symptomreduktion
Das Ergebnis der Regressionsanalyse (Hypothese e) zeigt, dass eine stärkere Reduktion in der Häufigkeit körperdysmorpher Kognitionen (FKDK) mit einer stärkeren KDS-Symptomreduktion (BDD-YBOCS) einhergeht (β = 7,38, p = 0,006). Der marginale Zusammenhang mit dem KDS-Schweregrad (BDD-YBOCS) zeigt, dass ein höherer KDS-Schweregrad (Prä) tendenziell mit einer stärkeren Symptom-Reduktion (BDD-YBOCS) zusammenhängt (β = –0,46, p = 0,088). Siehe Tabelle S2 im online supplementary Material.
Diskussion
Mit der vorliegenden Studie wurde erstmals im deutschsprachigen Raum ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung KDS-spezifischer dysfunktionaler Kognitionen entwickelt und erste Ergebnisse im Rahmen einer Pilotvalidierung erhoben. Der FKDK wies eine hohe interne Konsistenz und Veränderungssensitivität auf. Die Konstruktvalidität wurde durch Korrelationen mit Maßen für KDS-Symptomschwere (BDD-YBOCS, FKS) bestätigt, wobei detaillierte Ergebnisse der Korrelationen unten diskutiert werden. Die Items weisen bis auf wenige Ausnahmen gute Trennschärfen auf und können damit gut zwischen hohen und niedrigen Merkmalsausprägungen unterscheiden. Die faktorielle Struktur des FKDK konnte aufgrund der geringen Stichprobengröße noch nicht überprüft werden.
Konstruktvalidität
Die moderaten bis hohen Korrelationen mit KDS-Schweregrad (BDD-YBOCS) und KDS-Symptomatik (FKS) bestätigen die konvergente Validität des FKDK.
Die erwartete moderate Korrelation der Überzeugtheit mit der Einsichtsfähigkeit (BABS) konnten wir nicht bestätigen, wobei der Zusammenhang deskriptiv knapp mittelgroß ist. Der geringer als erwartete Zusammenhang könnte daran liegen, dass die BABS die Einsicht in die Übertriebenheit einer zentralen individuellen Überzeugtheit misst. Der FKDK hingegen erfasst verschiedene körperdysmorphe Kognitionen. Die geringe Korrelation zwischen FKDK und BABS zum Zeitpunkt der Beurteilung könnte zudem daraus resultieren, dass Personen mit KDS erhebliche intraindividuelle Schwankungen der Einsichtsfähigkeit zeigen [Schulte et al., 2021].
Für die Subskala Überzeugtheit entsprachen die moderaten Korrelationen mit den Depressionsmaßen der Erwartung. Die Subskala Häufigkeit korrelierte jedoch signifikant höher mit der generellen psychischen Belastung (BSI-18) sowie der Depressivität (QIDS), was darauf hinweisen könnte, dass die Auftretenshäufigkeit entscheidend zu sein scheint für einen besonders starken Leidensdruck und somatische Belastung.
Dieses Korrelationsmuster spiegelt zum einen wider, dass die körperdysmorphe Störung hohe Komorbiditäten, insbesondere zu depressiven, aber auch zu anderen psychischen Störungen (z.B. Soziale Angststörung, Zwangsstörung) aufweist, die in den letzten Jahrzehnten in vielen Studien belegt wurde [z.B. Gunstad und Phillips, 2003; Coles et al., 2006; Phillips und Stout, 2006; Phillips et al., 2007]. In der vorliegenden Stichprobe wiesen 11 Patient*innen komorbide depressive Erkrankungen auf, was auf eine hohe komorbide Symptombelastung hindeutet, die sich in einzelnen körperdysmorphen Kognitionen (z.B. „Mein Leben ist wegen des Makels sinnlos“) wiederfindet.
Zum anderen erfasst der QIDS nicht nur kategorial das Vorliegen einer depressiven Episode, sondern auch syndromunabhängig eine psychische Belastung ausgelöst durch andere emotionale Probleme. Somit kann hier auch davon ausgegangen werden, dass die Korrelation eine hohe subjektive Belastung (Schlafstörung, niedergeschlagene Stimmung etc.) wiedergibt, die durch das häufige Auftreten der körperdysmorphen Kognitionen ausgelöst wird.
Zudem muss beachtet werden, dass der FKDK nicht umfassend die KDS-Symptomatik erfasst, sondern lediglich die kognitive Teilkomponente der Symptomatik. Damit erklärt sich die eher moderate Korrelation mit der BDD-YBOCS, da es KDS-Betroffene gibt, bei denen die mentale Beschäftigung mit dem Aussehen weniger stark ausgeprägt ist als die behaviorale Komponente. Die kognitive Komponente der KDS-Symptomatik weist Ähnlichkeiten zu angrenzenden Störungsbildern, v.a. der Depression auf, die u.a. durch eine hohe Ruminationsneigung und Metakognitionen gekennzeichnet ist [Veale und Neziroglu, 2010; Zeinodini, 2015]. Mechanismen depressiver Denkverzerrungen nach Beck, selbstabwertende Inhalte, bzw. Gedanken von anderen abgewertet zu werden [Veale und Neziroglu, 2010; Fang et al., 2020], spiegeln sich in den Items des FKDK wider (z.B. „Durch den Makel im Aussehen kann ich keinen Erfolg im Leben haben“ als Beispiel für Übergeneralisierung und Katastrophendenken). Die körperdysmorphen Kognitionen stellen störungsspezifisch ausgestaltete Produkte einer Denklogik dar, die sich auf ähnliche Art bei verschiedenen psychischen Erkrankungen findet [Gellatly und Beck, 2016]. Körperdysmorphe Kognitionen sind also wie auch depressive Kognitionen gleichermaßen durch bestimmte Denkfehler gekennzeichnet, was einen möglichen ergänzenden Erklärungsansatz für die hohe Korrelation darstellen könnte.
Trennschärfe
Es ergab sich eine gute Trennschärfe der meisten Items, die nur in drei Fällen unter 0,3 liegt. Diese Items beziehen sich teilweise auf spezifische inhaltliche Aspekte (Schuld: „Ich bin selbst schuld daran, dass ich so hässlich bin“; Auswirkungen auf Beziehung: „Wegen des Makels im Aussehen wird sich (m)ein Partner von mir trennen“); ein Item hat eine geringe Itemschwierigkeit („Der Makel in meinem Aussehen hindert mich daran, perfekt auszusehen”, MHäufigkeit = 4,10, MÜberzeugtheit = 82,32).
Obwohl die Entfernung der drei Items denkbar wäre, liegt der primäre Fokus dieses prozessorientierten Fragebogens auf der möglichst breiten Erfassung individuell bedeutsamer kognitiver Prozesse zur Gestaltung und Evaluation des Therapieverlaufs, anstatt einer unidimensionalen, homogenen Konstruktmessung. Daher besteht auch die Option zur Ergänzung individuell relevanter Kognitionen und es wurden alle Items im Fragebogen belassen.
Veränderungssensitivitität
Die gefundene gute Veränderungssensitivität ist besonders wichtig für den regelmäßigen Einsatz im Therapieprozess. Der FKDK kann Therapiefortschritte reliabel abbilden und erlaubt Therapeut*innen damit eine kleinschrittige Überprüfung des Verlaufs. Die hohen Korrelationen mit Maßen für den KDS-Schweregrad zeigt die große Bedeutung der körperdysmorphen Kognitionen für die Veränderung im Verlauf prozessbasierter kognitiver Therapie bei KDS.
Bedeutung für den Therapieprozess
Der FKDK kann somit als ökonomisches und reliables Instrument für die regelmäßige Erfassung von Therapieverläufen eingesetzt werden. Besonders kann durch eine separate Auswertung der Subskalen differenziert betrachtet werden, ob sich trotz weiterhin auftretender körperdysmorpher Gedanken die Beziehung zu diesen verändert hat. Wenn Patient*innen weiterhin auftretende Gedanken distanzierter betrachten, ist dies als Therapiefortschritt zu werten, den der FKDK spezifisch erheben kann.
Die Stärke des FKDK besteht über die Verlaufsmessung hinaus in seiner Bedeutung zur Steuerung des Therapieprozesses. Therapeut*innen können mitverfolgen, ob infolge spezifischer kognitiver Interventionen wie Videofeedback, Imagery Rescripting oder Verhaltensexperimente bestimmte Gedanken in ihrer Häufigkeit oder die Überzeugtheit abnehmen. Die Ergebnisse können zudem nachbesprochen werden, um Veränderungsprozesse transparent zu machen und dadurch die Selbstwirksamkeit sowie das Vertrauen in die Therapie zu stärken. Darüber hinaus kann im Therapieprozess deutlich werden, wenn körperdysmorphe Gedanken neu aufgetreten sind oder sich verstärkt haben, die dann genauer exploriert werden sollten.
Verlauf
Die Verlaufsanalyse zeigt, dass sich die körperdysmorphen Gedanken über die Therapie hinweg reduzierten, besonders konsistent war die Verringerung im mittleren Abschnitt der Behandlung. Dies könnte daran liegen, dass nach einer initialen Phase mit vorbereitenden Aspekten und Modellableitung ein Prozess der intensiven Arbeit an der Veränderung von Kognitionen erfolgt, der zum Ende hin durch stärker emotionsaktivierende Interventionen sowie durch die Umsetzung erarbeiteter Verhaltensänderungen im Alltag abgelöst wird. Unter Umständen kommt es zum Ende der Behandlung zu einer größeren Varianz in der Reduktion, da die Umsetzung von Verhaltensänderungen mit einer stärkeren Lösung von der engen Begleitung im therapeutischen Rahmen unterschiedlich gut gelingt.
Entsprechend dem Befund von Veale et al. [2014] konnten wir ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Reduktion körperdysmorpher Gedanken und der Symptomreduktion finden. Zukünftige Studiendesigns sollten untersuchen, ob die Reduktion körperdysmorpher Kognitionen ein Mediator in der Behandlung mittels KVT sein könnte. Darüber hinaus muss auf die Bedeutung der therapeutischen Beziehung hingewiesen werden. Personen, die über die Therapie hinweg eine höhere Beziehungszufriedenheit angaben, wiesen eine stärkere Reduktion körperdysmorpher Gedanken auf. Dies zeigt, dass unspezifische Wirkfaktoren wie die therapeutische Allianz auch mit störungsspezifischen Prozessen und darüber mit dem Therapieerfolg zusammenhängen.
Limitationen
Wie jede Studie hat auch diese Untersuchung Limitationen. Aufgrund der Pilotvalidierung dieses Prozessmaßes im Rahmen eines klinischen RCT wurde keine ausreichend große Stichprobe für eine umfassende Validierung erhoben. Daher müssen die Ergebnisse der Analysen, insbesondere der hierarchisch-linearen Regression, mit Vorsicht interpretiert und durch weitere Studien überprüft werden.
Die geringe Stichprobengröße ermöglicht keine Faktorenanalyse, weshalb aktuell die faktorielle Struktur des FKDK noch ungeklärt ist. Um die dimensionale Interpretation des Gesamtwertes für die Veränderungsmessung zu stützen, sollten zukünftigen Studien mit ausreichend großen Stichproben die faktorielle Struktur untersuchen.
Neben der Interpretation des Gesamtwertes ist der primäre Zweck dieses Instrumentes die möglichst breite Erfassung individuell relevanter, körperdysmorpher Kognitionen zur Gestaltung des Therapieprozesses. Daher bietet das Instrument auch die Möglichkeit, weitere Gedanken zu ergänzen, die nicht in der Liste enthalten sind. Wir nehmen an, dass das Instrument bis zur faktoriellen Untersuchung für diesen Zweck bereits einen wertvollen Beitrag leistet. Weitere Studien sollten zudem Reliabilitätsbestimmungen mittels anderer Methoden ergänzen.
Die geringe Stichprobe erlaubte zudem keine Mediationsanalyse. Zudem wurde der FKDK nicht an Vergleichsgruppen (gesunde Kontrollpersonen, andere psychische Störungen) erhoben, so dass keine Analyse der diskriminanten Validität möglich war.
Zudem gab es fehlende Werte, was an der Belastung durch das wöchentliche Ausfüllen liegen könnte. Laut anekdotischen Schilderungen aus dem RCT empfanden Patient*innen das Ausfüllen des FKDK als bereichernd, was jedoch nicht systematisch erfasst wurde. Da das Ausfüllen von Fragebögen als ermüdend empfunden werden kann, sollten Beweggründe für den Einsatz des FKDK transparent erläutert werden, um die Bereitschaft der Patient*innen zu steigern. Gleichzeitig kann ein gutes Augenmerk auf die empfundene Belastung von Patient*innen Behandlungsabbrüche vorbeugen.
Trotz der genannten Limitationen sehen wir die Stärke der Studie in der Erprobung dieses Instrumentes zur Veränderungsmessung im Rahmen einer Therapiestudie an einer klinischen Stichprobe.
Schlussfolgerung und Ausblick
Mit dieser Pilotstudie stellen wir ein vorläufig validiertes Instrument zur Verfügung, das zur ökonomischen Untersuchung individuell relevanter körperdysmorpher Kognitionen und zur Verlaufsmessung genutzt werden kann. Die Stärke des Instrumentes liegt in der Nutzung zur individuellen Therapiegestaltung. Wir konnten zeigen, dass körperdysmorphe Kognitionen über den Verlauf prozessbasierter kognitiver Therapie eine Reduktion in Auftretenshäufigkeit und eine geringere Überzeugtheit zeigten. Die Verringerung stand in Zusammenhang mit der KDS-Symptomreduktion. Zukünftige Studien sollten die faktorielle Struktur des FKDK untersuchen, Aspekte der divergenten und diskriminanten Validität ergänzen und die gefundenen Ergebnisse mit größeren Stichproben absichern. Weiterhin kann durch entsprechende Forschungsdesigns untersucht werden, ob die Reduktion körperdysmorpher Kognitionen einen Mediator für die KDS-Symptomreduktion darstellt.
Statement of Ethics
Die Studie wurde von der Medizinischen Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität Frankfurt genehmigt (Referenznummer 239/15) und bei ISRCTN registriert (www.isrctn.com, Kennung 92515063). Alle Teilnehmenden haben nach Aufklärung eine schriftliche Einverständniserklärung abgegeben.
Conflict of Interest Statement
Die Autoren erklären, dass die Forschung in Abwesenheit jeglicher kommerzieller oder finanzieller Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten. Dr. Ritter führte die klinischen Interviews zu Beginn der Studie durch. Dr. Ritter und Dr. Stangier waren aktive Therapeuten in dieser Studie.
Funding Sources
Diese Studie wurde durch eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an V.R. und U.S. (Projektnummer: 287331963) finanziert.
Author Contributions
Die Autoren haben die folgenden Beiträge geleistet. Johanna Schüller: Konzeptualisierung, formale Analyse, Methodik, Erstellung und Überarbeitung des Manuskripts, Überarbeitung; Ulrich Stangier: Projektverwaltung, Konzeptualisierung, Ressourcen, Überarbeitung des Manuskripts; Viktoria Ritter: Projektadministration, Konzeptualisierung, Recherche, Ressourcen, Überarbeitung des Manuskripts.
Data Availability Statement
Da es sich um einen klinischen Datensatz mit gesundheitsbezogenen Patient*innendaten handelt, wird der Datensatz nicht frei online verfügbar gemacht.