Hintergrund: Aktuelle Leitlinien empfehlen phasenbasierte Behandlungsansätze wie das Skills-Training zur Affektiven und Interpersonellen Regulation mit Narrativer Therapie (STAIR/NT) zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung nach komplexer Traumatisierung. Bislang ist jedoch keine systematische Übersicht zur Wirksamkeit der ersten Therapiephase STAIR und von STAIR/NT verfügbar. Methode: In einer systematischen Literaturrecherche wurden in verschiedenen Datenbanken Interventionsstudien mit und ohne Kontrollbedingung zu STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen gesucht. Ergebnisse: Insgesamt erfüllten k = 10 Studien zu STAIR/-Adaptationen (davon 5 mit Kontrollbedingung) und k = 5 Studien zu STAIR/NT/-Adaptationen (davon 4 mit Kontrollbedingung) die Einschlusskriterien. In 7 Studien zu STAIR/-Adaptationen und 4 Studien zu STAIR/NT/-Adaptationen wurden Risikogruppen für eine komplexe Traumatisierung untersucht. In den Studien zu STAIR/- und STAIR/NT/-Adaptationen zeigte sich eine Reduktion der posttraumatischen Belastungssymptomatik, affektiven Dysregulation und interpersonellen Problematik. Im Vergleich zu passiven und aktiven Kontrollbedingungen waren STAIR/- und STAIR/NT/-Adaptationen gleichermaßen wirksam oder wirksamer. Diskussion: Die Befundlage zur Wirksamkeit von STAIR/- und STAIR/NT/-Adaptationen ist heterogen. Bislang ist die Evidenz durch eine geringe Anzahl an Wirksamkeitsstudien, diverse Adaptationen, oftmals unkontrollierte Studiendesigns, subklinische Stichproben sowie kleine Stichprobengrößen limitiert. Künftige Studien sollten die Wirksamkeit von STAIR/NT bei Patient*innen mit einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung untersuchen.

Background:: Current guidelines recommend phase-based approaches such as Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation/ Narrative Therapy (STAIR/NT) for the treatment of posttraumatic stress disorder (PTSD) following complex traumatization. However, to date there is no systematic review on the efficacy of STAIR as initial treatment phase and STAIR/NT. Methods:: Searching various databases, we conducted a systematic review on studies with and without control condition investigating the efficacy of STAIR, STAIR/NT, and their adaptations. Results:: Overall, k = 10 studies (including 5 studies with control condition) on STAIR/-adaptations and k = 5 studies (including 4 studies with control condition) on STAIR/NT/-adaptations were identified. In 7 studies on STAIR/- and 4 studies on STAIR/NT/-adaptations, samples consisted of at-risk groups for complex traumatization. Both STAIR/- and STAIR/NT/-adaptations revealed positive effects on posttraumatic stress, affective dysregulation, and interpersonal problems. When compared to passive and active control conditions, STAIR/- and STAIR/NT/-adaptations were equally or more effective. Discussion:: Findings on the efficacy of STAIR/- and STAIR/NT/-adaptations are mixed. Evidence is limited by a small number of studies, heterogeneous adaptations, often uncontrolled study designs, subclinical samples, and small sample sizes. Future studies should investigate the efficacy of STAIR/NT among patients with complex PTSD.

Posttraumatische Belastungsstörung und komplexe Traumatisierung

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine gravierende und weitverbreitete psychische Störung, die nach DSM-5-Kriterien durch das ungewollte Wiedererleben von traumatischen Ereignissen, die Vermeidung von traumaassoziierten Reizen, negative Veränderungen in Kognition und Stimmung und anhaltende Symptome erhöhter Erregung gekennzeichnet ist [American Psychiatric Association, 2013]. Die Einmonatsprävalenz der PTBS wurde in einer deutschen Stichprobe für 14- bis 29-Jährige auf 1,6%, für 30- bis 59-Jährige auf 1,7% und für 60- bis 93-Jährige auf 1,1% geschätzt (nach der International Classification of Diseases 11th Revision, ICD-11) [Maercker et al., 2018; World Health Organization, 2018].

Betroffene, die mehrere, anhaltende und/oder sich wiederholende Traumata (z.B. wiederholte sexuelle und/oder physische Gewalt in Kindheit und Jugend, Folter, organisierte Gewalt) erfahren haben, weisen über die PTBS-Symptomatik hinaus häufig zusätzlich eine affektive Dysregulation, ein negatives Selbstkonzept sowie Schwierigkeiten in den interpersonellen Beziehungen auf [Herman, 1992; Karatzias et al., 2017]. Mit Einführung der neuen ICD-11 [World Health Organization, 2018] wird ein solches Störungsbild, das durch PTBS-Symptome und Schwierigkeiten in der Selbst-Organisation (SSO: affektive Dysregulation, negatives Selbstkonzept und interpersonelle Probleme) charakterisiert ist, als eigenständige Diagnose der komplexen PTBS (kPTBS) kodiert [Maercker et al., 2018]. Die Einmonatsprävalenz der kPTBS betrug in einer deutschen Stichprobe bei den 14- bis 29-Jährigen 0,5%, bei den 30- bis 59-Jährigen 0,7% und bei den 60- bis 93-Jährigen 0,2% [Maercker et al., 2018].

Skills-Training zur Affektiven und Interpersonellen Regulation mit Narrativer Therapie (STAIR/NT) zur Behandlung der PTBS nach komplexer Traumatisierung

Goldstandard in der Behandlung der PTBS sind traumafokussierte Verfahren, bei denen die Verarbeitung der Traumaerinnerung im Mittelpunkt steht [Schäfer et al., 2019]. In aktuellen Meta-Analysen zeigte sich eine hohe Wirksamkeit der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie, insbesondere der Prolongierten Exposition (PE), der Kognitiven Prozesstherapie (Cognitive Processing Therapy, CPT) und der Kognitiven Therapie (Cognitive Therapy, CT) sowie des Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) zur Behandlung der PTBS [Cuijpers et al., 2020; Lewis et al., 2020].

Für die Behandlung der kPTBS wird in der S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung die Kombination von traumafokussierten Techniken mit Techniken zur Emotionsregulation und Verbesserung von interpersonellen Störungen empfohlen [Schäfer et al., 2019]. Ein Therapiekonzept, das in einem zweiphasigen Vorgehen Techniken zur Emotionsregulation und Modifikation von interpersonellen Schemata mit traumafokussierten Techniken kombiniert, ist das Therapiekonzept STAIR/NT [Cloitre et al., 2014, 2020]. Daneben steht aktuell auch das multimodale Programm der Dialektisch-behavioralen Therapie PTBS (DBT-PTBS) zur Behandlung der kPTBS zur Verfügung, das in sieben Therapiephasen expositionsbasierte Techniken mit Elementen der DBT vereint [Bohus et al., 2019].

STAIR/NT wurde ursprünglich zur Behandlung komplexer Traumafolgen bei Patient*innen mit Gewalterfahrung in Kindheit und Jugend entwickelt. Im Rahmen einer ersten Stabilisierungsphase werden zunächst emotionale, soziale und psychologische Ressourcen gefördert, um das allgemeine Funktionsniveau der Patient*innen zu verbessern. Dadurch soll die Wirksamkeit der sich anschließenden traumafokussierten Behandlung gesteigert werden [Karatzias et al., 2017]. Im deutschsprachigen Therapiemanual werden in der ersten Phase STAIR daher zunächst innerhalb von acht Sitzungen Veränderungen in der Emotionswahrnehmung und -regulation und in den interpersonellen Schemata und Fertigkeiten adressiert [Cloitre et al., 2014]. Anschließend erarbeiten Patient*innen in der zweiten Phase der Narrativen Therapie (NT), einer modifizierten Version der PE, innerhalb von acht Sitzungen Narrative ihrer traumatischen Erfahrungen. Parallel zur narrativen Arbeit sollen dabei die in der ersten Phase (STAIR) erlernten Bewältigungsstrategien zur Emotionsregulation zum Einsatz kommen und interpersonelle Schemata in den Trauma-Narrativen identifiziert und modifiziert werden.

Im Jahr 2020 erfolgte eine englischsprachige Neuauflage und Revision von STAIR/NT mit Anpassungen in der Sitzungsanzahl (10 statt 8 Sitzungen in der STAIR-Phase) und verschiedenen inhaltlichen Erweiterungen, z.B. einer zusätzlichen Einheit zum Selbstmitgefühl oder der Erarbeitung von Skills zur Emotionsregulation in zwei getrennten Sitzungen zunächst bezogen auf den Körper und anschließend auf die Gedanken und das Verhalten [Cloitre et al., 2020].

Obwohl STAIR/NT in seiner ursprünglichen Konzeption als ein zweiphasiges Behandlungsprogramm entwickelt wurde, wurde die erste Phase STAIR – losgelöst von der zweiten Phase NT – in den vergangenen Jahren sowohl als alleinstehende wie auch als ergänzende Behandlung eingesetzt. Dabei wurden auch verschiedene Adaptationen entwickelt, die einen erweiterten Einsatz von STAIR im Gruppentherapie-Setting, bei Jugendlichen, in internetbasierter Form und in einer Kurzform ermöglichen. Zusätzlich wurden Adaptationen von STAIR/NT, nämlich STAIR in Kombination mit anderen traumafokussierten Verfahren als der Narrativen Therapie, eingesetzt.

Ziel des systematischen Übersichtsartikels

Das Therapiekonzept STAIR/NT wird von aktuellen Leitlinien zur Behandlung der kPTBS empfohlen [Schäfer et al., 2019]. Darüber hinaus werden in der Praxis die erste Phase STAIR und ihre Adaptationen als alleinstehende oder ergänzende Behandlung eingesetzt und untersucht. Jedoch ist bislang keine systematische Übersicht zur Wirksamkeit von STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen verfügbar. Ziel dieses Artikels ist es, die aktuelle Evidenz zur Wirksamkeit zusammenzufassen.

Gemäß dem Schema PICOS [Moher et al., 2009] wird untersucht, ob STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen im Einzel- und im Gruppensetting (Intervention) bei Jugendlichen und Erwachsenen, die mindestens ein traumatisches Ereignis erlitten haben (Population), wirksam sind. Dazu werden die Posttraumatische Belastungs­symptomatik (PTB-Symptomatik) und die von STAIR vorrangig adressierten Symptombereiche der affektiven Dysregulation und der interpersonellen Probleme (Outcome) in kontrollierten und unkontrollierten klinischen Interventionsstudien (Study design) betrachtet. Der Untersuchung werden Vergleiche innerhalb der Gruppen (z.B. Prä-Post) und Vergleiche zwischen den Gruppen (z.B. Interventions- versus Kontrollbedingung) zugrunde gelegt (Comparison).

Identifikation und Auswahl der Studien

Um Studien zur Wirksamkeit von STAIR und STAIR/NT zu identifizieren, wurden in einer systematischen Literaturrecherche bis zum 22. Februar 2022 die Datenbanken PsycINFO, PsycARTICLES, PSYNDEX, MEDLINE, PubMed und Web of Science durchsucht. Dabei wurde der folgende Term zur systematischen Suche eingesetzt: (*STAIR OR STAIR* OR “phase-based” OR “skills training in affective and interpersonal regulation”) AND (PTSD OR trauma* OR posttraumatic) NOT (injury OR arthroplasty OR knee OR orthopedic OR pediatric OR climbing OR physical OR staircase OR musc* OR imaging OR hip OR surgery OR functional OR fall OR limb). Zusätzlich wurden nach dem Schneeballsystem die Literaturverzeichnisse geeigneter Publikationen überprüft, um weitere relevante Studien zu identifizieren.

Einschlusskriterien

Es wurden die folgenden Einschlusskriterien für die Studien definiert: (1) Die Wirksamkeit von STAIR, STAIR/NT oder deren Adaptationen wurde im Einzel- oder Gruppentherapiesetting untersucht. (2) Die untersuchten Stichproben waren Jugendliche oder Erwachsene, die mindestens ein traumatisches Ereignis erlitten haben. Studien, die als Einschlussbedingung das Vorliegen eines traumatischen Ereignisses, aber keine Cut-Offs für die PTB-Symptomatik festlegten, wurden ebenfalls eingeschlossen. Damit wurden keine Restriktionen in Bezug auf das Vorliegen einer PTB- oder PTBS-Symptomatik bei den Stichproben festgelegt. (3) Die Wirksamkeitsbefunde wurden für mindestens einen der folgenden Endpunkte berichtet: PTB-Symptomatik, affektive Dysregulation, interpersonelle Probleme. Sowohl kontrollierte wie auch unkon­trollierte publizierte Studien in deutscher und englischer Sprache wurden eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Fallstudien oder Sekundäranalysen von bereits inkludierten Studien. Es wurde keine Restriktion bezogen auf das Jahr der Veröffentlichung der Publikationen festgelegt.

Datenextraktion

Für jeden Endpunkt (PTB-Symptomatik, affektive Dysregulation, interpersonelle Probleme) wurde das berichtete Effektstärkemaß (Cohen’s d, Hedges g oder η2) mit dem 95%-Konfidenzintervall (KI) der Effektstärke extrahiert. Wurde in einer Studie kein Konfidenzintervall berichtet, wurde der p-Wert der zugrunde liegenden inferenzstatistischen Testung angegeben. In Studien, in denen keine Effektstärken berichtet wurden, wurden die unstandardisierten Mittelwertsdifferenzen oder unstandardisierten Regressionsgewichte ergänzt. Insgesamt wurden bei unkontrollierten Studien die Innerhalb-Gruppen-Effekte (Effekte innerhalb der Interventionsgruppe über die Zeit) und bei kontrollierten Studien zusätzlich die Zwischen-Gruppen-Effekte (Effekte in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe) und Interaktionseffekte (Veränderungen über die Zeit in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe) extrahiert. Wenn möglich wurden die Ergebnisse der Intent-to-Treat-Analysen berichtet. Die Effektstärken wurden in Anlehnung an Cohen [1988] bewertet. Dabei wurden für Cohen’s d und Hedges g Werte ≈0,20 als kleiner Effekt, ≈0,50 als mittlerer Effekt und ≈0,80 als großer Effekt interpretiert. Für die Effektstärke η2 wurden Werte ≈0,01 als kleiner Effekt, ≈0,06 als mittlerer Effekt und ≈0,14 als großer Effekt klassifiziert.

Literatursuche

Im Rahmen der Literatursuche wurden 270 Studien identifiziert (Abb 1). Nach der Entfernung von Duplikaten wurden Titel und Zusammenfassungen der verbliebenen Studien (k = 123) durchsucht. Insgesamt wurden 100 Studien ausgeschlossen, da es sich um Buchkapitel, Therapiemanuale, Richtlinien, Kommentare zu veröffentlichten Studien, Fallstudien, Studienprotokolle, Reviews, Meta-Analysen, Sekundäranalysen oder qualitative Analysen handelte oder STAIR oder STAIR/NT nicht Gegenstand der Untersuchungen waren. Nach der Beurteilung der Volltextartikel wurden weitere acht Studien ausgeschlossen, die andere phasenbasierte Therapieansätze als STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen untersuchten, Sekundäranalysen von bereits inkludierten Publikationen darstellten oder in denen das Vorliegen eines traumatischen Ereignisses nicht als Einschlusskriterium definiert war [Gudiño et al., 2014]. Der Prozess der Literatursuche ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1.

Flussdiagramm der Literaturrecherche.

Abb. 1.

Flussdiagramm der Literaturrecherche.

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Studiencharakteristika

Es erfüllten insgesamt 15 Studien, die im Zeitraum von 2002 bis 2022 veröffentlicht wurden, die Einschlusskriterien. Von den 15 Studien untersuchten 10 Studien (67%) die Wirksamkeit von STAIR und STAIR-Adaptationen und 5 (33%) Studien untersuchten die Wirksamkeit von STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen. Die deskriptiven Studiencharakteristika sind in Tabelle 1 dargestellt.

Studiencharakteristika von STAIR und STAIR-Adaptationen

Die Wirksamkeit von STAIR/-Adaptationen wurde bei Veteran*innen (sechs Studien), Personen mit sexuellen Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend (eine Studie), weiblichen Gefangenen (eine Studie) und Patient*innen mit PTBS und Schizophrenie (eine Studie) untersucht. Eine Studie überprüfte STAIR bei Jugendlichen mit einer Trauma-Historie. In nur 2 der 10 Studien wurde das Vorliegen einer PTBS als Einschlusskriterium vorausgesetzt [Trappler und Newville, 2007; Jackson et al., 2019], in den anderen Studien war das Erleben von mindestens einem traumatischen Ereignis das Einschlusskriterium. In allen Studien kamen Adaptationen von STAIR zum Einsatz: die Kurzform STAIR-PC, die für Jugendliche adaptierte und im Gruppen-Setting durchgeführte Version STAIR-A, die internetbasierte Version webSTAIR (auch im Blended Care Format in Verbindung mit Face-to-Face-Sitzungen), STAIR via Videotherapie und an das Gruppentherapie-Setting angepasste Versionen von STAIR (siehe Tabelle 1). Insgesamt 5 der 10 Studien untersuchten STAIR/-Adaptationen im Einzelsetting mit 5 bis 10 durchgeführten Sitzungen. Weitere fünf Studien überprüften die Wirksamkeit von STAIR/-Adaptationen im Gruppensetting mit einer Anzahl von 10 bis 16 durchgeführten Sitzungen. Fünf der 10 Studien überprüften die Wirksamkeit in einem kontrollierten Studiendesign, in welchem STAIR/-Adaptationen im Vergleich zu keiner Behandlung, einer Standardbehandlung, einer unterstützenden Psychotherapie, einer Seeking Safety-Behandlung und im Vergleich zu STAIR mit einer reduzierten Sitzungsanzahl (webSTAIR Coach 5) untersucht wurde. Fünf Studien überprüften die Wirksamkeit im unkontrollierten Ein-Gruppen-Design.

Studiencharakteristika von STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen

Die Wirksamkeit von STAIR/NT in seiner ursprünglichen Konzeption wurde in insgesamt drei Studien untersucht [Cloitre et al., 2002, 2010; Levitt et al., 2007]. Zwei weitere Studien überprüften die Wirksamkeit von STAIR in einem zweiphasigen Behandlungsprogramm in Kombination mit PE (STAIR/PE) [Oprel et al., 2021] und EMDR (STAIR/EMDR) [van Vliet et al., 2021]. Vier der fünf Studien waren an Personen mit der Diagnose einer aktuellen PTBS nach physischer und sexueller Gewalterfahrung in Kindheit und Jugend gerichtet. In einer Studie bestand die Stichprobe aus Überlebenden der Anschläge vom 11. September 2001 mit PTB-Symptomatik. In allen Studien wurden STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR im Einzelsetting mit einer mittleren Sitzungsanzahl von acht Sitzungen (Median; Range: 8–14) für die Phase STAIR und acht Sitzungen (Median; Range: 3–16) für die anschließende Phase der traumafokussierten Therapie angeboten. Vier der fünf Studien überprüften die Wirksamkeit in einem kontrollierten Studiendesign. Dabei wurde STAIR/NT im Vergleich zu einer passiven Kontrollbedingung (Warteliste) [Cloitre et al., 2002] und als Gesamtprogramm jeweils im Vergleich zu den einzelnen Programmkomponenten STAIR und NT, ergänzt um unterstützende Gespräche, untersucht (STAIR/Unterstützung und Unterstützung/NT) [Cloitre et al., 2010]. STAIR/PE wurde im Vergleich zu PE und intensivierter PE [Oprel et al., 2021] und STAIR/EMDR im Vergleich zu EMDR untersucht [van Vliet et al., 2021]. Eine Studie untersuchte die Wirksamkeit von STAIR/NT in einem unkontrollierten Ein-Gruppen-Design [Levitt et al., 2007].

Dropout

Die Dropout-Raten für STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen sind in Tabelle 1 dargestellt.

Dropout-Raten in STAIR und STAIR-Adaptationen

Die Dropout-Rate in den STAIR-Interventionsgruppen lag im Mittel bei 33% (Range: 0% bis 55%). Im Einzeltherapie-Setting betrug die Dropout-Rate 30% (Range: 0% bis 49%), im Gruppentherapie-Setting 36% (Range: 17% bis 55%) und bei STAIR in internetbasierter Form 34% (Range: 0% bis 49%). In den Kontrollbedingungen lagen die Dropout-Raten bei 0% (zwei Studien), 42% (eine Studie) und 47% (eine Studie).

Dropout-Raten in STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen

In den Interventionsgruppen STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR lag die Dropout-Rate im Mittel bei 23% (Range: 15% bis 30%). In der passiven Kontrollbedingung betrug die Dropout-Rate 11%, in der aktiven Kontrollbedingung STAIR/Unterstützung 26% und in den traumafokussierten Kontrollbedingungen 28% (Range: 17% bis 39%).

Wirksamkeitsbefunde

Die Wirksamkeitsbefunde zu STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen sind in Tabelle 2 dargestellt. Eine detaillierte Übersicht über die zugrunde liegenden Messinstrumente der extrahierten Kennwerte für jede Studie befindet sich im Supplement (Supplement 1, verfügbar unter www.karger.com/doi/10.1159/000525756).

Wirksamkeit von STAIR und STAIR-Adaptationen

Alle eingeschlossenen Studien zu STAIR/-Adaptationen berichteten Effekte der Behandlung auf die PTB-Symptomatik. In den fünf unkontrollierten Studien wurden kleine bis große Effekte von STAIR/-Adaptationen auf die PTB-Symptomatik vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt berichtet (d = 0,31 [KI nicht angegeben] bis d = 2,48 [KI nicht angegeben]). In einer der fünf kontrollierten Studien wurde ein großer Effekt der STAIR-Adaptation im Vergleich zu einer aktiven Kontrollbedingung vom Prä-Messzeitpunkt bis zum 3-Monats-Folgemesszeitpunkt berichtet (g = 0,81 [KI nicht angegeben]) [Jain et al., 2020]. In einer weiteren kontrollierten Studie wurden positive Effekte der STAIR-Adaptation vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt in der Interventionsgruppe, nicht aber in der aktiven Kontrollbedingung gefunden (Gruppenunterschiede inferenzstatistisch nicht abgesichert) [Trappler und Newville, 2007]. Drei weitere kontrollierte Studien (eine davon an Jugendliche gerichtet) konnten keine Effekte von STAIR/-Adaptationen im Vergleich zu einer aktiven und einer passiven Kontrollbedingung sowie im Vergleich zu STAIR in internetbasierter Kurzform auf die PTB-Symptomatik feststellen [Gudiño et al., 2016; Tripodi et al., 2020; Cloitre et al., 2022].

Insgesamt 6 der 10 Interventionsstudien untersuchten Effekte von STAIR/-Adaptationen auf die affektive Dysregulation. In den vier unkontrollierten Studien wurden kleine bis große Effekte der Behandlung auf die affektive Dysregulation vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt berichtet (d = 0,47 [KI nicht angegeben] bis d = 2,44 [KI nicht angegeben]). In den zwei kontrollierten Studien lagen ein mittlerer Effekt vom Prä- zum 3-Monats-Folgemesszeitpunkt im Vergleich zu einer aktiven Kontrollbedingung (g = 0,75 [KI nicht angegeben]) [Jain et al., 2020] sowie ein Nulleffekt im Vergleich zu der internetbasierten Kurzform von STAIR zum Post-Messzeitpunkt vor (d = 0,05 [KI nicht angegeben]) [Cloitre et al., 2022].

Die Effekte von STAIR/-Adaptationen auf die interpersonellen Probleme wurden in insgesamt sieben Studien untersucht. In den vier unkontrollierten Studien wurden kleine bis mittlere Effekte von STAIR/-Adaptationen auf die interpersonellen Probleme vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt gefunden (d = 0,35 [KI nicht angegeben] bis d = 0,61 [0,36; 0,86]). In einer Studie wurde eine Effektstärke von d = 1,49 (KI nicht angegeben) [Weiss et al., 2018] berichtet, jedoch könnte die Präzision der Effektstärke aufgrund der nicht-signifikanten inferenzstatistischen Testung eingeschränkt sein. Im Vergleich zu einer passiven Kontrollbedingung wurde ein mittlerer Effekt der STAIR-Adaptation auf die interpersonelle Problematik zum Post-Messzeitpunkt berichtet (d = 0,65 [KI nicht angegeben]) [Gudiño et al., 2016]. Im Vergleich zu aktiven Kontrollbedingungen zeigte sich sowohl ein großer Effekt vom Prä- zum 3-Monats-Folgemesszeitpunkt (g = 0,81 [KI nicht angegeben]) [Jain et al., 2020] wie auch ein Nulleffekt zum Post-Messzeitpunkt (d = 0,03 [KI nicht angegeben]) [Cloitre et al., 2022].

Wirksamkeit von STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen

Alle Studien zu STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR berichteten Effekte auf die PTB-Symptomatik, affektive Dysregulation und interpersonelle Problematik.

In Hinblick auf die PTB-Symptomatik lag in der unkontrollierten Studie zu STAIR/NT ein großer Effekt vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt vor (d = 1,12 [KI nicht angegeben]) [Levitt et al., 2007]. Im Vergleich zu einer passiven Kontrollbedingung zeigte sich eine signifikante Reduktion der PTB-Symptomatik vom Prä- zum Postmesszeitpunkt mit einer Effektstärke von d = 1,03 zum Post-Messzeitpunkt (KI und p-Wert nicht angegeben) [Cloitre et al., 2002]. Cloitre und Kolleg*innen [2010] verglichen STAIR/NT jeweils mit den einzelnen Programmkomponenten STAIR/Unterstützung und Unterstützung/NT. Für STAIR/NT verglichen mit STAIR/Unterstützung wurde ein Effekt von d = 0,02 und für STAIR/NT verglichen mit Unterstützung/NT wurde ein Effekt von d = 0,35 auf die PTB-Symptomatik zum Post-Messzeitpunkt berichtet (KI nicht angegeben, p-Werte nicht signifikant). Im Vergleich von STAIR/PE zur intensivierten PE und im Vergleich von STAIR/EMDR zu EMDR erwiesen sich STAIR/PE und STAIR/EMDR in der STAIR-Phase kurzfristig weniger wirksam in Bezug auf die PTB-Symptomatik. Diese Effekte wurden jedoch im Laufe der Behandlung bis zum Post-Messzeitpunkt wieder ausgeglichen und STAIR/PE und STAIR/EMDR waren am Ende der Therapie jeweils genauso wirksam wie die intensivierte PE, PE und EMDR.

In Bezug auf die affektive Dysregulation wurde in der unkontrollierten STAIR/NT-Studie ein mittlerer Effekt vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt berichtet (d = 0,51 [KI nicht angegeben]) [Levitt et al., 2007]. Verglichen mit der passiven Kontrollbedingung zeigte sich eine signifikante Reduktion der affektiven Dysregulation vom Prä- zum Postmesszeitpunkt mit einer Effektstärke von d = 1,32 zum Post-Messzeitpunkt (KI und p-Wert nicht angegeben) [Cloitre et al., 2002]. Für STAIR/NT verglichen mit STAIR/Unterstützung und für STAIR/NT verglichen mit Unterstützung/NT wurde jeweils ein Effekt von d = 0,28 auf die affektive Dysregulation zum Post-Messzeitpunkt berichtet (KI nicht angegeben, p-Werte nicht signifikant) [Cloitre et al., 2010]. Auch in Bezug auf die affektive Dysregulation erwies sich STAIR/PE im Vergleich zur intensivierten PE in der STAIR-Phase kurzfristig weniger wirksam. Erneut wurde dieser Effekt im Laufe der Behandlung bis zum Post-Messzeitpunkt ausgeglichen [Oprel et al., 2021]. Zum Post-Messzeitpunkt zeigten sich STAIR/PE und STAIR/EMDR jeweils genauso wirksam wie die traumafokussierte Therapie ohne STAIR-Phase [Oprel et al., 2021; van Vliet et al., 2021].

Bezogen auf die interpersonellen Probleme wurde in der unkontrollierten Studie zu STAIR/NT ein kleiner Effekt vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt berichtet (d = 0,42 [KI nicht angegeben]) [Levitt et al., 2007]. Im Vergleich zu einer passiven Kontrollbedingung zeigte sich für STAIR/NT eine signifikante Reduktion der interpersonellen Probleme vom Prä- zum Postmesszeitpunkt mit einer Effektstärke von d = 0,96 zum Post-Messzeitpunkt (KI und p-Wert nicht angegeben) [Cloitre et al., 2002]. Für STAIR/NT verglichen mit STAIR/Unterstützung wurde ein Effekt von d = 0,12 und für STAIR/NT verglichen mit Unterstützung/NT wurde ein Effekt von d = 0,27 auf die interpersonelle Problematik zum Post-Messzeitpunkt berichtet (KI nicht angegeben, p-Werte nicht signifikant) [Cloitre et al., 2010]. Die Adaptationen STAIR/PE und STAIR/EMDR waren auch in Bezug auf die interpersonellen Probleme in der STAIR-Phase weniger wirksam als die intensivierte PE und EMDR. Diese Effekte wurden jedoch erneut im Laufe der Behandlung ausgeglichen und STAIR/PE und STAIR/EMDR waren zum Post-Messzeitpunkt genauso wirksam wie ihre jeweiligen traumafokussierten Kontrollbedingungen [Oprel et al., 2021; van Vliet et al., 2021].

Das Ziel des systematischen Übersichtsartikels ist es, die aktuelle Evidenz zur Wirksamkeit von STAIR, STAIR/NT und deren Adaptationen zusammenzufassen.

Studienlage zu STAIR und STAIR-Adaptationen

In insgesamt 10 Studien wurde STAIR als alleinstehendes Behandlungsprogramm ohne die folgende narrative Expositionsphase untersucht. Dabei wurde STAIR in allen Studien in adaptierter Form (als Gruppentherapie, in Kurzform, in internetbasierter Form) angewendet. Insgesamt lagen kleine bis große Effekte auf die affektive Dysregulation und die interpersonelle Problematik vor. Damit erweist sich das Skills-Training als wirksam zur Reduktion der affektiven Dysregulation und der interpersonellen Problematik. In einer Studie zeigte sich die Kurzform von STAIR mit fünf Sitzungen dabei genauso wirksam wie STAIR mit 10 Sitzungen.

In Hinblick auf die PTB-Symptomatik wurden Nulleffekte und kleine bis große Effekte berichtet. Die großen Effekte sind insofern hervorzuheben, als dass STAIR als Skills-Training keine explizit traumafokussierten Interventionen beinhaltet, die unmittelbar auf eine Reduktion der PTB-Symptomatik abzielen. Andererseits wurden auch bei anderen nicht-traumafokussierten Behandlungen wie achtsamkeitsbasierten Interventionen Behandlungseffekte auf die PTB-Symptomatik berichtet [Hopwood und Schutte, 2017]. Zusätzlich muss bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden, dass große Effektstärken vorrangig in unkontrollierten Studien gefunden wurden und damit in ihrer Validität eingeschränkt sind [Cuijpers et al., 2017].

Nur eine der eingeschlossenen Studien berichtete Wirksamkeitsbefunde zu STAIR bei Jugendlichen. Die Ergebnisse der Studie deuten auf Nicht-Wirksamkeit in Bezug auf die PTB-Symptomatik und positive Effekte auf die interpersonelle Problematik hin. Die Ergebnisse könnten aber auch durch die Form der Adaptation oder die geringe Stichprobengröße beeinflusst sein. Künftig sollte die Wirksamkeit von STAIR bei Jugendlichen weiter untersucht werden.

Während diskutiert wird, ob stabilisierende Verfahren ohne Exposition verträglicher für Patient*innen sind und zu einer geringeren Dropout-Rate führen [Hembree et al., 2003; Imel et al., 2013], war die durchschnittliche Dropout-Rate in den STAIR/-Adaptationen mit 33% hingegen höher als die durchschnittliche Dropout-Rate von Leitlinien-gerechter traumafokussierter Therapie (20,9%) [Varker et al., 2021]. Jedoch variierten die Dropout-Raten von 0% bis 55% über alle Studien hinweg mit teils auch niedrigen Dropout-Raten. Die Gründe für das Dropout bleiben damit spekulativ. Tendenziell zeigten sich erhöhte Dropout-Raten in Studien zu STAIR in internetbasierter Form, die Veteran*innen mit hoher Symptomschwere untersuchten. Cloitre und Kolleg*innen [2022] vermuten selbst, dass die Bedingungen einer versorgungsnahen Evaluationsstudie (im Gegensatz zu hoch-kontrollierten Studienbedingungen) die Dropout-Rate erhöht haben könnte. Künftig sollte untersucht werden, welche Faktoren die Dropout-Rate in der STAIR-Behandlung beeinflussen.

Die Studien zu STAIR/-Adaptationen richteten sich hauptsächlich an Risikogruppen für komplexe Traumatisierungen (Veteran*innen und Personen mit Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend; vgl. Brewin et al. [2017], Wolf et al. [2015]). Als Einschlusskriterium wurde jedoch nur in zwei Studien das Vorliegen einer PTBS festgelegt. Künftige Studien sollten STAIR auch bei Patient*innen mit einer PTBS und kPTBS untersuchen.

Aufgrund der begrenzten Evidenzlage wird STAIR von den Behandlungsleitlinien nicht als alleinstehendes Programm, sondern nur in Kombination mit traumafokussierten expositionsbasierten Interventionen zur Behandlung der kPTBS empfohlen [Schäfer et al., 2019]. Für andere nicht-traumafokussierte Verfahren finden sich kleine Behandlungseffekte, die den Effekten von traumafokussierten Behandlungen unterlegen sind [Ehring et al., 2014]. Es bleibt abzuwarten, ob sich eine spezifische Wirksamkeit von STAIR im Bereich der kPTBS zeigt.

Studienlage zu STAIR/NT und STAIR/NT-Adaptationen

Die Wirksamkeit von STAIR/NT als zweiphasiges Behandlungsprogramm wurde in seiner ursprünglich entwickelten Konzeption in drei Studien überprüft. Zwei weitere Studien untersuchten Adaptationen von STAIR/NT, nämlich STAIR/PE [Oprel et al., 2021] und STAIR/EMDR [van Vliet et al., 2021]. In allen Studien wurden überwiegend positive Effekte auf die PTB-Symptomatik, affektive Dysregulation und interpersonelle Problematik gefunden. Damit erweisen sich STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR wirksam zur Reduktion der kPTBS-Symptombereiche der affektiven Dysregulation, der interpersonellen Probleme und der PTB-Symptomatik.

Im Vergleich von STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR zu den jeweiligen traumafokussierten Behandlungen ohne vorherige STAIR-Phase zeigten sich hingegen ähnliche Effekte auf die PTB-Symptomatik. Die Befunde zu STAIR/PE und STAIR/EMDR deuten zusätzlich da­rauf hin, dass eine Reduktion der PTB-Symptomatik vorrangig in der Phase der traumafokussierten Therapie, nicht aber in der STAIR-Phase erfolgte. Auch Ehring und Kolleg*innen [2014] berichteten in ihrer Meta-Analyse, dass traumafokussierte Behandlungen den nicht-traumafokussierten Behandlungen in Bezug auf die PTB-Symptomatik überlegen waren.

Auch in Hinblick auf die affektive Dysregulation und die interpersonellen Probleme zeigten STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR ähnliche Effekte wie die jeweiligen Behandlungen ohne vorherige STAIR-Phase. Während die etablierte Expositionstherapie um STAIR erweitert wurde, um bei Personen mit Schwierigkeiten auf dem kPTBS-Symptomcluster SSO zusätzliche Behandlungseffekte zu erzielen, könnte die (aktuell begrenzte) Befundlage darauf hindeuten, dass traumafokussierte Verfahren allein eine Reduktion der affektiven Dysregulation und der interpersonellen Problematik bewirken. Auch Jerud und Kolleg*innen [2014] und van Toorenburg und Kolleg*innen [2020] berichteten, dass traumafokussierte Verfahren wirksam zur Reduktion der affektiven Dysregulation und interpersonelle Problematik waren.

Die Dropout-Rate in den Interventionsbedingungen STAIR/NT, STAIR/PE und STAIR/EMDR lag im Mittel bei 23% und war damit vergleichbar mit durchschnittlichen Dropout-Raten von Leitlinien-gerechten PTBS-Behandlungen (20,9%) [Varker et al., 2021]. Die Annahme, dass die Durchführung von STAIR Patient*innen die Expositionstherapie erleichtert und dadurch die Dropout-Rate vermindert [Cloitre et al., 2010] scheint sich vorerst auf Grundlage der aktuellen Studienlage nicht zu bestätigen.

Insgesamt ist hervorzuheben, dass die Befundlage zu STAIR/NT in seiner ursprünglich entwickelten Form nach Cloitre und Kolleg*innen [2014, 2020] mit nur drei Wirksamkeitsstudien begrenzt ist. Dabei scheint die Forschung bislang vorrangig auf den Vergleich von phasenbasierter mit nicht-phasenbasierter Therapie ausgerichtet zu sein. Eine Überprüfung der Wirksamkeit von STAIR/NT in seiner ursprünglichen Form im Vergleich zu etablierten traumafokussierten Verfahren wie der CT, CPT, PE oder EMDR ist noch nicht erfolgt. Während bisherige Studien hauptsächlich an Risikogruppen für eine komplexe Traumatisierung (z.B. Überlebende von Gewalt in Kindheit und Jugend) mit einer PTBS gerichtet waren, sollte STAIR/NT in seiner ursprünglichen Konzeption künftig auch bei Patient*innen mit einer kPTBS untersucht werden.

Limitationen

Die Limitationen auf der Ebene des systematischen Übersichtsartikels betreffen die fehlende Präregistrierung und die Durchführung der Literaturrecherche durch nur eine Autorin. Ebenso wurde die Datenextraktion nicht durch eine zweite Raterin konfirmiert. Zusätzlich wurde auf die Suche nach nicht publizierten Studien verzichtet. Limitationen auf der Ebene der Studien ergeben sich durch verschiedene methodische Restriktionen: Sowohl STAIR wie auch STAIR/NT wurden in verschiedenen modifizierten Versionen der ursprünglich entwickelten Therapiekonzepte untersucht. Die Vielfalt der Adaptationen schränkt jedoch die Vergleichbarkeit der in diesem Übersichtsartikel eingeschlossenen Studien ein. Mehrere Studien zu STAIR/-Adaptationen wendeten unkontrollierte Studiendesigns an. Zusätzlich wurden teils kleine Stichproben zur Untersuchung der Effekte eingesetzt. Insgesamt wurden überwiegend keine Konfidenz­intervalle für die Effektstärken angegeben. Dabei wurden teils auch Effektstärken für Gruppenunterschiede oder Prä-Post-Vergleiche berichtet, die sich in der zugrunde liegenden inferenzstatistischen Testung als nicht signifikant erwiesen. Letzteres könnte auf eine mangelnde Präzision der berichteten Effektstärken hindeuten (vgl. Sullivan und Feinn [2012]). Einige Studien berichteten zudem nicht für alle Bereiche Effektstärken. Statistische Ergebnisse konnten daher in diesem systematischen Übersichtsartikel teils nur eingeschränkt berichtet werden.

Für Therapeutinnen und Therapeuten, die die Expositionstherapie zur Behandlung der PTBS insbesondere nach komplexer Traumatisierung nicht unmittelbar an den Anfang der Therapie stellen möchten, gesellt sich mit STAIR/NT ein neuer Behandlungsansatz zu anderen Behandlungen (wie z.B. DBT-PTBS) für die Einzeltherapie hinzu, der spezifisch auf Patient*innen mit einer PTBS nach komplexer Traumatisierung ausgerichtet ist. STAIR/NT könnte besonders für Patient*innen geeignet sein, die Vorbehalte gegenüber einer direkten Expositionstherapie äußern. Derzeit ist die Befundlage zu STAIR/NT aufgrund der geringen Anzahl von Studien jedoch noch limitiert. Für ausgewählte Behandlungssettings (z.B. im Gruppensetting in der stationären Behandlung) kann darüber hinaus STAIR als Skills-Training eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Behandlungsformen bilden.

Da dieser Artikel ein systematisches Review umfasst, ist kein Ethikvotum erforderlich.

Die Autorinnen erklären, dass keinerlei Interessenkonflikte bestehen.

Es wurde keine finanzielle Unterstützung für die Anfertigung dieses Artikels erhalten.

N.L.: Konzeptualisierung, Methodik, Formale Analyse, Verfassen des Artikels: erster Entwurf; C.K.: Konzeptualisierung, Supervision, Verfassen des Artikels: Revision und Bearbeitung; H.N.: Konzeptualisierung, Methodik, Supervision, Verfassen des Artikels: Revision und Bearbeitung

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