Abstract
In der elften Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) wird die Zwangsstörung nicht mehr dem Kapitel “Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen” zugeordnert, sondern bildet mit weiteren, symptomatisch überlappenden Störungsbildern das neue Kapitel “Zwangsstörung oder verwandte Störungen”. Dort aufgeführt werden neben der Zwangsstörung selbst die körperdysmorphe Störung, der Eigengeruchswahn, die Hypochondrie, das pathologische Horten, körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen, darunter die Trichotillomanie und die Dermatillomanie, das Tourette-Syndrom sowie substanzinduzierte, sekundäre und sonstige näher bzw. nicht näher bezeichnete Zwangs- und verwandte Störungen. Kernmerkmal aller Zwangsspektrumsstörungen sind sich wiederholende und exzessive Verhaltensweisen, teils begleitet von repetitiven, aufdringlichen Gedanken. Anhand des neuen Specifiers “Einsichtsfähigkeit” kann für einige Zwangsspektrumsstörungen zusätzlich kodiert werden, ob eine mittelmäßige bis gute Krankheitseinsicht oder eine schlechte bis fehlende Krankheitseinsicht vorliegt. Die Etablierung des Kapitels “Zwangsstörung oder verwandte Störungen” in der ICD-11 wird durch zahlreiche bildgebende, genetische und neurochemische Studien gestützt. Die verschiedenen Zwangsspektrumsstörungen treten häufig gemeinsam auf und sprechen auf ähnliche Behandlungsmethoden an. Als Goldstandard gelten störungsspezifische Formen der Exposition mit Reaktionsmanagement bzw. des Habit Reversal Trainings. Im vorliegenden Artikel werden die einzelnen Zwangsspektrumsstörungen näher beschrieben, diagnostische Neuerungen erläutert und kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze aufgezeigt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den therapeutischen Implikationen, die sich aus der neuen diagnostischen Einordnung ergeben.