Abstract
Die aktuelle klinische Forschung konzentriert sich auf kognitive Auffälligkeiten bei psychiatrischen Gruppen: Angstpatienten weisen hierbei einen erhöhten Anteil impliziter, nicht-bewußter Prozesse auf; depressive Patienten eher eine explizite, bewußte Informationsverarbeitung. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung von impliziten Informationsverar-beitungsprozessen bei Probanden mit einer Tendenz zu soma-toformen Störungen. Basierend auf der Prozeß-Dissoziations-Prozedur, die die quantitative Erfassung expliziter und impliziter Prozesse ermöglicht, wird ein experimentelles Paradigma vorgestellt, das die Verarbeitung akustisch dargebotener, gesundheitsbezogen bedrohlicher und neutraler Reize untersucht. Die Ergebnisse des zugrundeliegenden Gedächtnistests (Wort-Nonwort-Unterscheidung), in dem gesundheitsbezogen bedrohliche (BW) und neutrale Wörter (NW) sowie ihre dazuge-hörigen Nonwörter maskiert durch weißes Rauschen dargeboten werden, differenzieren eindeutig zwischen «Symptomfreien» (SOMS=≤3; n = 21) und «Symptomträgern» (SOMS > 3; n = 18): Während für die explizite Informationsverarbeitung von BW und NW sowie für die impliziten Prozesse der NW nur zufällige Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen, zeigen die «Symptomträger» einen signifikant erhöhten Anteil impliziter Informationsverarbeitung für BW. Zwischen diesen kognitiven Maßen und den zusätzlich erhobenen klinischen Fragebogenmaßen (Whiteley-Index, Angst-Depressions-Screening, etc.) zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge. Die Ergebnisse legen nahe, daß Patienten mit somato-formen Störungen ähnlich wie Angstpatienten einen selektiven impliziten Aufmerksamkeitsbias aufweisen. Mögliche Konse-quenzen für Psychodiagnostik und Psychotherapie werden diskutiert.