Abstract
Die Entwicklung eines mental retardierten Jungen mit Frühgeburt sowie peri- und/oder postnataler Schädigung wird vom 8. Lebensmonat bis zum 8. Lebensjahr beschrieben. Bei der Erstvorstellung mit 8 Monaten wurden eine infantile Zerebralparese, ein BNS-Anfallsleiden, ein partieller Gesichtsfeldausfall sowie ein psychomotorischer Entwicklungsrückstand diagnostiziert. Nach dem 2. Lebensjahr entwickelten sich die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes deutlich besser als nichtsprachliche Fertigkeiten, obwohl der Gesichtsfeldausfall kompensiert war. Die aktiv sprachlichen Fähigkeiten lagen über den Sprachverständnisleistungen, die Sprache wirkte echolalisch und stereotyp. Mit 7;11 Jahren wurde eine «Genie-Fähig-keit» diagnostiziert, das Kind konnte sich manche sprachlichen Inhalte sehr gut merken und sowohl das Alte wie auch das Neue Testament auswendig aufsagen. Die Ergebnisse aus psychometrischen Tests zeigten Fähigkeitsspitzen in der Wortbildung und der akustischen Gedächtnisspanne, die weit über den sonstigen Fähigkeiten des Kindes lagen und die für das Alter eher überdurchschnittlich gut waren. Diese guten Teilfähigkeiten sind vermutlich eine notwendige Voraussetzung für die Ausbildung der «Genie-Fähigkeit», als alleinige Erklärung aber nicht ausreichend. Als zusätzliche Ursachen werden sehr eingeengte, spezifische Interessen, eine intensive Förderung durch die Eltern sowie Verstärkerbedingungen angenommen.