Abstract
Methodische Probleme bei der Operationalisierung von Beziehungs-variablen führten zu widersprüchlichen Resultaten bei der Untersuchung des Einflusses von Eheproblemen auf Entstehung und Verlauf einer Agoraphobie. In der vorliegenden Studie wurde erstmals das Camberwell Family Interview (CFI) angewandt, um Gefühle und Einstellungen der Partner zueinander zu erheben. Zusätzlich wurden herkömmliche Eheselbstratings (MHS, DAS) eingesetzt. 25 Agoraphobikerlnnen und deren Partnerlnnen wurden vor einer manualgeleiteten Selbst-Exposition interviewt. Der Symptomverlauf wurde von Pr-äTherapie bis zum (1- bis 2-Jahres-)Follow-up festgehalten. Folgende Ergebnisse wurden gefunden: 1. CFI-Daten der Patienten (hohe Kritik am Partner) korrelierten signifikant mit der Schwere der Agoraphobie vor Therapiebeginn. 2. CFI-Daten der Patienten und Partner (hohe gegenseitige Kritik) erwiesen sich als Therapieerfolgsprädiktoren. 3. Die üblichen Eheselbstratings konnten diese Zusammenhänge nicht nachweisen. 4. Bei Therapierespondern aus «kritischen Paarbeziehungen» kam es während der Follow-up-Phase gehäuft zu bedeutsamen «spontanen» Veränderungen in der Zweierbeziehung, wobei offensichtlich vorbestehende soziale Fertigkeiten eingesetzt wurden. Diese Ergebnisse bedürfen der Replikation und besserer statistischer Absicherung. Sie unterstützen jedoch nachhaltig die Hypothese, daß Beziehungsvariablen – wenn sie adäquat erhoben werden – Entstehung und Verlauf einer Agoraphobie in Abhängigkeit vom Ausmaß sozialer Ängste und Defizite beeinflussen.