Zusammenfassung
Hintergrund: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern äußert sich in einem generalisierten Muster von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Diese Verhaltensweisen werden auch in der Schule beobachtet, wo sie als Auffälligkeit in Erscheinung treten und korrigierende Maßnahmen der Lehrkräfte herausfordern. Das ADHS-typische Verhalten geht mit einer deutlich erhöhten Lehrerbelastung einher. Material und Methoden: Ins-gesamt 740 Schulkinder im Alter von 6–12 Jahren (Mittelwert = 8,45 Jahre) wurden durch ihre Klassenlehrkräfte (N = 451) hinsichtlich der Schülerauffälligkeit und der damit verbundenen Lehrerbelastung beurteilt. Dafür wurde ein Inventar mit 22 Schulsituationen vorgelegt, das zehnstufig beantwortet werden sollte. Zusätzlich wurden die ADHS-Symptomatik und in Teilstichproben die Lehrerwirksamkeit erfasst. In der Studie wurden drei Gruppen von Schulkin dern mit unterschiedlicher Symptombelastung untersucht: Schulkinder mit gesicherter ADHS-Diagnose, eine Risikogruppe auffälliger Kinder sowie eine Kontrollgruppe mit unauffälligen Schulkindern (N = 740). Ergebnisse: Die Schülerauffälligkeit sowie die Lehrerbelastung lassen sich jeweils in drei Faktoren zusammenfassen, die sich auf unterschiedliche Anforderungsbereiche beziehen (interaktionelle, instruktionale und individualisierte Anforderungen). Soziale Anforderungen erklären den Großteil der Varianz (rund 53%). Die Faktoren bilden homogene Subskalen. Das Inventar weist befriedigende Trennschärfen auf. Die Korrelation zwischen der Schülerauffälligkeit und der Lehrerbelastung erweist sich als hoch (r = 0,92), ebenso die Korrelation zwischen der Zahl der ADHS-Symptome und der Lehrerbelastung bzw. Schülerauffälligkeit (r = 0,76 bzw. r = 0,81). Schulkinder mit gesicherter ADHS-Diagnose und die Risikogruppe unterscheiden sich bei den interaktionellen und instruktionalen Anforderungen signifikant und mit hoher Effektstärke von der Kontrollgruppe (Cohens d = 0,88–1,31). In der Risikogruppe ist die höchste Schülerauffälligkeit und höchste Lehrerbelastung zu verzeichnen. Schlussfolgerung: Das vorgelegte Inventar erfüllt die notwendigen testtheoretischen Kriterien der Trennschärfe und internen Homogenität. Es differenziert zwischen Gruppen mit unterschiedlicher ADHS-Symptomatik. Mithilfe des Inventars können symptomkritische und für Lehrkräfte belastende Schulsituationen bestimmt und Interventionsziele abgeleitet werden (z.B. Lehrerberatung, Lehrertraining, Prävention von Verhaltensschwierigkeiten).