Zusammenfassung
Eine Risikoabschätzung ist im Kontext suizidalen Erlebens und Verhaltens nicht sicher möglich. Aktuelle Metaanalysen zeigen, dass weder Einzelvariablen noch Risikoscores, das klinische Urteil oder die Orientierung an einem Theoriemodell eine zufriedenstellende Vorhersage suizidalen Verhaltens erlauben. Es stellt sich die Frage, wie in der klinischen Praxis mit dem Wissen um die mangelnde Präzision der Risikoabschätzung umgegangen werden sollte. Der vorliegende Artikel skizziert zunächst die aktuelle Befundlage und reflektiert im Anschluss die Bedeutung dieser Befunde für die praktische Arbeit: Die Risikoabschätzung sollte als kollaborativer Prozess verstanden werden, in dem der Therapeut anerkennt, dass er kein ausreichendes Expertenwissen hinsichtlich des Gefährdungspotentials eines Patienten besitzt.