Zusammenfassung
Der Begriff «internetbezogene Störungen» wird derzeit genutzt, um unterschiedliche Online-Aktivitäten zu beschreiben, die sich dysfunktional und zumeist zeitlich ausufernd darstellen. Von Betroffenen beschriebene Merkmale wie Kontrollverlust, Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen und das Auftreten aversiver Zustände bei Konsumverhinderung verdeutlichen Parallelen zu anderen Abhängigkeitserkrankungen, wie der Störung durch Glücksspielen. Während in einer Vielzahl von Bereichen (z.B. Epidemiologie, Neurobiologie) eine steigende Anzahl von Forschungsaktivitäten zu verzeichnen ist, ist aktuell über die Anwendbarkeit und Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen nur wenig bekannt. Dieser Übersichtsartikel soll eine Einordnung der hierzu vorliegenden Befunde bieten. Erste Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass gerade bewährte verhaltenstherapeutische Behandlungsstrategien, wie etwa kognitives Umstrukturieren, Kontingenzmanagement, aber auch die Expositionsbehandlung, bei internetbezogenen Störungen gut anwendbar sind. Darüber hinaus zeigt die klinische Erfahrung, dass vor der eigentlichen Verhaltensmodifikation besonderes Augenmerk auf die Etablierung einer ausreichenden Veränderungsmotivation gelegt werden sollte, um bestehende motivationale Defizite und Ambivalenzen der Patienten aufzufangen. Mit der Aufnahme der Störung durch Computerspielen (Internet Gaming Disorder) als eine besonders häufige und empirisch gut beschriebene Variante internetbezogener Störungen in die International Classification of Diseases 11 (ICD-11) ist eine Zunahme der klinischen Studien zu diesem neuen Störungsbild zu erwarten.