Hintergrund: Das empirische Wissen über die psychischen Belastungen und Auffälligkeiten von Familien mit Migrationshintergrund (MH) ist gering. Die wenigen vorhandenen Studien sprechen für eine etwas stärkere Belastung von Kindern und Jugendlichen mit MH im Vergleich zu solchen ohne MH, wobei dieser Unterschied vermutlich durch ihre schlechteren Lebensbedingungen und den geringeren sozioökonomischen Status bedingt ist. Methode: In einer Längsschnittstudie wurden psychische Auffälligkeiten von Kindern mit und ohne MH verglichen, zunächst im Kindergartenalter und noch einmal 10 Jahre später im Jugendalter. Zusätzlich wurden explorativ Unterschiede zwischen Migranten und Nichtmigranten im Hinblick auf ein im Kindergartenalter durchgeführtes Elterntraining (Triple P) untersucht. Die Daten stammten aus dem längsschnittlich angelegten Projekt «Zukunft Familie III». Die Untersuchungsstichprobe bestand aus 70 Familien mit (19,4%) und 291 Familien ohne MH (80,6%). Das durchschnittliche Alter der Kinder im Kindergartenalter betrug 4,2 Jahre, derjenigen im Jugendalter 14,1 Jahre; 45,7% waren Mädchen. Ergebnisse: Die Unterschiede zwischen den Kindern und Jugendlichen mit und ohne MH waren gering. Sie verringerten sich vom Kindergarten- zum Jugendalter. Bei Jugendlichen mit MH zeigten sich vermehrt Hinweise auf eine Computerspielabhängigkeit, und sie verbrachten mehr Zeit mit Social-Networking. Jugendliche ohne MH wiesen ein größeres Risiko für Essstörungen und riskantes Sexualverhalten auf. Für die Vorhersage von psychischen Auffälligkeiten im Jugendalter spielten weder der MH noch der soziale Status eine Rolle, relevant waren ausschließlich die psychischen Auffälligkeiten im Kindergartenalter. Migranten und Nichtmigranten profitierten gleichermaßen vom angebotenen Elterntraining. Migranten, die eine Teilnahme ablehnten, zeigten im Vergleich zu den Nichtmigranten deutlich ungünstigere Werte. Schlussfolgerungen: Der Heterogenität von Migranten muss in künftigen Studien stärker Rechnung getragen werden. Aufgrund der Zunahme von Familien mit MH in Deutschland sollten vermehrt Anstrengungen unternommen werden, Kinder, Jugendliche und deren Eltern zu untersuchen. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen von Migration sind Längsschnittstudien unabdingbar.

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