Zusammenfassung
Hintergrund: Seit der Psychiatrie-Enquete werden die Vor- und Nachteile wohnortferner und wohnortnaher stationärer Behandlung psychisch Erkrankter kontrovers diskutiert. Ob die Distanz des Wohnorts zur Klinik Einfluss auf den Behandlungserfolg hat, wurde bisher jedoch nur in der stationären medizinischen Rehabilitation bei Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen untersucht. Ziel der vorliegenden Studie ist deshalb die Untersuchung des Einflusses der Distanz zwischen Wohnort und Behandlungseinrichtung auf den Behandlungserfolg depressiver Patienten. Patienten und Methoden: Hierzu wurden die Routinedaten von 1959 stationär behandelten Patienten mit der Diagnose einer depressiven Erkrankung analysiert. Depressivität, Ängstlichkeit und Somatisierungsbeschwerden wurden zur Erfassung des Therapieerfolgs bei Aufnahme, bei Entlassung und katamnestisch 6 Monate später mit dem Patient Health Questionnaire erfasst. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass die Distanz zwischen Wohnort und Klinik die Veränderung der depressiven, ängstlichen und somatoformen Symptomatik während und nach der Behandlung nicht moderiert. Auch zeigen sich keinerlei Zusammenhänge zwischen der Distanz Wohnort-Klinik und den Symptomveränderungen zwischen Aufnahme und Katamnese. Schlussfolgerungen: Empirische Belege für Unterschiede im Outcome in Abhängigkeit von der Distanz zwischen Wohnort und Klinik liegen nicht vor. Zukünftig sollte deshalb der Einfluss der inhaltlichen Aspekte wohnortnaher und -ferner Behandlung, wie der Spezialisierungsgrad der Einrichtung sowie die Umsetzung individueller Nachsorgemaßnahmen, auf den Erfolg stationärer Therapien systematisch untersucht werden.