Zusammenfassung
Einleitung: Symptome psychischer Störungen können verschiedene Funktionalitäten aufweisen, sodass die Symptomatik von Betroffenen häufig nicht ausschließlich als aversiv empfunden wird und eine ambivalente Einstellung gegenüber der Therapie besteht. Ziel der vorliegenden Studie war es, die für die Patienten relevanten intrapsychischen und interpersonellen Funktionalitäten der Essstörung zu erheben. Methode: Mittels eines Pilotfragebogens wurden Funktionalitäten bei Essstörungen an 37 stationären Patientinnen mit Anorexia nervosa (AN) oder Bulimia nervosa (BN) erhoben. Dieser umfasste eine offene Einleitungs- sowie Abschlussfrage und die Bewertung von 18 vorgegebenen Funktionalitäten. Die Freitextantworten wurden mittels inhaltsanalytischer Techniken kategorisiert sowie über Häufigkeitsverteilungen erfasst. Weiterhin wurden Mittelwerte berechnet und AN mit BN verglichen. Ergebnisse: Essstörungen wird häufiger eine intrapsychische als eine interpersonelle Funktionalität zugeschrieben. Vor allem dienen sie der Emotionsregulation, dem Erlangen von Sicherheit und Kontrolle sowie dem Herstellen von Inhalt und Struktur. Nach der Einleitungsfrage stellt das Herstellen von Nähe und Geborgenheit die häufigste interpersonelle Funktionalität dar; gemäß der Abschlussfrage dienen Essstörungen am häufigsten als Hilferuf. Der einzige signifikante Unterschied bezüglich der Funktionalitäten zwischen Patientinnen mit AN und BN fand sich zur Essstörung als Hilferuf. Schlussfolgerungen: Es konnte eine Vielzahl von Funktionalitäten bei Essstörungen erfasst werden. Intrapsychischen Funktionalitäten kommt eine besondere Relevanz zu, vor allem der Emotionsregulation. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der gezielten Bearbeitung der Funktionalitäten in der störungsspezifischen Psychotherapie.