Abstract
Auch 20 Jahre nach der Drucklegung von Klaus Grawes Pionierwerk ist es noch ein weiter Weg von der psychotherapeutischen Konfession zur Profession. Wie in den meisten Fachgebieten der Medizin besteht auch in der Psychotherapie ein nicht unerhebliches «science-practice gap», also eine deutliche zeitliche Verzögerung in der Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Dabei weist die Psychotherapie einige Besonderheiten auf: Seitens der Kliniker besteht erhebliche Skepsis bezüglich der Relevanz von Top-down-Forschungsergebnissen für ihren klinischen Alltag. Dies betrifft die Repräsentativität der Stichproben, die Besonderheit der Forschungsbedingungen und die Komplexität der Programme. Im Gegenzug wird die Forderung nach einer praxisbasierten Evidenz laut, also nach Forschungsansätzen, die die alltägliche therapeutische Arbeit als Forschungsgegenstand in den Blick nehmen sollten. Der Artikel beleuchtet die jeweiligen Argumentationsstränge sowie deren immanente Logik und Relevanz. Er plädiert für moderne strukturierte, zirkulär organisierte Kooperationsmodelle zwischen Forschern und Klinikern.