Einleitung
In der Entwicklungsgeschichte des Menschen war es ganz normal, lange Nahrungspausen und längere Zeiten der Nahrungssuche zu überstehen. Aus den eigenen Energiespeichern mehrere Tage zu leben, ist daher eine elementare Fähigkeit und Anlage des Menschen, ohne die sich Leben nicht hätte entwickeln können. Nahrungsverzicht ist sozusagen ein altbewährtes und physiologisch über Jahrtausende lang erprobtes Überlebensprogramm. Religiös begründetes Fasten wird schon seit über 2000 Jahren praktiziert. Die bekannteste religiöse Fastenform ist wohl das Ramadanfasten über einen Monat jeweils vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Auch im Christentum hat das Fasten vor Ostern Tradition. Im Gegensatz dazu muss die heutige ständige Verfügbarkeit und der Überfluss an Nahrung für den Menschen entwicklungsgeschichtlich als eine völlig ungewohnte Situation gedeutet werden, die schliesslich zu den Zivilisationskrankheiten des 20. und 21. Jahrhunderts massgeblich mit beigetragen hat. Darunter fällt auch das weitverbreitete Essverhalten moderner Industriegesellschaften mit drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten am Tag (Abb. 1). Beim intermittierenden Fasten bzw. Intervallfasten wird dieses gewohnte Essverhalten durch ganztägige oder 16-stündige Fastenphasen (16/8-Modell vormittags oder nachmittags) unterbrochen und im Wochenzyklus beispielsweise als 5:2-Modell mit zwei Fastentagen oder als «alternate-day fasting» (ADF), bei dem jeder zweite Tag gefastet wird, umgesetzt [1].
Wirkungen des Fastens
Bisherige Forschungen konzentrierten sich hauptsächlich darauf, wie sich bestimmte Komponenten von Lebensmitteln auf die Gesundheit auswirken. Demgegenüber ist relativ wenig über einen grundlegenden Aspekt der Ernährung in Bezug auf Mahlzeitenhäufigkeit sowie potenzielle Vorteile hinsichtlich intermittierender Phasen mit keiner oder sehr geringer Energieaufnahme bekannt. Neuere Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass bewusst gesteuerter Nahrungsverzicht zu einem längeren und gesünderen Leben beitragen kann [2]. Tierexperimentelle und Humanstudien haben gezeigt, dass ein verändertes Essverhalten mit intermittierenden Einschränkungsphasen der Nahrungsaufnahme gesundheitsrelevante Faktoren günstig beeinflussen und Krankheitsprozessen entgegenwirken können. Die Mechanismen beinhalten unter anderem eine metabolische Umstellung auf den Fettstoffwechsel, eine erhöhte Ketonkörperkonzentration, eine Stimulation der adaptiv-zellulären Stressreaktionen und eine Aktivierung von Angiogenesefaktoren (HIF-1-α, BDNF (brain-derived neurotrophic factor), VEGF), welche sich in der Zell- und Gefässneubildung sowie deren Reparatur äussern [2].
Ein evolutionäres Verhaltensmuster aller Säugetiere ist es, aktiv zu sein, wenn sie hungrig sind, und inaktiv, wenn sie gesättigt sind. Unsere Vorfahren hätten gar nicht erst überleben können, wenn das Gehirn im Hungerzustand bei der Nahrungssuche (z.B. beim Jagen) nicht optimal hätte arbeiten können. Fasten erhöht die Gehirnfunktion, was in verbesserten Leistungen in Verhaltenstests der sensorischen und motorischen Funktionen [3] und beim Lernen durch Gedächtnistests [4] gezeigt wurde. Die positiven Verhaltensreaktionen auf Intervallfasten lassen sich mit einer erhöhten synaptischen Plastizität und einer erhöhten Produktion von neuen Neuronen aus neuralen Stammzellen erklären [5]. Besonders interessant im Hinblick auf die Anpassungsreaktionen des Gehirns durch begrenzte Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln während der menschlichen Evolution ist der neurotrophe Wachstumsfaktor BDNF [6]. Die herausragende Rolle von BDNF in der Regulation von Energieaufnahme und -verbrauch bei Säugetieren und beim Menschen wird durch die Tatsache hervorgehoben, dass die Rezeptoren für BDNF und Insulin an die hoch konservierten PI3-Kinase/Akt gekoppelt sind und den MAPK-Signalweg aktivieren. Studien mit Mäusen und Ratten haben gezeigt, dass nicht nur Fasten, sondern auch Training auf dem Laufrad zur Erhöhung der BDNF-Expression in verschiedenen Regionen des Gehirns führt [7]. BDNF wird also durch Training und Intervallfasten erhöht und verstärkt die synaptische Plastizität, die Neurogenese und die neuronale Beständigkeit gegen Verletzung und Krankheit. BDNF-Signalisierung im Gehirn kann auch Verhaltens- und Stoffwechselreaktionen durch Fasten und Bewegung - einschliesslich der Regulation von Appetit, Aktivität, peripherem Glukosestoffwechsel sowie Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-System - steuern [8]. Bestätigung finden diese Zusammenhänge in Tierstudien. So konnte gezeigt werden, dass Affen in Gedächtnistests während des Fastens bessere Resultate erreichen und dass deren Nervenzellen nachweislich auch aktiver sind als nach regelmässiger Nahrungsaufnahme [9]. Nahrungsrestriktion und intermittierendes Fasten haben das Potenzial, Alzheimer, Parkinson und weiteren Erkrankungen des Nervensystems vorzubeugen [9]. In Tabelle 1 wird eine Übersicht zu den vielfältigen Wirkungen des intermittierenden Fastens auf verschiedene Organsysteme gegeben.
Cheng et al. [10] konnten zeigen, dass Fastenzyklen vor Schädigungen des Immunsystems schützen und die Regeneration des Immunsystems veranlassen. Fasten treibt die stammzellbasierte Regeneration der Organe an, indem es die Stammzellen von einem inaktiven Status in einen Zustand der Selbsterneuerung verwandelt. Die Arbeitsgruppe beobachtete, dass während des Fastens die Anzahl an weissen Blutkörperchen sinkt und nach Ende des Fastens wieder ansteigt. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Fasten alte und beschädigte Immunzellen abtötet und Stammzellen nutzt, um neue gesunde Zellen zu bilden.
Die Forschungsgruppe um Harvie et al. [11] beschäftigte sich mit der Frage, ob die Wirkungen von Nahrungsrestriktion und Intervallfasten vergleichbar sind. Sie untersuchten über 6 Monate 107 übergewichtige und adipöse Frauen, welche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in der Woche fasteten oder täglich eine moderate Kalorienrestriktion durchführten. Beide Gruppen reduzierten Körpergewicht, Blutfettwerte und Blutdruck. Auch die Insulinsensitivität verbesserte sich, jedoch signifikant stärker in der Intervallfastengruppe. Nach dieser Studie werden mit 2 Fastentagen mindestens die gleichen positiven Wirkungen erzielt wie eine tägliche Nahrungsrestriktion.
Das LIF-Konzept
Die Gewichtsreduktion ist eine effektive Massnahme, um übergewichtsbedingten Risikofaktoren [12,13] und Mortalität [14] vorzubeugen. Für übergewichtige Personen gibt es zahlreiche Strategien, Gewicht zu verlieren. Das Intervallfasten in Kombination mit Sport und körperlicher Aktivität scheint nach derzeitigen Befunden eine effektive und nachhaltige Strategie zu sein. Um den Einstieg in das Intervallfasten zu erleichtern und die Wirksamkeit zu erhöhen, haben Hottenrott et al. [15] ein 12-wöchiges Laufen- und Intervallfastenkonzept (LIF-Konzept) entwickelt, welches mit Halbfastentagen in den ersten Wochen startet, dann zu Ganzfastentagen wechselt und die Anforderungen an das Training progressiv erhöht. Nach 9 Wochen wird am Fastentag zusätzlich trainiert, um höhere Reize und Anpassungseffekte für die Verbesserung des Fettstoffwechsels und die Entwicklung der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit [16] zu erzielen (Abb. 2). Wird das Zielgewicht nach 12 Wochen erreicht, können die Fastentage auf einen Tag plus einen Halbfastentag oder nur einen Fastentag pro Woche reduziert werden. An den Fastentagen ist eine Energieaufnahme von 400 kcal (Frauen) bzw. 600 kcal (Männer) erlaubt. Das 12-wöchige Lauf-Fasten-Programm wurde in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie evaluiert.
Placebokontrollierte Doppelblindstudie
Ziel der placebokontrollierten Doppelblindstudie war es, kombinierte Effekte von Intervallfasten, Training und alkalischer Supplementation bei übergewichtigen Probanden zu untersuchen [17]. Dabei wurde angenommen, dass eine Kombination von Intervallfasten mit Training synergetische Effekte hat, eine alkalische Supplementation die durch Intervallfasten induzierte Azidose [18] kompensieren kann und dies insgesamt einen stärkeren Gewichtsverlust und eine bessere Leistungsentwicklung ermöglicht. An der von der Ethikkommission der Martin-Luther-Universität genehmigten Studie nahmen freiwillig 80 übergewichtige Probanden im Alter von 45,5 ± 7,8 Jahren teil, die in eine Intervallfasten-Gruppe (IF) und eine Nicht-Intervallfasten-Gruppe (nIF) zufällig eingeteilt wurden. Weiterhin erhielten jeweils 20 Probanden randomisiert entweder eine alkalische Supplementation (Basica direkt®, Protina GmbH, Ismaning, Deutschland) oder ein Placebo zum Einnehmen. Täglich wurde morgens und abends das Direktgranulat (2 Sticks enthalten: Calcium 240 mg, Magnesium 400 mg, Zink 5 mg, Molybdän 50 µg, Chrom 40 µg, Selen 30 µg) oder ein gleichaussehendes und gleichschmeckendes Placebopräparat eingenommen. Alle Probanden führten ein personalisiertes Ausdauertraining (drei- bis viermal pro Woche) auf der Basis vorausgegangener Leistungstests durch. Nach der 12-wöchigen Intervention zeigten sich signifikante Effekte (p < 0,01) auf Körpergewicht, Körperfett, viszerales Fett und die Laufleistung in allen Gruppen. Signifikant grösser waren der Körperfettabbau und der Gewichtsverlust in den beiden Basica-Gruppen (Abb. 3). Weitere Unterschiede ergaben sich bei der sportlichen Leistungsentwicklung: Die im Stufentest erreichte maximale Laufgeschwindigkeit verbesserte sich in der IF-Gruppe mit alkalischer Supplementierung signifikant (p < 0,05) und war höher (+1,73 ± 0,23 vs. +0,97 ± 0,20 km/h). Darüber hinaus erhöhte die alkalische Supplementierung signifikant (p < 0,05) die Plasma-Bicarbonatkonzentration (HCO3-) und den Harn-pH-Wert.
Zusammenfassend hat die Studie gezeigt, dass sportliches Training in Kombination mit Intervallfasten und alkalischer Supplementation eine effektive Strategie zur Gewichtsreduktion und Leistungssteigerung ist. Eine Methode zur Steigerung der Ausdaueranpassung ist ein Training unter muskulärer Glykogenabnahme wie beispielsweise an Fastentagen [19]. Im Vergleich zu einer dauerhaften Kalorienreduzierung beschränkt sich bei dem Intervallfasten die strikte Kalorienreduktion nur auf 1-2 Tage pro Woche. Nach Harvie und Howell [20] ist die Einhaltung dieser Diätstrategie einfacher als eine dauerhafte Kalorienreduktion. Einer kalorienreduzierten Diät jeden Tag über mehrere Monate zu folgen, kann für übergewichtige und adipöse Personen schwierig sein. Positiv an den verschiedenen Formen des intermittierenden Fastens ist, dass das tägliche Kalorienzählen wie bei der klassischen Kalorienrestriktion entfällt und es sich dadurch besser in den Alltag integrieren lässt [21]. Das vorgestellte LIF-Konzept lässt im Prinzip persönlichen Freiraum für die gewählten Fastentage in der Woche und für die Nahrungsmittelauswahl. Bestimmte Nahrungsmittel müssen nicht vermieden werden. Auch das Wissen, dass nach einem Fastentag wieder ausgewogen gegessen werden kann, hilft mental, das LIF-Programm nicht nur durchzuhalten, sondern auch dauerhaft und nachhaltig im Sinne einer positiven Lebensstilveränderung ohne Jo-Jo-Effekte fortzusetzen.