Bei der Konzeptionalisierung ergeben sich neue Gesichtspunkte unter dem bisher nicht berücksichtigten Aspekt einer Veränderung der Entgiftungspfade der Leber, bei der im Fasten vermehrt lipophile Endprodukte zur biliären Ausscheidung gelangen. Diese unterliegen jedoch bei den europäischen Fastenformen einer hohen Rückresorption in den enterohepatischen Kreislauf, was eine immense Belastung der Leber zur Folge hat.
Einleitung und Hintergrund
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Heilfasten im Westen von Fastenärzten als medizinische Methode zur Linderung bzw. Behandlung verschiedener Erkrankungen wiederentdeckt. Doch bereits in der Antike sowie in allen wichtigen traditionellen Medizinsystemen spielt das medizinisch indizierte Fasten eine wichtige Rolle. Diese Bedeutung des Fastens gerät allerdings leicht aus dem Blickfeld, wenn man sich auf passageres Fasten bei akuten Erkrankungen beschränkt - beispielsweise entzündliche und fieberhafte Erkrankungen sowie Erkrankungen des Gastrointestinums, bei denen ohnehin kein Appetit besteht. Selbst in diesem naheliegenden Bereich hat die moderne Medizin im Wissen um einen erhöhten Energieverbrauch bei Fieber allerdings körpereigene Instinkte und Mechanismen überwunden, um beispielsweise mit Prokinetika/Antiemetika Appetit und Verdauung auch im Fieber oder während einer Chemotherapie anzuregen.
Weitaus interessanter und noch lange nicht vollständig erforscht sind die Auswirkungen von Heilfasten bezüglich der Lebensdauer und Beeinflussung von allen möglichen chronischen Erkrankungen: Neben den vielfältigen Folgen der grundlegenden Stoffwechselumstellung, die durch länger als 3 Tage andauerndes Fasten (und wieder zurück beim Fastenbrechen) induziert wird, kommt der Aspekt der Entledigung von überflüssigen Stoffansammlungen hinzu, und sei es nur die offensichtliche Verringerung des Körpergewichts durch den erfolgten Abbau von Fettdepots. Erstaunlicherweise wird aber die in der Geschichte und im Volksglauben tief verankerte Erwartung einer «Reinigung» oder «Entgiftung» von medizinischen und ökotrophologischen Experten angezweifelt. Nach deren Argumentation gäbe es im Körper keine «Schlacken», und somit sei jegliche Kur zur «Entschlackung» überflüssig, ja eventuell sogar gefährlich.
Der vorliegende Beitrag befasst sich vornehmlich mit dem Aspekt einer «Entschlackung» beim Heilfasten. Andere Autoren legen dabei das Augenmerk auf die komplette Reinigung des Darms - die Vorstellungen entsprechen dabei etwa einem verrussten Kaminrohr, und dementsprechend werden Einläufe bzw. die Colon-Hydro-Therapie eingesetzt. Dahingegen beleuchtet dieser Artikel die Entschlackung des gesamten Organismus mit allen seinen Geweben bzw. Kompartimenten. Darüber hinaus werden zusätzliche Massnahmen vorgeschlagen, wie eine Entschlackung beim Heilfasten optimiert werden kann. Mit diesen Massnahmen wird aus dem bisherigen Heilfasten eine rational begründete Detox-Kur, die diesem Namen auch gerecht wird.
Was meinen wir mit «Schlacken»?
Theoretisch entstehen bei der Verstoffwechselung der Nahrungsgrundbestandteile Fett, Kohlenhydrate und Eiweiss eigentlich nur CO2 und Stickstoffverbindungen wie Creatinin und Harnstoff. Dabei übersieht man aber bereits eine ganze Palette weiterer Stickstoffverbindungen, die der Organismus bei der Entgiftung des Ammoniaks bildet, z.B. Purine. Wie in jedem chemischen Prozess gibt es auch im tierischen Stoffwechsel immer unvollständige Reaktionen mit Entstehung von Nebenprodukten. Die aussergewöhnlich effizienten Prozesse in verschiedenen Kompartimenten unter Nutzung von sehr spezifischen Enzymen hält die Nebenprodukte auf einem sehr niedrigen Niveau, sodass diese bislang wenig berücksichtigt wurden - es sei denn, es handelt sich um Stoffwechselprodukte mit besonderer Bedeutung, z.B. krebserregende Substanzen wie Nitrosamine. In quantitativ viel höherem Ausmass entstehende Mischverbindungen aus Kohlenhydraten, Eiweissresten und Fetten mit sehr hohem Molekulargewicht werden vor allem deswegen wenig berücksichtigt, weil sie sich als unlösliche Substanzen einfachen chemischen Analysen entziehen. Sie werden im Körper teils intrazellulär, teils extrazellulär gelagert, vor allem im Bindegewebe und in der sogenannten «Matrix». Ablagerungen im Bereich der Blutgefässe enthalten nur initial vorwiegend Cholesterin und werden dann nach und nach durch solche Mischverbindungen «ersetzt», die als arteriosklerotische Plaques imponieren. Wenn wir diese Mischverbindungen als natürliche Stoffwechselprodukte bezeichnen, so haben wir bereits eine quantitativ und qualitativ bedeutsame Menge an «Schlacken», die sich im Organismus im Laufe der Jahre ansammeln. Die Bildung wird durch übermässige und einseitige Nahrungszufuhr gefördert und könnte bei Einschränkung der Entgiftungsprozesse, insbesondere der Entgiftungsorgane Leber und Niere, sowie bei Bewegungsmangel verstärkt auftreten.
Aus der Verstoffwechselung von Tausenden weiterer Stoffe in der Ernährung und Umwelt entsteht jedoch in quantitativ geringerem Ausmass eine unübersichtliche Palette weiterer Stoffwechselendprodukte, die aufgrund der nicht hundertprozentigen Clearance der Entgiftungswege im Körper zirkulieren und im Zuge von passiven oder sogar aktiven Verteilungsgleichgewichten in Gewebe eingebaut werden. Entgiftungsendprodukte (Xenobiotics) von Umweltgiften, Medikamenten usw. werden im Fachgebiet der Toxikologie erforscht, und teilweise weiss man sehr genau, in welchem Ausmass diese Endprodukte ausgeschieden oder in Körperkompartimenten eingelagert werden. Je nach den chemischen Eigenschaften werden organische Schwermetall-Verbindungen bevorzugt in den Zähnen und Knochen, lipophile Verbindungen im Fettgewebe sowie Xenobiotika in den bereits genannten Mischverbindungen eingebaut und dort abgelagert.
Stickstoffhaltige Moleküle stellen für die Entgiftung eine besondere Herausforderung dar; beim Abbau der Aminosäuren aus aufgelöstem Gewebe, aber auch beim Abbau von anderen aliphatischen und aromatischen Verbindungen werden Aminoverbindungen gebildet. Transaminasen in der Leber können Aminoreste an solche Verbindungen anfügen, und über entsprechende Oxidationsschritte können damit organische Moleküle aus beispielsweise Medikamenten und Umweltgiften abgebaut werden, z.B. über N-Hydroxylierung. Dabei werden mitunter sehr toxische und unter Umständen sogar krebserregende Zwischenprodukte gebildet. Dem Vorschlag von Williams folgend, verlaufen Abbaureaktionen zunächst in der sogenannten Phase-I-Reaktion (Oxidation, Reduktion, Hydrolyse). Die konsekutiv verlaufende Phase II besteht aus Konjugationen zu mehr polaren und damit wasserlöslichen Molekülen über Glucuronidierung, Sulfatierung oder Ankoppelung an ATP, PAPS, CoASAc, UDPGA, SAM, usw. Der Leberstoffwechsel hinsichtlich dieser Phasen in der besonderen Situation des Fastens ist wenig untersucht und bleibt weitgehend unklar. Man geht davon aus, dass die Leber beim Heilfasten eine Steuerung über Stresshormone erfährt, weiterhin über «humorale Faktoren», insbesondere die Verfügbarkeiten von Nahrungsbestandteilen, sowie über die Stoffwechselhormone [1]. Eine Umstellung des Stoffwechsels erfolgt dann während der ersten Fastentage durch eine entsprechende Genexpression und die nachfolgende Herstellung von Enzymen. Allein der Anstieg der Gallensäuren um bis auf das Zehnfache zeigt die massiven Änderungen der Leberfunktion im Fasten im Zusammenhang mit dem Leberstoffwechsel [2], aber auch bezüglich einer Gegenreaktion, um den vermeintlichen Mangel an Fetten durch Maximierung der Aufnahme von lipidlöslichen Substanzen auszugleichen und den enterohepatischen Kreislauf zu intensivieren.
Kommen wir aber vom enterohepatischen Kreislauf noch einmal zurück zur Entgiftung: Für die Phase-II-Reaktionen, die Konjugationen, werden aktivierte Substanzen, vor allem Glucuronid-Moleküle, benötigt, die aus Glucose hergestellt werden. Die Glucuronidation erfolgt über die Subfamilien 1A and 2 der UDP-Glucuronosyltransferase (UDP-GT), welche in ihrer Genexpression über mehrere Mechanismen gesteuert werden [3,4]. Beim Fasten ab dem 2. Tag wird aber die verfügbare Glucose äusserst knapp in der Leber und muss dort mühsam aus Fetten metabolisiert werden, um den Blutglucosespiegel (für die Versorgung des Gehirns) aufrechtzuerhalten. Dazu passt die bekannte Hypoinsulinämie beim Fasten [5].
In isolierten Maushepatozyten zeigt sich, dass ohnehin vorwiegend aus Glycogenolyse stammende Glucose für die Glucuronidierung herangezogen wird, während zugeführte Glucose oder solche aus Glyconeogenese für oxidative Phase-I-Reaktionen verwendet wird [6]. Die Glycogen-Vorräte des Menschen sind aber ab dem 2. Fastentag aufgebraucht. Schon während der Nacht wird weniger Glucuronid an das Blut abgegeben [7]. UDP-Glucose nimmt bei fastenden Ratten auf etwa 60% ab. Beim fastenden Hund erfolgt die Glucuronidierung von Paracetamol entsprechend der verfügbaren UDP-Glycose [8,9]. Eine Hypoxie scheint die Glucuronidierung stark zu hemmen, was die Bedeutung von Leberdurchblutung und systemischer Durchblutung und Atmung beim Fasten unterstreicht [10]. Das Gluthation nimmt in der Leber ebenfalls stark beim Fasten ab [11,12].
Entsprechende oxidative und nicht mehr konjugierte Endprodukte, bei Überlastung aber auch manche Zwischenprodukte, werden von der Leber vorzeitig abgegeben und über die Galle in den Darm geleitet. Dort würden sie normalerweise zusammen mit Gallensäuren an Ballaststoffe der Nahrung gebunden und mit den Faeces ausgeschieden. Dies funktioniert allerdings während des Heilfastens aufgrund des Mangels an Ballaststoffen im Darm nicht! Erst recht nicht wird die Ausscheidung fettlöslicher Substanzen mit den bei vielen Heilfasten-Varianten eingesetzten wässrig-osmotischen Abführmitteln oder wässrigen Einläufen gefördert: Sie werden stattdessen rückresorbiert. Über mehrfaches Kreisen eines Abbauproduktes der Leber im enterohepatischen Kreislauf wird die Leber entsprechend mehrfach belastet, was sich auch beispielsweise in erheblichen Anstiegen der Leberenzyme niederschlägt. Die Begründung für solche Abführmassnahmen wurde bei den alten Fastenärzten auch weniger in einer Beeinflussung der Entgiftung gesehen, sondern beispielsweise Buchinger ging davon aus, dass bei einem leeren Darm weniger Peristaltik und weniger Hungerattacken entstehen würden. Auch Migräne-Anfälle sollen durch das Abführen vorgebeugt werden. Für diese Hypothesen haben sich allerdings keine Belege finden lassen. Insofern ist fraglich, ob der Einsatz von osmotisch wirksamen Laxantien überhaupt einen Nutzen beim Heilfasten darstellt oder ob der Schaden durch Elektrolytverlust mit entsprechender Kreislaufschwäche usw. überwiegt. Zweifelhaft bleibt, ob die von Ditschuneit [13] dargestellte Elektrolyteinsparung während des Fastens bei hochdosiertem Abführmittelgebrauch erhalten bleibt. Aus dem Gebrauch/Missbrauch von Abführmitteln wie z.B. Senna ist die entstehende Hypokaliämie in der notärztlichen Praxis nur allzu geläufig. Sie tritt vor allem dann ein, wenn der Stuhl durch übermässig hohe Dosierung verflüssigt wird.
Neuer Ansatz: Bindung von fettlöslichen Abbauprodukten im Darm
Zur Verringerung der Selbstintoxikation über den enterohepatischen Kreislauf müssen die fettlöslichen Metaboliten in der Galle zur fäkalen Ausscheidung gebracht werden. Abführmittel mögen zwar zur Verringerung der Transitzeit im Dünn- und Dickdarm führen, aber sie wirken kaum resorptionsvermindernd bezüglich fettlöslicher Substanzen - und schon gar nicht im Dünndarm. Eine Herabsetzung der intraluminaren Konzentrationen führt nicht zu einer deutlichen Resorptionsminderung. Denn: Einläufe und selbst die Colon-Hydro-Therapie erreichen ja den Dünndarm nicht. Im Dickdarm führen sie als wässrige Einläufe dazu, dass sich wasserunlösliche und fettlösliche Substanzen erst recht an der Darmoberfläche anlagern und dann resorbiert werden. Einläufe auf öliger Basis, wie in der ayurvedischen Panchakarma-Kur gebräuchlich, können hingegen in Verbindung mit oraler Zufuhr von Ölen die Elimination auf Basis einer Verdünnung fördern. Allerdings wird ein Teil der Öle doch resorbiert und verstoffwechselt, was bezüglich anderer Ziele des Heilfastens kontraproduktiv ist.
Eine bereits vorgestellte Fastenvariante [12] enthält schon den Gedanken einer Bindung von fettlöslichen Substanzen im Darm durch nichtresorbierbare pflanzliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen oder mit Heilerde. Flohsamenschalen vermindern zwar die Resorption von Cholesterin, aber die entsprechenden Polysaccharid-Verbindungen werden je nach Darmflora im Dickdarm gespalten. Während dies bei normaler Ernährung nicht zur quantitativ bedeutsamen Resorption von Cholesterin führt, könnten andere Metaboliten durchaus noch im Dickdarm resorbiert werden. Heilerde hingegen wird hinsichtlich ihrer Bindungsfähigkeit nicht von Darmbakterien beeinflusst. Es wurde eine Fraktion mit feinerer Struktur hergestellt und auf Bindungsfähigkeit gegenüber Schwermetallen, Weichmachern usw. optimiert. Das entsprechende Produkt ist unter dem Namen Luvos Heilerde Immotox in den Handel eingeführt worden.
Erste Erfahrungen mit einer konsequent durchgeführten Detox-Kur (siehe Kasten) zeigten bei konsequentem Heilfasten mit weniger als 400 kcal/Tag und Einnahme von 3 Portionen Heilerde immotox am 5. Fastentag bei den meisten Patienten verhältnismässig niedrige Anstiege der Leberenzyme. Weitere Forschung ist notwendig, um das Ausmass der besseren Elimination und die leberschonende Wirkung von Heilerde beim Heilfasten qualitativ und quantitativ zu untersuchen.
Fazit
Obwohl die einschlägigen Nulldiäten nach Buchinger oder Mayr seit Jahrzehnten häufig angewendet werden, lassen sich gewisse Nachteile bzw. Komplikationen vermeiden, insbesondere die Leberbelastung durch mehrfache Verstoffwechselung gallenpflichtiger Endprodukte. Eine moderne Detox-Kur berücksichtigt entsprechende Aspekte und sorgt für eine maximale Ausleitung von im Körper eingelagerten Giftstoffen.