Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 31.7.2013 berichtete über die erfolgreiche Sammlung von Unterschriften für die Eidgenössische Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» in der Schweiz, mit der Voraussicht, dass die Schweizerinnen und Schweizer wohl über ein Grundeinkommen abstimmen dürfen. Sollte diese Initiative eines Tages angenommen werden, ist der Bund verpflichtet, für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu sorgen. Dieses Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen [1]. Das Gesetz soll insbeson dere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens regeln. Von bedingungslosen 2500 CHF pro Monat pro Person ist momentan die Rede. Für Kinder würde ein Viertel des Betrags der Erwachsenen ausbezahlt.

Ganzheitsmedizin setzt nicht nur auf die Bekämpfung von Erkrankungen, sondern ist auch dadurch gekennzeichnet, dass Wert auf den Erhalt bzw. die Entstehung von Gesundheit gelegt wird. Die salutogenetische Beratung der Patientinnen und Patienten ist ein Thema, dessen sich die Sprechstunde der Ganzheitsmedizin annimmt. Der Zusammenhang zwischen niedrigem sozialen Status - häufig mit niedrigem Einkommen, Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfeempfang einhergehend - und schlechtem allgemeinen Gesundheitszustand ist bekannt. Dass Stress und psychische Belastungen sich auf das Immunsystem und damit negativ auf die Gesundheit auswirken können, ist naheliegend [2]. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass sich eine Initiative wie jene zu einem bedingungslosen Grundeinkommen bzw. die gesellschaftlichen Veränderungen, die eine solche Initiative mit sich bringen würde, positiv auf die Gesundheit auswirken müssten. Dadurch könnte auch das Gesundheitssystem Entlastung finden.

Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung weist eine asymptotische Abhängigkeit auf [3]: Wenn das Einkommen sehr niedrig ist, reicht schon eine kleine Verbesserung des Einkommens, um markante Effekte bezüglich der Lebenserwartung zu erzielen. Wenn das Einkommen bereits eine bequeme Existenz ermöglicht, wird der Gesundheitszustand durch eine Einkommenssteigerung nicht mehr wesentlich verbessert. Wenn das Einkommen nicht für alle Grundbedürfnisse ausreicht, scheint die Qualität der Ernährung am ehesten zu leiden [4]; dass daraus Übergewicht und Fettleibigkeit sowie assoziierte Herz-Kreislauf-Erkrankungen resultieren können, ist bekannt. Für den vergleichsweise kleinen Anteil der Schweizerischen Bevölkerung, der momentan unter der Armutsgrenze lebt, könnte die Initiative markante Verbesserungen ausmachen.

Zahlreiche Erhebungen zeigen, dass Arbeitslose im Vergleich zu Beschäftigten einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand aufweisen. Dies wurde in verschiedenen Ländern und in internationalen Meta-Analysen belegt; auch ein kausaler Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und schlechtem Gesundheitszustand konnte nachgewiesen werden [5,6,7,8]. Besonders stark ist die Assoziation zwischen lang andauernder Arbeitslosigkeit und psychischen Krankheiten. Dafür scheinen nicht nur die finanziellen Gegebenheiten eine Rolle zu spielen, denn Arbeitslose erfahren häufig Ausgrenzung, Entwertung und soziales Stigma und leiden unter entsprechenden seelischen, psychosozialen und psychosomatisch interpretierbaren Symptomen.

Wenn heute jemand genug oder mehr verdient, würde derjenige/diejenige mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht mehr zur Verfügung haben, sondern die Zusammensetzung der Lohnsumme würde sich ändern. Auf dem Sockel der Grundfinanzierung würde sich das Einkommen bis zum gegenwärtigen Niveau gestalten. Der Unterschied zur bisherigen Situation bestünde darin, dass bei einem Verlust der Arbeit das bedingungslose Grundeinkommen zur Existenzsicherung bestehen bleiben würde. Bei der heutigen Arbeitsmarktsituation mit sich ständig ändernden Anforderungen scheint dies eine interessante Möglichkeit zu sein, die Flexibilität zu erhöhen. Es wäre auch zu erwarten, dass der gesundheitsschädliche Stress, der sich mit dem Verlust oder auch nur mit dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes verbindet, vermieden werden könnte.

Unsere moderne Leistungsgesellschaft trägt zu Gesundheitsproblemen bei zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern bei. Dass sich hiermit möglicherweise das Versagen unserer Gesellschaftsform ankündigt, wenn wir nicht von uns aus den Mut aufbringen, neue Konzepte zu erdenken und auszuprobieren, scheint inzwischen vielen, die sich mit den Symptomen auseinandersetzen - Politiker, Soziologen, Ökonomen, Ärzte, Therapeuten, Lehrer, Wissenschaftler usw., - klar zu sein. Das Auftauchen neuer Konzepte und Möglichkeiten, bei denen weniger das persönliche, sondern vielmehr das allgemeine Wohlergehen angestrebt wird, lässt Hoffnungen aufkommen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre eine grundlegende Veränderung in unserer Gesellschaft, die Unsicherheit, Stress und Zukunftsangst entgegenwirkt. Sie könnte Bürgerinnen und Bürgern verhelfen, neues Vertrauen zu fassen. Individuelle Risikobereitschaften könnten sich erhöhen, was Erfahrungsspielräume erweitert und Resilienzen verbessern würde. Die Umsetzung eines Konzepts wie des bedingungslosen Grundeinkommens liesse einen Beitrag zur Genesung sowie eine notwendige Grundlage für die Erzeugung und den Erhalt von Gesundheit erwarten und würde damit im Sinne der Salutogenese wirken. Dies könnte den Menschen eine sichere Basis geben, ihnen dazu verhelfen, Wertschätzung und Selbstverwirklichung zu erleben, und ein Schritt zu einer Gesellschaft sein, die sich ihrer selbst und ihrer Folgegenerationen gesundheitsfürsorglich annimmt.

1.
www.grundeinkommen.ch.
2.
Nakata A: Psychosocial job stress and immunity: a systematic review. Methods Mol Biol 2012;934:39-75.
3.
Hupalo P, Herden K: Health Policy and Inequality. 1999. www.health.gov.au.
4.
Ward PR, Verity F, Carter P, Tsourtos G, Coveney J, Wong KC: Food stress in Adelaide: the relationship between low income and the affordability of healthy food. J Environ Public Health 2013;2013:968078.
5.
Roelfs DJ, Shor E, Davidson KW, Schwartz JE: Losing life and livelihood: a systematic review and meta-analysis of unemployment and all-cause mortality. Soc Sci Med 2011;72:840-854.
6.
Hollederer A: Arbeitslosigkeit und Gesundheit - Ein Überblick über empirische Befunde und die Arbeitslosen- und Krankenkassenstatistik. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2002;35:411-428.
7.
Pech E, Freude G: Zusammenhang zwischen eingeschränktem Gesundheitszustand und Arbeitslosigkeit. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2010. www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/artikel22.html.
8.
Mikkonen J, Raphael D: Social Determinants of Health: The Canadian Facts. www.thecanadianfacts.org/2010.
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