«Gebt mir die Macht, Fieber zu erzeugen, und ich heile alle Krankheiten.» (Parmenides (540-480 v. Chr.))

Ein 49-jähriger Patient wurde von seinem Hausarzt wegen eines generalisierten, muskuloskelettalen, therapieresistenten Schmerzsyndroms mit der Frage nach komplementärmedizinischen Therapieoptionen im April 2012 zugewiesen. Die brennenden, in der Nacht betonten Schmerzen (Visuelle Analogskala (VAS) 8) wurden im gesamten Bewegungsapparat, besonders im Bereich der beiden Oberschenkel, Kniegelenke sowie der Arme beklagt und durch morgendliche Steifigkeit begleitet. Darüber hinaus bestanden Schlafstörungen, Energielosigkeit, mangelnde Belastbarkeit sowie Nachtschweiss, Frieren und Unwohlsein. Eine langjährige gastrointestinale Symptomatik im Sinne eines Reizdarms vervollständigte das Krankheitsbild. Seit fast 2 Jahren (Juni 2010) war der Patient zu 100% arbeitsunfähig. Die Medikation bestand aus Dafalgan, Surmontil zum Schlafen sowie Eltroxin bei Zustand nach Hashimoto-Thyreoiditis im Jahr 2001.

Den Beginn seiner Beschwerden führte der Patient auf eine protrahierte Infektion der Atemwege im Sommer 2007 zurück. Danach traten erstmals Schmerzen im Bereich der Oberschenkel und Knie auf. Im Laufe der folgenden 18 Monate breiteten sich die Schmerzen auf den gesamten Bewegungsapparat aus und waren mit Morgensteifigkeit sowie Leistungsknick verbunden. In den Jahren 2009 und 2010 erfolgten zwei rheumatologische Abklärungen, die bis auf eine grenzwertige Borrelienserologie keine Anhaltspunkte für ein rheumatisches Leiden hervorbrachten. Die IgM-Antikörper gegen Borrelien waren negativ, die IgG leicht erhöht. Eine Western-Blot-Untersuchung wies auf keine aktive Borreliose hin.

Aufgrund der depressiven Symptomatik wurde seit Juni 2010 eine Psychotherapie und Behandlung mit Trimipramin eingeleitet. Weil darunter die Schmerzen eher progredient waren, fanden seit Mitte 2011 mehrere neurologische Abklärungen statt. Bis auf eine diskrete polynukleäre Liquorpleozytose ohne positive Borrelienantikörper waren alle übrigen Untersuchungen inklusive Magnetresonanztomographie von Gehirn und Rückenmark, HIV-Test sowie Nebennierenfunktion unauffällig. Im Hinblick auf die mögliche Borreliose wurde eine dreiwöchige parenterale Behandlung mit Ceftriaxon durchgeführt, ohne dass sich das Krankheitsbild veränderte. Eine eingehende gastroenterologische Abklärung deckte ebenfalls keine Pathologie auf, genauso wie die infektiologische Untersuchung in Hinblick auf die Tropenaufenthalte (der Patient arbeitete als Flugbegleiter auf transatlantischen Flügen).

Bei der Aufnahme waren sowohl der internistische Status als auch die Ergebnisse der routinemässigen Blutkontrollen, mit Ausnahme eines tiefen Vitamin-D3-Werts (21 μg/l), unauffällig. Wesentliche Aspekte zur Klärung des Krankheitsbildes steuerte die ganzheitliche Diagnostik bei. Die Herzratenvariabilität deckte eine gestörte Funktion des Parasympathikus auf. Die zirkadiane Temperaturmessung imponierte durch die Aufhebung des physiologischen Tagesrhythmus. In der Thermoregulationsdiagnostik nach Prof. Rost fand sich eine Störung (Starre) der physiologischen Thermoregulation, die auf eine eingeschränkte Reagibilität des Vegetativums hinwies.

Das integrative Behandlungskonzept bestand aus folgenden Massnahmen:

- Lebensstilmassnahmen zur Förderung des Tagesrhythmus, der Entspannung sowie der körperlichen Aktivität.

- Serielle passive Ganzkörperhyperthermie (GKHT), zwei Serien à 3 Behandlungen.

- Langfristige, mehrphasige probiotische Therapie bei Verdacht auf Dysbiose der Darmflora.

- Symptomatische Phytotherapie (Hypericum, Chelidonium, Curcuma).

- Vitamin D3 2000 Einheiten/Tag.

- Bisherige Medikation mit Eltroxin und Surmontil wurde beibehalten.

Die passive moderate GKHT (Ziel: Körperkerntemperatur bis maximal 39,5 Grad) wurde mittels wassergefiltertem Infrarot-A-Licht im Heckel-2000-System durchgeführt. In den ca. 3 h dauernden Behandlungen wurde eine maximale Körperkerntemperatur von 39,1 Grad erreicht.

Bereits die erste Serie von drei GKHTs führte zu einer wesentlichen Besserung sowohl der Schmerzsymptomatik (VAS 4-5) als auch der psychischen Lage. In der Folge setzten wir Surmontil ab. Die weiteren GKHTs hatten eine fast vollständige Rückbildung sämtlicher initialer Beschwerden zur Folge, sodass seit Oktober 2012 keine subjektive Einschränkung der Alltagsaktivitäten mehr besteht; Schmerzen treten kurzfristig ausschliesslich bei intensiver sportlicher Aktivität (VAS 1-2) auf. Anfang 2013 nahm der Patient seine berufliche Tätigkeit auf und benötigt gegenwärtig keine medizinische Betreuung.

Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) stellt einen klinischen Beschwerdekomplex dar, bei dem multilokuläre Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen im Vordergrund stehen, ohne dass ein strukturelles Korrelat von rheumatologischer, orthopädischer oder neurologischer Seite festgestellt wird. Die im Jahr 1990 vorgeschlagenen druckdolenten Sehnenansatzpunkte - «tender points» - als Hauptkriterium für die Diagnose von FMS gelten heute als überholt. Eine erhöhte Druckdolenz diverser Punkte im gesamten Bewegungsapparat ist als Zeichen einer erniedrigten Schmerzschwelle zu verstehen. Gegenwärtig kommt in der Definition des FMS der Erschöpfbarkeit (Fatigue), den Schlafstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie diversen vegetativen Beschwerden wie chronische Dyspepsie, Reizblase, Kopfschmerzen, verstärktes Schwitzen oder Frieren eine grössere Bedeutung zu [1]. Eine Untersuchung der Herzratenvariabilität bei FMS-Patienten zeigte eine eingeschränkte Reagibilität des autonomen Nervensystems. Das Krankheitsbild unseres Patienten erfüllte somit beispielhaft alle Kriterien für das FMS, und es ist erstaunlich, dass diese Diagnose erst nach 4 Jahren gestellt wurde.

Das komplexe pathogenetische Bild von FMS wird vor dem Hintergrund neuester Erkenntnisse durch eine Dysfunktion des schmerzmodulierenden Systems auf der ZNS-Ebene (zentrale Sensitivierung) sowie eine pathologische Stressverarbeitung erklärt. Sowohl den biologischen als auch den psychosozialen Stressoren kommt dabei eine Auslöserfunktion zu. Im dargestellten Fall spielten die biologischen Stressoren, die im Zusammenhang mit dem Beruf des Patienten als Flugbegleiter (Jetlag, Schlafentzug, ionisierende Strahlen) standen, eine wesentliche Rolle.

Die 2012 aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des FMS attestiert nur ganz wenigen Methoden eine evidenzbasierte Wirksamkeit. Sowohl nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) als auch Opioide zeigen keine Wirkung bei FMS. Für Analgetika (Metamizol, Paracetamol) ist die Evidenzlage inkonsistent. Für das Antiepileptikum Pregabalin besteht eine offene Empfehlung. Wenige Antidepressiva wie Duloxetin und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer werden bei depressiver Komorbidität empfohlen. Bezüglich der medizinischen Massnahmen gibt die neue Leitlinie lediglich für aerobes Training und kognitive Verhaltenstherapie eine starke Empfehlung ab. Neu wurde in der Leitlinie auch die Komplementärmedizin berücksichtigt, wobei für die meditativen Bewegungstherapien wie Yoga oder Qigong eine starke und für Thermalbäder eine positive Empfehlung ausgesprochen wurde [2]. Im Falle unseres Patienten wurde eine individuelle Bewegungstherapie sowohl im Sinne des Aufbautrainings als auch im Sinne der meditativen Entspannung eingesetzt.

Die passive GKHT löst eine Reihe von positiven und nachhaltigen Reaktionen im menschlichen Körper aus. Zu den wichtigsten gehören: erhöhte Perfusion und Zirkulation, Modulation diverser Immunprozesse sowie positive Beeinflussung der neuroendokrinen Funktionen [3]. Wassergefiltertes Infrarot-A-Licht zeichnet sich durch eine besondere Tiefenwirkung und Hautverträglichkeit aus und kann daher mit hoher Intensität und Effektivität in der Behandlung diverser, vor allem chronischer Erkrankungen eingesetzt werden. Die nachhaltige Wirksamkeit der GKHT bei FMS-Patienten wurde bereits klinisch belegt [4]. In unserem Fall führte eine serielle GKHT zu einer vollständigen Rückbildung der Schmerzen sowie wesentlichen Besserung aller Begleitbeschwerden, sodass nach achtmonatiger integrativer Behandlung eine vollständige Arbeitsfähigkeit erreicht wurde. Angesichts der mindestens 5-jährigen Vorgeschichte und der 2 Jahre dauernden Krankschreibung ist das erzielte Ergebnis beachtlich, und der dargestellte Ansatz soll künftig vermehrt in der Therapie von FMS-Patienten berücksichtigt werden.

1.
Egle UT, et al: Fibromyalgie-Syndrom - eine Stressverarbeitungsstörung. Schweiz Arch Neurol Psych 2011;162:326-337.
2.
Themenheft «Fibromyalgiesyndrom - Eine interdisziplinäre S3-Leitlinie. Hintergründe und Ziele - Methodenreport - Klassifikation - Pathophysiologie - Behandlungsgrund sätze und verschiedene Therapieverfahren». Schmerz 2012;26:220-348.
3.
Kleef R: Ganzkörperhyperthermie - Rationale und Methoden; in Stacher, A. (Hrsg): Ganzheitliche Krebstherapie. Wien, Facultas, 2000, pp 245-255.
4.
Walz J, et al: Ganzkörperhyperthermie in der Schmerztherapie. Schmerz 2013;27:38-45.
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