Krankheit konfrontiert den Menschen mit der Vergänglichkeit. Der kranke Mensch erfährt in seiner Krankheit grundlegende menschliche Verletzlichkeit. Die Erkrankung erfasst ihn als Ganzes - in seiner körperlichen, seiner seelischen und auch in seiner geistigen Existenz. Oft stellt die körperliche Versehrtheit die bisherige Identität infrage und wird als existenzieller Eingriff ins eigene Leben empfunden.

ÄrztInnen und TherapeutInnen berühren diese Bedrohung und alle damit verbundenen Formen des Leidens, die der Patient erlebt. Dadurch entstehen Resonanz- und Beziehungsräume, die der Therapeut in seiner Funktion als Begleiter erahnt und erkennt. Im gegenseitigen Austausch ist grosse Achtung und tiefer Respekt vor dem Gegenüber und vor den grösseren Zusammenhängen des Lebens nötig, in der Freude wie auch im Leid, im Kranksein wie auch während der Genesung - der Alltag in der Praxis fordert Empathie. Der Mensch steht im Spannungsfeld zwischen Anpassung an äussere Veränderungen wie Umwelt, Klima, Kultur, Lebensumstände sowie Gesellschaft und der Verwirklichung innerer persönlicher Bedürfnisse. Das subjektive Krankheitserleben, die individuelle Suche nach Antwort, die die Krankheit auslöst, die eigene Bewertung der Situation sowie die konstitutionellen Anlagen und daraus folgenden Reaktionsmuster ergeben das Leiden des Patienten. Der Arzt oder der Therapeut ist aufgerufen, dem Leiden des Patienten in aller Echtheit zu begegnen. Er ist in seiner gesamten mitmenschlichen Resonanzfähigkeit gefordert, um das Aufrechterhalten, Wiederfinden und Gestalten von Lebensrhythmen zu begleiten und zu unterstützen, damit der Patient nach seinen Möglichkeiten antwort- und handlungsfähig bleibt.

Eine rundsätzlich wohlwollende Haltung, aktives Zuhören und eine wertfreie Beobachtung des Arztes gegenüber dem «Heilsuchenden» tragen wesentlich zum Therapieerfolg bei. Der Arzt oder Therapeut ist nicht nur medizinische Fachperson, sondern immer auch Gesprächspartner - Aussenstehender mit einem anderen Blickwinkel auf die verschiedenen Lebensdimensionen (Abb. 1). Bei der Begleitung von kranken Menschen treten zahlreiche Themen und Fragen aus dem Leben auf:

Fig. 1

Das therapeutische Gespräch ist of eine Gratwanderung.

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Das therapeutische Gespräch ist of eine Gratwanderung.

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- Macht und Ohnmacht,

- Verantwortung und Freiheit,

- Schicksal, Tod und Vergänglichkeit,

- Geburt und Alter,

- Armut und Reichtum,

- Gerechtigkeit,

- Familie und Wahlverwandtschaft,

- Sucht und freier Wille,

- Geborgenheit und Einsamkeit,

- und vieles mehr.

Die eigene Sicht auf das Leben und persönliche Wertvorstellungen prägen das Erleben der Krankheit ebenso wie Erziehung, Konditionierung, Sozialisierung, Bildung, Geschlechternormen, Glaubenssysteme, Lebenseinstellung, innere Gedanken-, Wahrnehmungs-, Gefühls- oder Verhaltensverbote und das Eingebettet-Sein in ein soziales, familiäres, religiöses, kulturelles, wirtschaftliches und gesellschaftliches Gefüge.

Grundlegende Voraussetzungen für eine empathische Haltung ist die Resonanzfähigkeit - die Fähigkeit, die Schwingungen des Gegenübers wahrzunehmen, darauf zu reagieren und in Resonanz zu gehen. Resonanz, definiert als Anklang und Widerhall, steht als Sinnbild für Verständnis, für ein fühlendes Hören, ein Wahrnehmen mit dem Herzen und ein SichEinlassen auf das Gegenüber. Über den Dialog, über das Erfahren der Resonanz, d.h. des Mitschwingens des Gegenübers, fühlt sich der Patient willkommen und erfährt so die Möglichkeit der Veränderung.

Jedes menschliche Wesen antwortet auf seine Weise die Tatsache seiner menschlichen Existenz, die gewisse Erinnerungen aus der Vergangenheit und gewisse Ahnungen des zukünftigen Lebens enthält. Der Mensch ist es, der entscheidet, was er für sein Dasein verwendet. Wir bauen auf den Schätzen und Abgründen der Vergangenheit auf, die wir verdaut, verdrängt, überwunden oder schöpferisch erneuert haben.

Wer mit Menschen zu tun hat, muss Menschen gern haben! Diese Worte sagen in aller Einfachheit und Klarheit, worauf es ankommt und was die Grundvoraussetzung für jegliche therapeutische Tätigkeit ist. Eine solche Haltung braucht ein grosses Mass an innerer Zustimmung, ein Willkommen-Heissen des Patienten. Um Menschen gern haben zu können, muss ich ihnen als erstes Achtung entgegenbringen, die der Patient braucht, um sich als ganzes Wesen, als Mensch (mit oder trotz einem bestimmtem Leiden) geschätzt, respektiert und geliebt zu wissen. Die Zuneigung, die Empathie und das Interesse bilden die Brücke zu meinem Gegenüber, zu seinem Ausdruck in der Welt, abhängig von der Kultur, in der wir leben, von der Geschichte sowie von den spirituellen und weltlichen Werten. Das fordert eine bewusste Hinwendung zum Menschen vor mir. Auch das für den Patienten Schlimmste, Unangenehmste, Schamvollste soll im Rahmen der Therapie angesprochen und anvertraut werden können. Hier können die Indexpunkte des «Eigentlichen» liegen. In der Empathie des Arztes erkennt der Patient, dass seine Persönlichkeit und seine Individualität respektiert werden.

Damit der Patient seine eigene stille Entwicklung (siehe Zitat von Rainer Maria Rilke) machen kann, muss er dem Therapeuten vertrauen können. Er muss sicher wissen, dass achtsam mit seinem Anliegen, seiner Verfassung und seinem Leid umgegangen wird und dass seine Fragen und Zweifel als Teil von ihm willkommen geheissen werden. Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass seine Würde geachtet und seine Intimsphäre geschützt wird. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass er achtsam behandelt und korrekt informiert wird.

Ein Gespräch ist immer mehr als der Austausch von Worten. Tonfall, Körperhaltung, Redefluss und Wortwahl sind genauso wichtig wie Pausen, Stille und emotionale Äusserungen. Denn dabei wird auch unausgesprochene Information ausgetauscht, die in die Interpretation einfliesst. Dies geschieht in jedem Gespräch, hat aber gerade in der ganzheitlichen Medizin eine grosse Bedeutung. Wir nehmen gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen unseres Seins wahr. Auch Wahrnehmungen, die nicht an ein Sinnesorgan gebunden sind, gehören dazu. Der Patient und der Arzt produzieren Gedanken und Gefühle, handeln intuitiv oder rational, atmen, passen sich der Situation an, treten in Beziehung oder ziehen sich zurück. All dies geschieht gleichzeitig und in jedem Augenblick; es durchflutet unser ganzes Sein und prägt damit auch jeden Kontakt des Patienten mit dem Arzt. Wir nehmen diese Energien auf und sie beeinflussen uns. Sie durchdringen und formen uns innerlich und äusserlich.

Gerade über das Gespräch kann ich mein Gegenüber weit tiefer wahrnehmen, als es alleine der Inhalt der gesprochenen Worte vermag. Worte können eine Sprache der Poesie sein, eine Sprache des Erlebens oder auch eine Sprache des Funktionierens, der Traktandenlisten und Gebrauchsanweisungen. Es kommt darauf an, wahrzunehmen, was das Gegenüber aussendet, aus all dem auszuwählen, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, zu erinnern, zu verinnerlichen und darauf zu reagieren, relevante und irrelevante Informationen zu filtern und die Aufmerksamkeit auf das aktuell Wichtigste zu lenken. So wie bei einem Lied nicht nur der Gesamtklang, sondern auch die einzelnen Instrumente und Stimmen herausgehört werden, ohne das Stück, das gerade gespielt wird, aus dem Sinn und Zusammenhang zu verlieren.

Diese Kommunikation ist konkret, metabolisch und energetisch. Jeder Dialog ist ein Austauschprozess. Es sind Aktionen und Reaktionen der beiden Ausdrucksformen des Lebens, seiner Materialisierung und seiner Beseelung. Dies erst macht den Begriff «Empathie» verständlich.

1.
«Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann. (...) Man muss Geduld haben, gegen das Ungelöste im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.» Rilke RM: Die Gedichte. Frankfurt/M., Insel, 2006.
2.
Raimann C, Ganz C, Garvelmann F, BertschiStahl H-D, Fehr-Streule R: Grundlagen der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde. Schiedlberg, Bacopa, 2012.
3.
Bierbach E: Naturheilpraxis heute, München, Urban & Fischer, 2009.
4.
Berendt J-E: Nada Brahma. Frankfurt/M., Insel, 1983.
5.
Schmid W: Philosophie der Lebenskunst. Frankfurt/M., Suhrkamp, 1998.
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