Die Tollkirsche (Atropa belladonna)(Abb. 1) ist eine mehrjährige krautige Pflanze. Der Stängel wird bis zu 1,5 m hoch. Die Blätter sind elliptisch und zugespitzt. Die kleinen Blätter befinden sich in den Lücken zwischen den grösseren, sodass die Pflanze das Licht voll ausnützen kann. Die hängenden Blüten sind glockenförmig, aussen violettbraun, innen gelb mit purpurfarbigen Adern. Die Früchte sind anfangs grüne, später glänzend schwarze Beeren mit violettem Saft und vielen eiförmigen Samen (Abb. 2) [1]. A. belladonna ist in Mittel- und Südeuropa sowie in Kleinasien heimisch und wird weltweit kultiviert. Arzneilich verwendet werden die getrockneten Blätter einschliesslich der Zweigspitzen und Früchte sowie die Wurzeln [2]. Die Spezies «belladonna» soll ihren Namen wegen der Verwendung als Kosmetikum in der Renaissancezeit erhalten haben [2].

Fig. 1

Blüte von A. belladonna(Jura, 1993).

Fig. 1

Blüte von A. belladonna(Jura, 1993).

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Fig. 2

Früchte von A. belladonna(Jura, 1991).

Fig. 2

Früchte von A. belladonna(Jura, 1991).

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Chemie

Die Blätter und die Wurzeln enthalten 0,3-0,5% Tropanalkaloide, die ihrerseits zu 95-98% aus L-Hyoscyamin und Spuren von L-Scopalamin (Hyoscin) sowie Atropin (DL-Hyoscyamin) bestehen. Während der Aufbereitung wird das L-Hyoscyamin zu DL-Hyoscyamin racemisiert (Kasten 1) [2]. Weitere Alkaloide sind das L-Hyoscyamin-N-oxid und das L-Hyoscin-N-oxid. Die Wurzeln enthalten Cuscohygrin, das in den Blättern fehlt [2]. Auch das Fruchtfleisch der Beeren und die Samen enthalten Alkaloide [3]. Die Blätter enthalten ferner die Flavonoide Scopolin, Scopoletin, 7-Methylquercetin und ein Methylkaempferol [2].

Pharmakologie/Toxizität/Intoxikation

Atropin (Abb. 3) bindet reversibel an die muscarinischen (d.h. die peripheren) Rezeptoren des Parasympathikus. In der Folge wird die Wirkung des Acetylcholins gehemmt. Die Hemmung ist kompetitiv, d.h., eine Erhöhung der Acetylcholin-Konzentration hebt sie wieder auf. Das Atropin selber löst am Rezeptor keine Wirkung aus; es fehlt ihm die «intrinsische Wirkung». Wird die Wirkung des Acetylcholins gehemmt, überwiegt die Wirkung des Adrenalins (der Sympathikotonus ist erhöht). Dieser Mechanismus erklärt die meisten Wirkungen des Atropins: Hemmung der Schweisssekretion, Mydriasis, Tachykardie, Verminderung des Tonus des Magen-Darm-Trakts und der Gallenwege, Verminderung der Magen-Darm-Motilität. Atropin hat ferner eine zentral bedingte antiemetische Wirkung, die jedoch von der des Scopolamins übertroffen wird [4]. An den motorischen Endplatten, an den Ganglien und im ZNS ist Atropin nur in sehr hohen Dosen wirksam. Dieses Wirkungsprofil wird durch unterschiedlich hohe Affinitäten zu den verschiedenen Rezeptoren vermittelt. Atropin hat als Racemat nur die halbe Wirksamkeit des L-Hyoscyamins [5].

Fig. 3

Atropin (DL-Hyoscyamin).

Fig. 3

Atropin (DL-Hyoscyamin).

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Die Tollkirsche ist als äusserst giftig (Klasse 1a) klassifiziert (Tab. 1) [3]. 10-20 Beeren sind für einen Erwachsenen tödlich, 2-5 Beeren für ein Kind. Auch der versehentliche Konsum der Blätter, z.B. als Salat, kann sehr gefährlich sein.

Table 1

Gifklassen der WHO (nach [3])

Gifklassen der WHO (nach [3])
Gifklassen der WHO (nach [3])

Die Symptome einer Vergiftung mit der Tollkirsche sind überwiegend durch das Atropin bedingt: Rötung der Haut, Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Mydriase und Tachykardie. Höhere Dosen können Verwirrtheit und psychotische Zustände bewirken; es besteht die Gefahr einer zentral bedingten Atemlähmung [4]. Die erste Hilfe besteht in der Gabe von Natriumsulfat und Medizinalkohle [3].

Anwendung von A. belladonna

Weiss [1] empfiehlt Belladonnae pulvis normatus, Belladonna radix, Belladonna-Extrakt oder Tinctura belladonnae zur Behandlung von Magenkoliken. Wichtig ist eine genaue Dosierung. Frohe [5] empfiehlt bei Hyperaziditätsbeschwerden eine Kombination von Belladonna-Extrakt mit einem Wismutsalz, ätherischem Öl des Fenchels und Calciumcarbonat. Eine Monographie der Kommission E empfiehlt Belladonna-Zubereitungen zur Behandlung von Spasmen und kolikartigen Schmerzen des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege [6]. Weitere Indikationen zur erfahrungsmedizinischen Anwendung sind Kinetosen und nervöse Herzbeschwerden [6] sowie die Behandlung des Morbus Parkinson [2].

Tollkirschenzubereitungen sind «Forte-Phytopharmaka» und dürfen entsprechend nur verabreicht werden, wenn andere Mittel unzureichend wirken [6]. In historischer Zeit wurde Atropa als Halluzinogen und als Aphrodisiakum verwendet. Mit Öl und Fett kombiniert und auf die Haut (Achselhöhlen, Genitalbereich, Vagina, Rektum) aufgetragen, entsteht die Empfindung, man fliege oder sei ein Tier (besonders eindrücklich in der Odyssee dargestellt, wo Kirke die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt) [3].

Das Bilsenkraut ist eine ein- oder zweijährige krautige Pflanze. Die gelappten Blätter sind hellgrün, die trichterförmigen Blüten weiss mit dunklen Adern. H. niger enthält in den Blättern 0,04-0,17% Alkaloide, in den Samen bis zu 0,3% auf Basis des Trockengewichts. Die wichtigsten Alkaloide sind das Hyoscyamin sowie das Scopolamin. Die beiden Substanzen machen ca. 40-60% der Gesamtalkaloide aus. H. niger gehört wie A. belladonna zur Giftklasse 1a (äusserst giftig). 12-15 Samen können für Kinder tödlich sein. Bilsenkraut wurde seit der Antike gegen Schmerzen und zur Behandlung von Nervenleiden verwendet. Im Mittelalter wurde das Bilsenkraut auch als Betäubungs- und Rauschmittel verwendet. Gegenwärtig wird in der Schweiz und in Österreich eine Creme mit Grünöl aus dem Bilsenkraut zur Behandlung von Hautnarben angeboten [7].

Von den ehemals umfangreichen Anwendungen des Atropins in der Schulmedizin ist die Anwendung als Mydriatikum in der Ophthalmologie und als Antidot bei Vergiftungen mit Cholinesterasehemmern (z.B. Kampfgase) übriggeblieben. Scopolamin ist Inhaltsstoff von Mitteln gegen Kinetosen (z.B. Reisekrankheit) und wird z.B. als transdermales Pflaster angeboten.

1.
Kuschinsky G, Lüllman H: Kurzes Lehrbuch der Pharmakologie, ed 5. Stuttgart, Thieme, 1971.
2.
Leung AY, Forster S: Encyclopedia of Common Natural Ingredients, ed 2. New York, Wiley, 1996.
3.
Wink M, et al: Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen. Stuttgart, WVG, 2008.
4.
Weiss RF: Lehrbuch der Phytotherapie, ed 8. Stuttgart, Hippokrates, 1997.
5.
Frohe D: Heilpflanzenlexikon, ed 8. Stuttgart, WVG, 2006.
6.
Schilcher H: Leitfaden der Phytotherapie, ed 3. München, Urban & Fischer, 2007.
7.
Kelosoft. Patienteninformation.
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