Die 27. Schweizerische Jahrestagung für Phytotherapie war mit 300 eingeschriebenen Teilnehmenden, 17 Referentinnen, Referenten und Moderatoren sowie einer Rekordzahl von Ausstellern der Industrie die bisher erfolgreichste (Abb. 1, 2). Die Phytotherapie hat bei der Behandlung von Infektionen ein grosses Potenzial, da Vielstoffgemische die Resistenzbildung gemäss etlicher Untersuchungen erschweren.
«Kann das antivirale Potenzial von Arzneipflanzen therapeutisch genutzt werden?»
Prof. Paul Schnitzler(Abb. 3), Universität Heidelberg, beleuchtete unter dem Titel «Kann das antivirale Potenzial von Arzneipflanzen therapeutisch genutzt werden?» in erster Linie die ätherischen Öle. Melissenextrakte, Teebaumöl und Pfefferminzöl wirken in vitro antiherpetisch. Der Wirkung liegen eine direkte Interaktion mit den Viruspartikeln sowie eine viruzide Aktivität zugrunde. Die pflanzlichen Wirkstoffe erfassen auch Acyclovir-resistente Herpesstämme, da sie einen grundlegend unterschiedlichen Wirkmechanismus im Vergleich zur Standardsubstanz aufweisen. Einige Mono- und Sesquiterpene zeigen als Monosubstanzen in vitro ebenfalls eine hemmende Aktivität gegen Herpesviren. Aus toxikologischen Gründen werden die Öle jedoch in der Therapie als Vielstoffgemische eingesetzt.
Die mittlere Zeit bis zur Reepithelisierung bei Lippenherpes dauerte 9 Tage bei der Behandlung mit einem Gel, das 6% Teebaumöl enthielt, hingegen 12,5 Tage unter der Behandlung mit Placebo. Sehr viele Patienten berichteten von einer bemerkenswerten Schmerzstillung bei der Anwendung von ätherischen Ölen, was bei einem schmerzhaften Lippenherpes von Vorteil ist. Teebaumöl und Pfefferminzöl waren gegenüber Acyclovir-empfindlichen HSC-1-Stämmen und Acyclovir-resistenten Herpesstämmen gleich wirksam. Die Öle sind den synthetischen Medikamenten in der Rezeptur für die topische Anwendung in der Praxis vielfach überlegen und für die Behandlung von Herpes vielversprechend. Seit Langem im Einsatz und pharmakologisch wie klinisch bewährt sind auch wässrige Melissenextrakte.
Extrakte aus Astragalus membranaceous(Wurzeln), Polygonum multi-florum(Wurzeln) und Phyllanthusamarus(Kraut) werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin häufig zur Behandlung der Hepatitis B eingesetzt. Die antivirale Wirksamkeit der Extrakte war vergleichbar mit der von Interferon und Lamivudin. In der Kombination zeigten sich synergistische Wirkungen bezüglich antiviraler Wirksamkeit und Verbes serung der Leberfunktion. Die pharmakologischen Belege für die traditionelle Anwendung werden jedoch derzeit zu selten für die Entwicklung neuer, pflanzlicher Arzneimittel genutzt.
«Resistenzrisiko reduzieren bei Mensch und Tier: Potenzial der Phytotherapie für die Verminderung des Antibiotikaeinsatzes in der tierärztlichen Praxis»
Prof. Dr. med. vet. Johanna Fink-Gremmels(Abb. 4), Universität Utrecht, erörtete die Möglichkeiten der Phytotherapie zur Verminderung des Einsatzes von Antibiotika in der tierärztlichen Praxis. Dass Bakterien über Mechanismen verfügen, die ihre Empfindlichkeit auf Antibiotika herabsetzen, ist seit Penicillin bekannt. Die Antibiotikaresistenz von Bakterien ist jedoch erst im letzten Jahrzehnt zu einem weltweiten Problem geworden. Dazu haben die breite Anwendung von Antibiotika und die Globalisierung von Handel und Wirtschaft wesentlich beigetragen. Die Verwendung von Antibiotika in der Tiermedizin muss kritisch geprüft werden. Antibiotika können in subtherapeutischen Dosen als sogenannte «Leistungsförderer» mit dem Ziel eingesetzt werden, die Darmflora unter Stressbedingungen zu stabilisieren. Dies ist zwar in Europa seit 2006 verboten, wird aber in vielen nichteuropäischen Ländern - einschliesslich der USA - weiterhin praktiziert. Das gleiche Ziel lässt sich gut mit der Zufütterung von Pflanzen, die ätherische Öle enthalten (z.B. der Labiatae Oregano und Thymian sowie von Knoblauch) erreichen. Schweine, die Oregano als Ergänzung der Nahrung erhielten, hatten weniger Infektionskrankheiten, und Biomarker, wie z.B. Gene, die oxidativen Stress anzeigen, wurden weniger exprimiert. Solche Massnahmen erlauben die Beschränkung des Einsatzes von Antibiotika auf akut kranke Tiere. Zubereitungen aus Pflanzen können als Pflegemittel zur Behandlung von Mastitiden der Kühe eingesetzt werden (Arnica montana, Calendula officinalis, Echinacea purpurea, Panax ginseng, Menthae species unter anderem). Damit wird gemäss der Referentin eine drastische Senkung des Antibiotika-Einsatzes erreicht. Die Biofilm-Forschung sollte auf die Nutztiere ausgedehnt werden, sind doch viele Keime in ihnen gut geschützt. Auch diesbezüglich könnten Pflanzen ein Potenzial aufweisen, wenn sie deren Fixierung - wie die Forschung ansatzweise (z.B. mit Zubereitungen aus Cranberry) zeigt - verhindern können.
Bei den sogenannten Gesellschaftstieren (Hund, Katze, kleine Haustiere, Pferd) ist die Anwendung von Antibiotika zwar auf Einzeltiere beschränkt. Der vielfältige, zum Teil sehr nahe Kontakt zwischen Mensch und Haustier birgt jedoch das Risiko der Übertragung von resistenten Keimen vom Tier auf den Menschen und umgekehrt - ein gemäss der Referentin ungenügend diskutiertes Phänomen.
Damit pflanzliche Arzneimittel in der Veterinärmedizin breit angewendet werden können, müssen namentlich die für jede Art spezifischen Wirkstoffkinetikprofile weiter erforscht werden. Ferner sollten die Zulassungskriterien feiner abgestimmt werden. Die Vernachlässigung der Forschung in diesem Bereich führte zu erheblichen Wissenslücken. In der Europäischen Union dürfen nur Arzneimittel für Nutztiere angewendet werden, die für die bestimmte Spezies zugelassen und für die Daten zu den Rückständen verfügbar sind (Richtlinie EC 37/2010). Homöopathische Formulierungen ab D4 unterstehen nicht dieser Regelung. Dies hat zu einem verminderten Interesse an pflanzlichen Arzneimitteln geführt. Ein Prozess, dem - betrachtet man das grosse Potenzial der Arzneipflanzen für die Tiermedizin - in den kommenden Jahren mit Nachdruck entgegengewirkt werden sollte.
«Antiinfektiöse Therapie mit ätherischen Ölen»
Dr. med. Barbara Kramer(Abb. 5), Allgemeinmedizinerin FMH, Sion VS, beschäftigte sich mit dem Thema «Antiinfektiöse Therapie mit ätherischen Ölen». Sie gab einen detaillierten Einblick in die Welt der ätherischen Öle und ihre Anwendungsmöglichkeiten. Natürliche ätherische Öle sind Vielstoffgemische, die aus Pflanzenteilen gewonnen werden. Am häufigsten wird die Wasserdampfdestillation angewendet. Die besten ätherischen Öle werden aus Pflanzen des biologischen, pestizidfreien Anbaus gewonnen. Rektifizierte oder standardisierte Öle sind nicht authentisch und in der Aromatherapie nicht erwünscht. Die Bestandteile eines ätherischen Öls sind zu 90% Terpene und Terpenderivate (Alkohole, Aldehyde, Ester, Ketone, Oxide und Säuren) sowie zu 10% aromatische Verbindungen. Von verschiedenen Stammpflanzen sind unterschiedliche Varietäten, sogenannte Chemotypen (CT), bekannt. Dabei unterscheiden sich die Öle in ihrer Zusammensetzung. Die Beachtung der CT gehört zwingend zu einer rationalen Aromatherapie. Mischungen mehrerer ätherischer Öle führen zu synergistischen Wirkungen, aber auch zur Verdünnung von sehr potenten oder im Einzelfall in hoher Konzentration irritierenden Ölen. Ätherische Öle vermögen die Wirkung bestimmter Antibiotika zu potenzieren und sind sehr wirksam, weshalb ihre Anwendung in der Rezeptur geschult und geübt sein muss.
Viel diskutiert wird derzeit die Anwendung von ätherischen Ölen bei Kleinkindern in Form von Suppositorien. Bei Erkältungskrankheiten sind sie in Ermangelung anderer Präparate für die Aromatherapeuten eine Option. Die Referentin konnte eine Liste von Ölen vorstellen, die gemäss bis herigen Kenntnissen pädiatrisch eingesetzt werden können. Die Empfehlungen sind von einer Arbeitsgruppe der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP), die die Tagung zusammen mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wädenswil und dem Institut für Naturheilkunde am Universitätsspital in Zürich organisierte, erstellt worden. Das Aromatogramm ist für Barbara Kramer ein gutes Instrument bei bakteriellen Infekten, die sehr hartnäckig sind. Oft resultiert eine Rezeptur mit einer ohne den Test nicht voraussehbaren Zusammensetzung. Ihre Magistralrezepturen zur Behandlung von Bronchitis, Onychomykosen, Otalgie, Darmdysbiose und vaginalen Infektionen sind in der Kongressdokumentation publiziert.
«Der Harnwegsinfekt: Möglichkeiten der Phytotherapie»
Wegen der Zunahme von Resistenzproblemen ist die Phytotherapie eine wünschenswerte Alternative zur antibiotischen Therapie, erklärte Prof. Dr. Dr. Bernhard Uehleke, Universitätsspital Zürich und Hochschule für Sport, Berlin, zu Beginn seines Referats mit dem Titel «Der Harnwegsinfekt: Möglichkeiten der Phytotherapie». Harnwegsinfektionen (Urinary Tract Infection, UTI) sind durch bakterielle Infektion verursachte Entzündungen der ableitenden Harnwege. Ist lediglich die Blase betroffen, spricht man von einem unkomplizierten Infekt. Breitet sich die Infektion auf die Nierenbecken aus, bedarf diese einer ärztlichen Behandlung mit Antibiotika.
Für die Verwendung von Bärentraubenblättern (Arctostaphylos uvaursi) zur Desinfektion des Harns beim Harnwegsinfekt gab es eine Monographie der Kommission E. Sie wurde zurückgezogen, als die Alkalinisierung des Harns - für die Wirksamkeit der Bärentraubenblätter als notwendig erachtet - Gegenstand von Kontroversen wurde. Klinische Daten zu den Bärentraubenblättern sind älteren Datums. Das Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) der European Medicines Agency (EMA) empfiehlt in der jüngsten Monographie die ärztliche Überwachung der Therapie und eine Therapiedauer von maximal einer Woche.
Kranbeeren (Vaccinium macrocarpon) verringern das Anheften der Bakterien an die Uroepithelzellen. Sie sind in den USA und zunehmend auch in Europa als Lebensmittel sehr verbreitet. Zur Behandlung von akuten UTIs kommen sie deshalb nicht infrage, und die Forschung fokussiert auf die Prophylaxe. Die im aktuellen Cochrane Review bewerteten klinischen Studien ermöglichen keine Aussage zum Wert der Cranberries zur prophylaktischen Wirkung gegen UTIs; dies im Gegensatz zu früheren Reports. Eine neuere, im Cochrane Review noch nicht berücksichtigte Studie ergab eine relevante und signifikante Senkung der Infektionsrate unter der Behandlung mit einem hoch dosierten Extrakt (200 mg Extrakt mit 30% Procyanidinen täglich). Insgesamt bleiben die Daten zu den Kranbeeren inkongruent. Dem steht die leider kaum dokumentierte Erfahrung vieler Ärzte und Patienten gegenüber, die von positiven Erfahrungen mit Zubereitungen aus Kran- und Preiselbeeren berichten.
«Influenzavirus: Pflanzliche Wirkstoffe im Vergleich zu synthetischen Produkten»
Prof. Dr. Stephan Pleschka(Abb. 6), Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität, Giessen, sprach zum Thema «Influenzavirus: Pflanzliche Wirkstoffe im Vergleich zu synthetischen Produkten». Influenzaviren (IV) sind eine andauernde Bedrohung für den Menschen. Bekannt sind drei Genera - A, B und C. Klinisch am wichtigsten sind die Influenzaviren A (IVA). Die Infektion kann sich bis in die Lungenalveolen ausbreiten und schwere, mitunter tödlich verlaufende Pneumonien verursachen. Das natürliche Reservoir der IVA sind wild lebende Wasservögel, weshalb keine Möglichkeit zu deren Ausrottung besteht. IV besitzen eine hohe genetische Plastizität, die ihnen eine sehr schnelle Anpassung an sich rasch ändernde Umweltbedingungen erlaubt: Die Polymerase produziert bei der Vermehrung des Virusgenoms viele Fehler, die nicht korrigiert werden, sodass das Immunsystem die Struktur des Oberflächenproteins nicht mehr erkennt. Das Genom der IV ist zudem segmentiert, was im Fall einer Ko-Infektion mit einem anderen IV-Stamm den Austausch von Genomsegmenten und in der Folge die Bildung von Viren mit völlig neuen Eigenschaften ermöglicht. Solche Viren können sich im Menschen vermehren, werden aber vom Immunsystem nicht mehr erkannt. Das bedingt jährlich die Entwicklung neuer Impfstoffe und führt zur Angst vor Pandemien.
Gegenwärtig stehen zwei antivirale Wirkstoffklassen zur Verfügung: Die Ionenkanal- oder M2-Blocker Amantadin und Rimantadin. Sie sind nur gegen IVA wirksam, und die meisten IVA-Stämme sind mittlerweile resistent. Die andere Klasse besteht aus Neuraminidasehemmern, wobei auch hier schon Resistenzen beobachtet werden. Es besteht dringend Bedarf an alternativen antiviralen Stoffen, die breit verfügbar sind. Da Pflanzen auch von Viren und anderen pathogenen Keimen befallen werden, haben sie Mechanismen zu ihrem Schutz entwickelt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass viele pflanzliche Zubereitungen Eingang in die erfahrungsbasierte Medizin zur Behandlung von Erkältungskrankheiten gefunden haben.
Die antivirale Wirkung eines standardisierten Extrakts aus frischem Kraut und Wurzeln von E. purpurea wurde in vitro mit permanenten Zellkulturen untersucht. Der Extrakt vermochte in nicht toxischen Konzentrationen die Vermehrung von IVA signifikant zu reduzieren. Es wurde beobachtet, dass für die Wirkung ein direkter Kontakt der Viruspartikel mit dem Extrakt notwendig ist. So kann die Infektion der Zelle verhindert werden. Weitere Experimente haben gezeigt, dass sowohl die Bindung des Virus über das HA-Protein an seinen Zielrezeptor auf der Zelle als auch die für die Virusfreisetzung wichtige Neuraminidasefunktion des viralen NA-Proteins gehemmt wird. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Applikation von E. purpurea im Gegensatz zum Wirkstoff Oseltamivir nicht zur Bildung von resistenten H5N1-Virusvarianten führt. Somit erfüllt der geprüfte Extrakt die Anforderungen an ein wirksames antivirales Therapeutikum.
«Wann Impfen? Wann Neuraminidasehemmer? Wann Phytotherapie bei grippalen Infekten?»
PD Dr. med. Dr. h.c. Andreas Schapowal(Abb. 7), Landquart, präsentierte unter dem Titel «Wann Impfen? Wann Neuraminidasehemmer? Wann Phytotherapie bei grippalen Infekten?» eine Übersicht zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und der Grippe. Erkältung und Grippe sind die häufigsten Infektionskrankheiten von Kindern und Erwachsenen. Erkältungen werden in über 90% der Fälle durch Viren, vor allem Rhino-, Adeno-, Corona-, Respiratorische Synzytial- und Metapneumoviren, verursacht. Die Viren sind sehr variabel (z.B. Rhinoviren: über 100 Serotypen) und ändern sich von Jahr zu Jahr. IVA (über 200 Serotypen) sind die Erreger der saisonalen Grippe im Winter. Infektionen mit IVB sind jederzeit möglich. Der IVC verursacht meistens mildere Formen einer Grippe, insbesondere bei Kindern. Andere respiratorische Viren und Bakterien können primäre Auslöser oder Verursacher einer Sekundärinfektion nach primärer Virusinfektion sein. Atemwegsinfekte reduzieren die Lebensqualität, sind in jeder Grippesaison für Todesfälle verantwortlich und verursachen hohe direkte und indirekte Kosten. Grippeimpfstoffe werden jeweils gegen maximal zwei IVA- und einen IVB-Typen der betreffenden Saison entwickelt. Da die Impfung nicht vor einer Infektion mit den vielen anderen Erkältungsviren schützt, resultiert für das Gesamtkollektiv ein Schutz von lediglich 20-30%. Die Grippeimpfung wird daher vorab für Angehörige von Risikogruppen (Schwangere, Personen >65 Jahre, chronisch Kranke), für ihre Kontaktpersonen und für Gesundheitsfachpersonen empfohlen.
Die Behandlung auch von banalen akuten Infektionen der oberen Atemwege lohnt sich, unter anderem auch im Hinblick auf die Vermeidung von Asthma. Einige pflanzliche Arzneimittel, z.B. hergestellt aus den unterirdischen Bestandteilen von Pelargonium sidoides, Primelwurzeln und Thymiankraut sowie Eukalyptus- und Myrtenöl, sind dafür geeignet. Neuere Forschungen fokussieren auf den bereits genannten Echinacea-Extrakt, der Erkältungs- und Grippeviren inaktivieren kann, die Vermehrung bestimmter pathogener Bakterien verhindert und die proinflammatorische Antwort, die durch solche Erreger ausgelöst wird, hemmt. Bei akuter Pharyngitis kann die antivirale Wirksamkeit in Kombination mit Salbeiextrakt gesteigert werden. In einer Vergleichsstudie war ein Halsspray mit dieser Kombination dem synthetischen Marktführer nicht unterlegen. Die Zubereitungen sind nach der vorhandenen Studienlage und aus der Erfahrung des Referenten in der Praxis sowohl zur Therapie akuter Erkältungen und der Grippe als auch zur kurz- sowie langzeitigen Prophylaxe indiziert.
«Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von Echinacea purpurea zur Erkältungs prävention: Eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie»
Impfungen bieten einen Schutz gegen Influenzainfektion, nicht aber gegen andere Viren, die die Atemwege befallen, weshalb es sich lohnt, unter den Arzneipflanzen nach weniger spezifischen Wirkprinzipien zu suchen. Dies legte Roland Schoop, Roggwil, in seinem Vortrag mit dem Titel «Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von Echinacea purpurea zur Erkältungsprävention: Eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie» dar. Die Entwicklung einer umfassenden Prophylaxe ist wegen der hohen Zahl und der starken Mutationsneigung der Viren sehr schwierig. Ein möglicher Ansatz besteht in der Förderung der körpereigenen Abwehrkräfte. Hierbei kommt dem zusätzlich entzündungshemmend wirkenden roten Sonnenhut (E. purpurea) eine besondere Rolle zu. Eine achttägige Behandlung mit dem Spezialextrakt führte zu einer Steigerung der Produktion der chemotaktischen Mediatoren Interleukin-8 (IL-8) und MCP-1 und zu einer Verminderung der entzündlichen Tumornekrosefaktor-α und IL-1. Probanden mit erhöhter Infektionsanfälligkeit und solche in Stresssituationen zeigten eine Erhöhung des Gammainterferons (ICN-γ). Der Extrakt verbessert nach dem heutigen Stand der Kenntnisse die antivirale Abwehr. Infektanfällige sowie immungeschwächte Personen dürften deshalb von der Behandlung besonders profitieren.
Da respiratorische Viren von Oktober bis April gehäuft auftreten, muss eine prophylaktische Behandlung entsprechend lang appliziert werden und die Langzeitanwendung ohne Nebenwirkungen sein. Die Wirksamkeit und Sicherheit der Langzeitprävention mit dem erwähnten Extrakt wurde in einer placebokontrollierten Studie an 755 Personen über den Zeitraum von 4 Monaten geprüft. Es handelt sich um die bisher grösste Studie dieser Art. Sie wurde am «Common Cold Centre» der Cardiff University in Wales durchgeführt. Die Verträglichkeit des Präparats war derjenigen des Placebos nicht unterlegen. Keine der früher aufgrund theoretischer Überlegungen befürchteten Unverträglichkeitsreaktionen wurden beobachtet, insbesondere keine allergischen Reaktionen.
Die präventive Wirkung des Präparats war gegenüber Placebo statistisch signifikant besser. Unter Placebo wurden deutlich mehr Erkältungsepisoden, insbesondere solche, die die Anwendung von Schmerz reduzierenden und Fieber senkenden Mitteln erforderten, beobachtet. Der Extrakt senkte die Häufigkeit virologisch bestätigter Infektionen, namentlich mit I V, Respiratorischen Synzytial-Viren (RSV), Parainfluenza- und Coronaviren. Die Präventionswirkung des Extrakts war bei Probanden mit rezidivierenden Erkältungskrankheiten am überzeugendsten. Die Auswertung von Subgruppen zeigte eine besonders ausgeprägte Wirksamkeit bei Rauchern sowie bei Personen unter erhöhter Stressbelastung, mit er höhter Infektanfälligkeit und mit Schlafmangel. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der geprüfte Spezialextrakt die Immunabwehr verbessert und gegen eine Reihe von Erkältungsviren direkt wirksam ist, und dies bei bester Verträglichkeit.
«Das ungehobene Potenzial der Phytotherapie in der Wundheilung»
Prof. Dr. med. Dipl. Biol. Christoph M. Schempp von der Universitäts-Hautklinik Freiburg i.Br. stellte seine Ausführungen unter den Titel «Das ungehobene Potenzial der Phytotherapie in der Wundheilung». Die Behandlung von Wunden mit Heilpflanzen hat in der Volksmedizin und in der Ethnomedizin eine lange Tradition. Akute Wunden, insbesondere oberflächliche Schürfungen und kleinere Brandwunden, haben eine hohe Spontanheilungstendenz. Ätherische Öle können aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung sehr gut unterstützend angewendet werden. Chronische Wunden sollten, wenn möglich, kausal behandelt werden. Darüber hinaus ist die äusserliche Wundpflege sehr wichtig. Korianderöl (Coriander sativum) ist ein natürliches Antiseptikum mit einem geringen Sensibilisierungspotenzial.
Der Extrakt aus Birkenkork (Betulae cortex von Betula pendula oder Betula pubescens) besteht primär aus Betulinsäure. Diese ist ein natürlicher Oleogel-Bildner. Die Oleogele, für deren Herstellung weder Emulgatoren noch Konservierungsstoffe notwendig sind, zeigen hervorragende epithelbildende Eigenschaften. Dies ist bei der Behandlung von chronischen Wunden von Bedeutung, weil die betroffenen Patientinnen und Patienten oft an multiplen Kontaktallergien leiden. In mehreren verschiedenen Fallserien wurde eine wundheilungsfördernde Wirkung bei Brandwunden, bei Intertrigo und bei Strahlendermatitis gezeigt. In einer prospektiven randomisierten vergleichenden Studie bei standardisierten Spalthautwunden war ein Oleogel mit Birkenkorkextrakt gegenüber der Standard-Wundtherapie signifikant überlegen.
Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird als Johanniskrautöl traditionell zur Förderung der Wundheilung verwendet. Der wichtigste fettlösliche Inhaltsstoff ist das Hyperforin, das heute für die topische Anwendung als Hauptwirkstoff angesehen wird. Hyperforin ist entzündungs- und tumorhemmend sowie regenerativ für die Haut. Der Naturstoff hemmt in niedriger Konzentration vor allem Gram-positive Keime einschliesslich multiresistenter Streptokokken. Eine Kombination von Johanniskrautöl und Neemöl hat eine gute wundheilungsfördernde Wirkung gezeigt. Die Kombination ist als Medizinprodukt zugelassen. Das Produkt kann dank seiner galenischen Form berührungsfrei auf verschiedene Arten von Wunden aufgesprüht werden.
«Antivirale und antibakterielle Wirkung von Medizinalpilzen»
Pilze sind keine Pflanzen, sondern bilden ein eigenes Reich von Lebewesen. Deshalb heisst die Heilbehandlung mit Pilzen «Mykotherapie», wie Prof. Dr. Jan Lelley, Krefeld, zu Beginn seines Vortrags mit dem Titel «Antivirale und antibakterielle Wirkung von Medizinalpilzen» klarstellte. Als Medizinalpilze werden Grosspilze (Macromycota) verwendet; das sind solche, die mit blossem Auge sichtbar sind und die von Hand gepflückt werden können. China gilt als Wiege der Mykotherapie. Aus antiken römischen Quellen ist bekannt, dass gewisse Pilze auch im Abendland seit mindestens 2000 Jahren in der Medizin verwendet werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass vor über 5000 Jahren der Birkenporling (Piptoporus betulinus) von Ötztaler Steinzeitmenschen entweder gegen gastrointestinale Beschwerden oder als Antibiotikum verwendet wurde. In China sind 540 Pilzarten mit Heilwirkung bekannt. Von ihnen zeigten in Testsystemen 331 antitumorale, 51 antibakterielle und 4 antivirale Aktivitäten. Volksmedizinisch wurden in Mexiko 70 Pilzarten verwendet, und im Westen Kanadas gelten 150 und in Südkorea 404 Arten als medizinal. In Europa ist die Verwendung von Grosspilzen in der Volksmedizin und in der Klostermedizin nachgewiesen, in der Tradition aber nicht besonders verankert.
Eine interessante Anwendung kann von Shii-take (Lentinula edodes) berichtet werden. Der tägliche Konsum von 5 g getrockneten Pilzen ist eine sinnvolle Massnahme zur Prophylaxe der Plaque-Bildung und der Zahnkaries. Man nimmt an, dass Zahnkaries durch eine Infektion mit Streptococcus mutans und Streptococcus sorbinus verursacht wird: Zucker wird durch die Vermittlung der Glucosyltransferase in den Bakterien in haftende Kohlenwasserstoffe überführt. Das erlaubt den Organismen, sich an die Zahnoberfläche anzudocken und mit aus den Kohlenhydraten gebildeten Säuren den Zahnschmelz anzugreifen. Laut einer japanischen Arbeitsgruppe beruht die karieshemmende Wirkung des Pilzes auf einer Hemmung der Glucosyltransferase.
Der Referent schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass die Entwicklung von kommerziellen Arzneimitteln aus Pilzen wünschenswert sei. Die Versorgung mit Pilzen ist mithilfe etablierter Kultivierungsmethoden zwar sichergestellt, aber die Industrie scheut die Probleme bezüglich der Gewinnung von Wirkstoffen und der Zulassung. Therapeuten und Privatpersonen fühlen sich aber nicht daran gehindert, Zubereitungen aus Pilzen als Nahrungsergänzungsmittel gemäss traditioneller Indikationen, aber auch auf der Basis moderner Studien zu deren Pharmakologie anzuwenden. Klinische Daten sind leider noch selten.
Bilanz der Tagung
Prof. Paul Schnitzler wies in seiner Bilanz auf eine der Stärken der Schweizerischen Tagung für Phytotherapie hin: Forscher und Praktiker stehen auf der gleichen Bühne und pflegen einen regen Austausch (Abb. 8, 9). Wenn sich die medizi nische Erfahrung auf Resultate der pharmakologischen und - zum Thema - der mikrobiologischen Forschung stützen kann, sind das besondere Erfolgserlebnisse. Umgekehrt gilt dasselbe: Theoretisch erwartete Resultate werden durch die Praxis bestätigt.
Vielstoffgemische haben ein hohes Potenzial, Krankheitserreger abzuwehren, wenn sie in direkten Kontakt mit den Keimen kommen. Demzufolge sind einige Anwendungen in der Dermatologie, aber auch bei Erkältungskrankheiten und in der Veterinärmedizin im Magen-Darm-Trakt vielversprechend, wenn die Wirkung zumindest teilweise über die Schleimhäute erfolgt. Systemische Anwendungen hingegen sind in den moisten Fällen noch nicht hinreichend dokumentiert. Ein grosses Forschungsfeld liegt diesbezüglich weitgehend brach.
Dank
Der Bericht wurde mithilfe der ausführlichen Kurzfassungen der Referierenden zusammengestellt. Der Tagungsband kann - solange der Vorrat reicht - bei der Korrespondenzadresse gegen ein kleines Entgelt bestellt werden. Die vollständigen Texte und die Portraits der Referierenden sind unter «Tagung 2012» publiziert auf www.smg p.ch/archiv/archivxfiles/jtg.html.