Zusammenfassung
Weltbild und Heilverständnis haben einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Stellenwert und die Verwendungsmöglichkeiten von klassischen Heilpflanzen. Am Beispiel Artemisiavulgaris lässt sich eindrucksvoll belegen, wie wechselvoll sich ein solches Heilpflanzenschicksal abgespielt hat und wie die Bedeutung einer einst sehr hoch geschätzten Pflanze sich aktuell stark auf die blosse Nutzung als würzende Beigabe zu Speisen reduziert hat. Ausgehend von der Beschreibung historischer Medizinkonzepte hin zu neuzeitlichen Medizinkonzepten wird auf die besondere Bedeutung von A. vulgaris als Arznei-, Gewürz- und Ritualpflanze in den verschiedenen Zeiten und Konzepten eingegangen. Dabei wird anhand zahlreicher zu Wort kommender Zeitzeugen und Interpreten deutlich, wie sehr sich das Verständnis dieser Pflanze verändert hat. Vom bedeutenden Geburts- und Frauenheilkraut über die wohl noch bedeutendere Verwendung als rituelles magisches Kraut bis hin zur heilsamen Verwendung für Magen und Darm spannt sich der Bogen. Zumindest aus Sicht der klassischen Medizin endet dieser bei der aktuellen, nahezu ausschliesslichen Verwendung als Gewürz, unter weitgehender Missachtung ursprünglicher historischer und erfahrungsmedizinischer Verwendungen. Abschliessend werden die mögliche Bedeutung der Pflanze für den menschlichen Gebrauch als Bitterstoffdroge und die daraus erwachsenden Vorteile angesprochen.