Abstract
Anschauen, Wahrnehmen und Erkennen sind in der Medizin keine trivialen Vorgänge. Die moderne konventionelle Medizin hat sich diesbezüglich der Methode des klinischen Experiments und der Statistik sowie dem Ideal einer evidenzbasierten Medizin verschrieben, deren externe Evidenz letztlich auf «Erkenntnis ohne erkennendes Subjekt» im Sinne Karl Poppers beruht. Demgegenüber verfolgt die Homöopathie auch gestalttheoretische und kognitionsbasierte Ansätze wissenschaftlicher Erkenntnis im Sinne Karl Dunckers und Helmut Kienes. Unter Anerkennung der Urteils- und Erfahrungsfähigkeit des einzelnen Arztes ermöglicht dies die methodische Gewinnung interner Evidenz, die einer bloss metaanalytisch ausgerichteten Biomedizin verwehrt bleibt. Medizintheoretisch gesehen erweist sich der ganzheitliche Weg als dem Wesen des Arztberufs angemessener. Aus sozioökonomischen Gründen, die auf Vergesellschaftungsprozesse moderner Subjekte in der Denkform des Geldes und die Begründung der modernen Naturwissenschaft aus diesem Geiste zurückgehen, ist derzeit jedoch das biomedizinische Paradigma an der Macht. Indem Samuel Hahnemann die Homöopathie noch vor der zunehmenden Ökonomisierung der modernen Medizin im 19. Jahrhundert begründete, können er und seine Lehre heute als Leuchtturm einer exemplarischen, unverdorbenen Heilkunst dienen, die es trotz bzw. gerade wegen mannigfaltiger Anfechtungen wiederzubeleben gilt.