Abstract
Die intravenöse (i.v.) Gabe von Procain als Bolus im Rahmen einer neuraltherapeutischen Behandlungssitzung ist seit etwa 85 Jahren State of the Art in der Neuraltherapie nach Huneke. Neuerdings setzt sich, teilweise unter Verzicht auf die üblichen neuraltherapeutischen Injektionstechniken, die alleinige i.v. Infusion von Procain bei einer immer breiter werdenden Palette von Erkrankungen durch. Die schon lange bestehende Vermutung, die breite klinische Wirksamkeit von Procain i.v. sei über seine Wirkung am limbischen System zu erklären, wurde in letzter Zeit erhärtet durch moderne Bildgebungsverfahren (PET), die eine Aktivitätssteigerung unter Procain i.v. am limbischen System belegen. Das limbische System ist die Haupteingangspforte für Stress und zugleich der Mittler von Stressauswirkungen auf den Gesamtorganismus. Aufgrund dieser Hypothese wird erörtert, wie Procain über das limbische System auf eine Fülle sogenannter «Stresserkrankungen» Einfluss nehmen könnte. Dabei scheint Procain nicht im Sinne einer Dosis-Wirkung-Beziehung wirksam zu werden – seine Halbwertszeit wird mit nur 40 s bis 7 min angegeben –, sondern in einer Art Reset-Wirkung auf Rezeptorebene. Das könnte auch das tagelange Anhalten klinischer Wirkungen nach nur einmaliger Anwendung i.v. erklären. Die Anwendung von Procain i.v. im Sinne einer Regulationstherapie – wir nennen es Procain-Reset – stellt eine attraktive Behandlungsalternative bei einer Fülle von Stressfolgeerkrankungen dar.