Abstract
Ohr-/KopfgerÄusche sind ein weit verbreitetes Symptom, das auf Dauer bei etwa 8-10% der erwachsenen BevÖlkerung den Grad einer BelÄstigung ausma- chen kann und bei etwa 0,5–1 % den Stellenwert einer eigenstÄndigen Erkrankung mit einschneidender BeeintrÄchtigung der LebensqualitÄt ausmacht (= komplexer bzw. dekompensierter Tinnitus). Die verhaltensmedizinische Diagnostik beim chronischen Tinnitus konzentriert sich neben der Eingrenzung von Atiologie und Tinnitusanalyse speziell auf die Auswirkungen der BelÄstigung auf den Betroffenen. PersÖnlichkeitsfaktoren haben Ätiologisch nur eine untergeordnete Bedeutung, kontrovers werden psychogene Faktoren bei der Entstehung von HÖrsturz und idiopathischem Tinnitus diskutiert. Keinesfalls darf allerdings eine Psychogenese als Ausschlussdiagnostik angenom-men werden, wie es Patienten hÄufig vermittelt wird («Wir finden nichts, also muss der Tinnitus psychogener Natur sein»). Da es gerade fur die schwer Betroffenen oft keine Heilung in dem Sinne gibt, dass das OhrgerÄusch zum Abklingen gebracht werden kann, kommt diagnostischen Schritten in Richtung zusÄtzlich bestehender psychischer StÖrungen (KomorbiditÄt) und psychotherapeutischer Interventionen eine besondere Bedeutung zu. Zur besseren Erfassung des gesamten Krankheitsbildes haben wir daher ein Standardisiertes Interview (STI) entwickelt und evaluiert. Mit Hilfe des Interviews wird neben der Erfassung des sozialen Status, Tinnitusanamnese und -atiologie auch der Erhebung der verschiedenen psychischen Auswirkungen des Tinnitus eine entsprechende Gewichtung eingerÄumt. Zur ÜberprÜfung des Effektes einer Psychotherapie von hochgradig belasteten chronischen Tinnituspatienten werden die Ergebnisse einer Stichprobe von 138 Personen vorgestellt, die Über mehrere Wochen hinweg im Rahmen eines stationÄren Konzeptes in der Klinik Roseneck behandelt worden sind. Mit Hilfe tinnitusspezifischer und allgemeiner psychopathologischer Skalen (Priener Tinnitus-Tagebuch; Tinnitus-Fragebogen (TF); Symptom-Check-List (SCL); Freiburger PersÒn-lichkeits-Inventar (FPI-R)) lÄsst sich ein klinisch relevanter und signifikanter RÜckgang der psychosomatischen Tinnitusbelastung belegen. Im Vergleich zu einer Eigenwartegruppe (Kontrollgruppe) und bei einer Nachbefragung 1 Jahr nach Behandlungsabschluss (Katamnesegruppe) zeigen sich die Ergebnisse als valide und stabil.