Abstract
Die Erstmanifestation einer multiplen Sklerose (MS, Encephalomyelitis disseminata) als plötzlicher einseitiger Hörverlust ist selten, obwohl Hörstörungen im Vollbild dieser Erkrankung nicht unbekannt sind. Selbst mit den modernen audiologischen Methoden ist es aufwendig, bei einer Hörminderung aufgrund einer MS diese differentialdiagnostisch gegenüber bekannteren symptomatischen Hörstörungen – insbesondere retrokochleärer Art – abzugrenzen. Anhand von 2 Patienten mit einseitigen plötzlichen Hörminderungen, die mit der Einweisungsdiagnose «Hörsturz» aufgenommen wurden, werden diese Schwierigkeiten verdeutlicht. Auffállig waren in beiden Fallen eine Diskrepanz zwischen dem Ton- und dem Sprachaudiogramm sowie einseitig verlängerte Latenzzeiten in der Hirnstammaudiometrie (ERA). Ein Computertomogramm ergab keine Auffálligkeiten. Erst in der Magnetresonanztomographie zeigten sich schliesslich die für eine MS als pathognomonisch geltenden «white matter lesions». Die definitive Diagnose «multiple Sklerose» ergibt sich aus den verschiedenen Untersuchungen und aus den charakteristischen Befunden des Liquors, in dem sich bei 97% der Kranken eine intrathekal synthetisierte IgG-Fraktion mit oligoklonalem Muster und bei 80% Antikörper gegen neurotrope Viren nachweisen lassen.