Abstract
Die Anpass-Strategien zur Hörgeräteversorgung von Säuglingen und Kleinkindern mit hochgradiger, an Taubheit grenzender Hörstörung werden seit einigen Jahren zunehmend kontrovers diskutiert. Dies gilt vor allem für die Einstellung des maximalen Schallausgangspegels, der in der Vergangenheit in der Regel auf Einstellungen unterhalb 125 dB begrenzt wurde, um das Restgehör nicht weiter zu schädigen. Um die Restdynamik des Gehörs jedoch optimal zur Hör- und Sprachentwicklung zu nutzen, ware eine deutliche Anhebung des maximalen Schallausgangspegels anzustreben. Auch die Einstellung der Hörgeräte im tief- und hochfrequenten Bereich und somit die Nutzung der Breitbandigkeit von Hörgeräten wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Zur Klärung dieser beiden Fragenkomplexe wurde in einer Studie an 46 Säuglingen und Kleinkindern mit hochgradiger, an Taubheit grenzender beidseitiger Hörstörung untersucht, welche Einflüsse eine deutliche Anhebung des maximalen Schallausgangspegels und damit eine erhebliche Vergrösserung der Restdynamik sowie die Breitbandigkeit von Hörgeräten auf die Hör- und Sprachentwicklung haben. Über einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten wurde versucht, ob das bisherige Konzept der vielleicht zu «vorsichtigen» Wahl des maximalen Schallausgangspegels sowie der begrenzten Nutzung des Tieftonbereichs bei hochgradiger, an Taubheit grenzender Hörstörung neu überdacht werden sollte. Auch wenn sich über die Gefahren der Schädigung des Restgehörs noch keine endgültigen Aussagen vornehmen lassen, so deuten unsere Ergebnisse doch darauf hin, dass diese in der Vergangenheit überschätzt worden ist. Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass bei 14 Kindern durch Nutzung der grösseren Restdynamik sowie durch gezielte Einstellung des Frequenzgangs der Hörgeräte deutlich bessere Hörreaktionen und Verbesserungen der Hör- und Sprachentwicklung im Vergleich zur Hör- und Sprachentwicklung mit den vorher getragenen Hörgeräten nachzuweisen waren. Diese Untersuchungen unterstreichen, dass die bisherigen Anpass-Strategien insbesondere im Hinblick auf den maximalen Schallausgangspegel nicht mehr haltbar sind und eine optimale Nutzung des Restgehörs für eine ausreichende Hör- und Sprachentwicklung nur gewährleistet werden kann, wenn die Restdynamik des Gehörs sowie das verfügbare Frequenzspektrum ausreichend genutzt werden.