Abstract
Die Einbeziehung des Wissens um biologische Erkennungsprozesse in die Onkologie belegt den folgerichtigen Weg, Resultate der Grundlagenforschung nutzbringend in klinísche Verfahren zur Tumordiagnose und -therapie umzusetzen. Unter der begründeten Annahme, daß biologische Information auch in einem glykobiochemischen Code-system in den Zuckerketten zellulärer Glykokonjugate gespeichert werden kann, verdienen Zucker-Protein-Interaktionen besondere Aufmerksamkeit. Lektine bilden eine eigenständige Klasse zuckerbindender Proteine, abgegrenzt von zuckerspezifischen Enzymen und Antikörpern. Sie werden von Normalzellen, aber auch von Tumorzellen exprimíert. Ihr Expressionsmuster wird in histopathologischen Standardverfahren durch Einsatz markierter Träger, die definiert durch synthetische Anheftung der histochemisch entscheidenden Zuckerreste modifiziert sind, erfaßt. Die anhand des Einsatzes solcher Neoglykoproteine dokumentierten tumorassoziierten Unterschiede dienen als Leitlinien für anknüpfende biochemische Charakterisierung der individuellen Zuckerrezeptoren und für «lectin-mediated drug targeting». Erhöhte Selektívität der Aufnahme von Therapeutika, die an Neoglykoproteine gekoppelt sind, soil durch Nutzung des Lektinmusters erreicht werden. Neben diesem Beitrag der Tumorlektinologie zur möglichen Anwendung in der onkologischen Praxis läßt sich die Annahme der beachtenswerten Bedeutung von Zucker-Protein-Erkennung prinzipiell auch auf ein herausragendes wie komplexes Problem der Tumorforschung anwenden, die Metastasierung. Übergreifender Einsatz chemischer, biochemischer, zellbiologischer. histochemischer und onkologischer Methoden wird es ermöglichen, den Wert der Tumorlektinologie in der Onkologie kritisch einzuschätzen.