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Willkommen zur ersten Ausgabe von Kompass 2023!

Liebe Leserinnen und Leser,

Gerne habe ich ein Editorial zum Thema «Haut und Auge» übernommen! Handelt es sich doch um eine Verbindung, die bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern im klinischen Alltag wichtig ist. Zwischen Haut und Auge bestehen bereits aufgrund gleicher ontogenetischer Herkunft vielfältige Beziehungen. Blepharitis, Rosacea und ektodermale Dysplasie zählen zu den Veränderungen, die uns im klinischen Alltag geläufig sind. Seltener – aber oft umso schwerwiegender – sind Erkrankungen von (Schleim-) Haut und Auge, wenn (auto-) immunologische Mechanismen zugrunde liegen.

Dies betrifft blasenbildende Hauterkrankungen, die mit schweren Schädigungen der Augenoberfläche einhergehen. Hier sind das Schleimhautpemphigoid, das Stevens-Johnson-Syndrom und die Graft-versus-Host Disease (GvHD) zu nennen. Bei allen handelt es sich um Erkrankungen, die viele Organe einbeziehen und nicht nur visus-, sondern auch vitalbedrohlich sein können und intensiver augenärztlicher Betreuung bedürfen.

Gerade in der zurückliegenden Pandemiezeit hat sich die Versorgung dieser Patienten als sehr problematisch erwiesen. Zum einen war ihnen oft der Zugang zu ärztlicher Versorgung erschwert. Zum anderen wurden notwendige, vor allem immunsuppressive Therapien, aus- oder abgesetzt, sei es aus Furcht vor schweren Infektionsverläufen oder in Sorge vor einem unzureichenden Impfansprechen. Als Konsequenz sehen wir häufig irreversible, progressive Verläufe bei diesen Patienten, die bis zur Erblindung führen.

Es ist daher erfreulich zu sehen, dass diese Krankheitsbilder in jüngster Zeit verstärkte Beachtung finden. Aktuell herausgreifen möchte ich die interdisziplinär erarbeitete «Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids». Bereits die Diagnostik dieser Erkrankung gilt als schwierig. Sie wird oft lange Zeit als chronisch rezidivierende Konjunktivitis verkannt. Nicht selten besteht bei den Betroffenen gleichzeitig ein Glaukom und der chronische Reizzustand wird als medikamenteninduzierte Entzündung fehlgedeutet.

Wird schließlich doch der Verdacht auf die Erkrankung gelenkt, werden immunpathologische Befunde gefordert, um die Dia­gnose zu sichern. Anleitung zur Abklärung bietet dazu die erwähnte Leitlinie. Nicht weniger als 3 sukzessiv durchgeführte Biopsien mit immunhistologischer Aufarbeitung oder der Nachweis von spezifischen Autoantikörpern werden dazu gefordert.

Wie wird dieses anspruchsvolle Vorgehen im klinischen Alltag umgesetzt? Genau diese Fragestellung haben Yaïci und Mitarbeiter aus Düsseldorf aufgegriffen und legen erste Ergebnisse zur Versorgungssituation des okulären vernarbenden Schleimhautpemphigoids in Deutschland vor. Es ist sehr begrüßenswert, dass sich die Sektion Kornea der DOG aktiv diesem problematischen Krankheitsbild widmet und dazu ein Register eingerichtet hat. Inzwischen ist es gelungen die Daten von mehr als 700 Patienten zu erfassen. Weitere Meldungen sind unter www.pemphigoid.org möglich und ausdrücklich erwünscht! Ebenfalls erfreulich ist, dass in 90% der Zentren feste Kooperationen zwischen Haut- und Augenärzten bestehen. Dennoch merken die Autoren gleichzeitig an, dass die Sicherung der Diagnose schwierig bleibt und die ergänzende Diagnostik (Serologie, Immunhistologie) auch bei klinisch dringendem Verdacht häufig negativ ist. Da die Diagnose eine langjährige, immunsuppressive Therapie nach sich zieht, bleibt dies eine unbefriedigende Situation bei einer oft fortschreitenden Erkrankung.

Klinisch sehr ähnlich präsentieren sich für uns Augenärzte Patienten mit Arzneimittel-assoziiertem Stevens-Johnson-Syndrom. Die Betroffenen weisen schwerste entzündliche Oberflächenstörungen mit Symblephara und Zerstörung der limbalen Stammzellen auf. Als sekundäre Komplikationen treten häufig Neovaskularisationen der Hornhaut, Epitheldefekte bis hin zu Ulcera und Perforation auf. Bereits seit mehr als 30 Jahren besteht das «Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen» (dZh) in Freiburg, das schwere Arzneimittel-assoziierte (Schleim-) Hautreaktionen erfasst. Die Verläufe weisen unterschiedliche Schweregrade auf. Bei bis zu 50% der akut Betroffenen sind sie tödlich. Da die okuläre Beteiligung oft im Vordergrund von Spätkomplikationen steht, ist auch hier eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit von Dermatologen und Ophthalmologen essenziell. Entscheidende Fragen bleiben: Welche Medikamente können Auslöser sein und warum? Welche Pathophysiologie liegt zugrunde? Gibt es eine genetische Prädisposition? Welche Behandlung ist aussichtsreich?

Einige dieser Fragen können durch Studienregister angegangen werden – andere nicht. So ist klar, dass grundlegende (immunologische) Zusammenhänge einer weiterreichenden wissenschaftlichen Aufarbeitung bedürfen. Dieser Aufgabe stellt sich u.a. der Sonderforschungsbereich «PANTAU» in Lübeck. Das Akronym steht für «Pathomechanisms of Antibody-mediated Autoimmunity» und widmet sich der Diagnostik und Therapie Autoantikörper-induzierter Erkrankungen. Über Ziele und Aufgaben des SFB informieren wir Sie diesem Heft durch ein Interview mit dem Sprecher, Prof. Christian Sadik. Pan Tau, die Märchenfigur, die wir als freundlich lächelnden Herrn mit weißer Nelke im Knopfloch kennen, kann zaubern … Es bleibt zu hoffen, dass der ein oder andere Wunsch bei der Aufklärung von Haut- und Augenerkrankungen ebenfalls in Erfüllung geht.

In diesem Sinne wünschen wir allen Leser von Kompass alles Gute für 2023 und hoffen, dass unsere Auswahl an Themen Ihr Interesse findet.

Ihr

Uwe Pleyer