Zusammenfassung
Hintergrund: Teleophthalmologische Dienstleistungen gelten als geeignet, das Screening, die Frühdiagnose und die Überwachung der wichtigsten Erblindungsursachen auf globaler Ebene zu unterstützen. Hierfür werden Standards und bewährte Verfahren benötigt, um medizinische Augenbilder und zugehörige Daten nahtlos und mit maximaler Interoperabilität zwischen den relevanten Akteuren im Gesundheitswesen auszutauschen. Zielsetzungen: Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die aktuellen Standards im Bereich des Store-and-Forward-Datenaustauschs in der Teleophthalmologie und erläutert weitere Entwicklungen in diesem Bereich. Methoden: Es wurde eine Literaturrecherche zu Gesundheitsstandards mit Schwerpunkt auf dem Datenaustausch in der Augenheilkunde durchgeführt. Ergebnisse: IHE, HL7 FHIR, DICOM sowie klinische Terminologien gelten als die wichtigsten Standards und bieten unterschiedliche Konzepte, Lösungen und Richtlinien für die Augenheilkunde. Schlussfolgerung: Die verfügbaren Standards bilden die notwendige Grundlage für die technische und semantische Interoperabilität in der Teleophthalmologie. Dennoch ist die praktische Anwendung aufgrund fehlender Prozessinteroperabilität nur bedingt möglich. Dies zeigt sich in den häufig herstellerspezifischen Schnittstellen der Soft- und Hardwareanbieter und in weiterer Folge auch in der Ablehnung der Technologie bei den Augenärzten. Weitere Untersuchungen sollten den prozessbezogenen Bedarf an Standards für den Datenaustausch in der Augenheilkunde analysieren.
Einleitung
Die Digitalisierung in der Medizin verändert derzeit die Gesundheitssysteme weltweit und eröffnet Möglichkeiten, effizientere und effektivere dezentrale Ansätze für das Patientenmanagement umzusetzen. Dieser Trend wurde auch durch die anhaltende COVID-19-Pandemie auf globaler Ebene deutlich beschleunigt [1].
Der zunehmende Einsatz der Telemedizin hat die Forschung und Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und damit zusammenhängender intelligenter medizinischer Diagnosesysteme, stark beschleunigt, wodurch sich Möglichkeiten für telemedizinische Anwendungen noch zusätzlich erweitern, stark beschleunigt. Der medizinische Bereich der Augenheilkunde ist von dieser Entwicklung besonders geprägt, da dieser stark von digitaler Bildgebung und Kommunikation abhängig ist.
Die Augenheilkunde ist die medizinische Fachrichtung mit dem höchsten Anteil an digitaler Erfassung von Diagnosedaten in der Medizin. Es hat sich gezeigt, dass die Auslagerung der kommunalen augenärztlichen Versorgung auf teleophthalmologische Dienstleister die Nachfrage nach augenärztlichen Dienstleistungen im Krankenhaus effektiv senken, Überweisungen drastisch reduzieren und die Versorgung rationalisieren kann [2]. Die technischen Voraussetzungen für Telemonitoring in der Augenheilkunde sind aktuell für vitreoretinale Erkrankungen (z.B. Makuladegeneration, diabetische Retinopathie) oder Glaukome verfügbar, ermöglicht durch optische Kohärenztomografie (OCT), Netzhautkameras oder digitaler Perimetrie. Teleophthalmologische Dienstleistungen zeigten sich als geeignet, das Screening, die Frühdiagnose und die Überwachung der wichtigsten Erblindungsursachen auf globaler Ebene zu unterstützen.
Telemedizin umfasst im Allgemeinen die örtlich unabhängige Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen über IKT und hat signifikante Fortschritte bei Anwendungen für die Früherkennung und Überwachung bekannter Krankheiten sowie in der einfachen Zugänglichkeit der augenärztlichen Versorgung aufgezeigt [3]. Neue innovative Bilderfassungsmodalitäten, Hochleistungsrechner, neue analytische Methoden durch künstliche Intelligenz sowie z.B. die kontinuierliche Verbesserung von Smartphone-Kameras und der mobile Zugang zu flächendeckendem Hochgeschwindigkeits-Internet ermöglichen neue teleophthalmologische Möglichkeiten.
Auf der Grundlage der telemedizinischen Kommunikation lassen sich die folgenden spezifischen teleophthalmologischen Ansätze unterscheiden [4]:
1.Synchrone Teleophthalmologie, z.B. die Live-Beratung in Videogesprächen und/oder Live-Bildaufnahmen im Zusammenhang mit der Arzt-Arzt- und der Arzt-Patienten-Kommunikation (oft auch als «Tele-Konsultation» oder «virtueller Patientenbesuch» bezeichnet).
2.Asynchrone Teleophthalmologie, z.B. über Store-and-Forward erfasste und zur Beurteilung an Augenärzte weitergeleitete medizinische Daten (oft auch als «Telediagnose» bezeichnet).
3.Hybride Teleophthalmologie: z.B. wird für die Bilderfassung Store-and-Forward verwendet, die Analyse erfolgt separat (remote) durch einen Augenarzt, und der Abschlussbericht bzw. die Befundbesprechung wird über eine synchrone Video-Kommunikation mit dem Patienten durchgeführt.
Aufgrund der starken Abhängigkeit von bildbasierten Informationen ist die asynchrone Kommunikation oder der asynchrone Datenaustausch in der Teleophthalmologie immer noch weitaus häufiger anzutreffen [5, 6], unabhängig vom entsprechenden Versorgungsmodell, das üblicherweise unterschieden wird in Screening, Einstufung, Beratung und ortsunabhängiges Monitoring (Telemonitoring) [7]. Die asynchrone Bilderfassung und -analyse wurden in der Vergangenheit erfolgreich in mehreren augenärztlichen Anwendungen umgesetzt. Hierfür ist eine standardisierte Bildgebung essenziell, um eine Diagnose zu erstellen oder um den klinischen Verlauf von Augenerkrankungen zu beurteilen. Insbesondere die Überwachung der altersbedingten Makuladegeneration auf Basis der hochauflösenden OCT (HR-OCT) ermöglicht eine Ferndiagnose und Behandlungsempfehlungen. Mit der HR-OCT können Karten der Netzhautdicke erstellt und Makulaödeme zuverlässig diagnostiziert werden, die intravitreale Injektionen von VEGFR2-Inhibitoren zur Wiederherstellung des Sehvermögens erfordern [8]. Ein weiteres Beispiel ist das Telemonitoring der diabetischen Retinopathie, welches vor 20 Jahren in Großbritannien umgesetzt wurde und mittlerweile weltweit verbreitet ist [9]. Patienten mit Diabetes mellitus benötigen jährlich eine fachärztliche Untersuchung der Netzhautgefäße, um eine proliferative diabetische Retinopathie auszuschließen oder zu überwachen. Zu diesem Zweck werden mobile Bildgebungsgeräte eingesetzt, um Farbaufnahmen der Netzhaut zu erhalten. Die Fotos werden dann von einem Augenarzt in einem örtlich unabhängigen Diagnosezentrum ausgewertet. Wird die Netzhauterkrankung bestätigt, werden die Patienten zur Laserbehandlung ins Krankenhaus überwiesen.
Im Zuge dieser Benutzeranforderungen sind Standards und bewährte Verfahren erforderlich, um den nahtlosen Austausch von ophthalmologischen Aufnahmen und klinischen Informationen zwischen den relevanten Akteuren im Gesundheitswesen mit maximaler Interoperabilität zu gewährleisten. Dies umfasst die technische Realisierung des Informationsaustauschs zwischen den den beteiligten Partnern (technische Interoperabilität), das gegenseitige Verständnis der ausgetauschten Nachrichten zwischen den Akteuren (semantische Interoperabilität) und das gegenseitige Verständnis der Prozesse sowie dem eigentlichen Grund des Informationsaustausches (Prozess-Interoperabilität). Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand von Store-and-Forward-Datenstandards auf dem Gebiet der Teleophthalmologie und über die Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet geben. Details zu bestimmten ophthalmologischen Bildformaten mit ihren zugehörigen Parametern oder Darstellungen ist nicht Teil dieser Arbeit.
Methoden
Dieser Artikel analysiert bekannte Standards und Best Practices für den Datenaustausch im Gesundheitswesen mit Fokus auf den Bereich der Teleophthalmologie und der Store-and-Forward-Modalität für die wichtigen Anwendungsfälle des Screenings und des Telemonitorings. Hierfür wurde eine Literaturrecherche in Englischer Sprache zu allgemeinen Gesundheitsdatenstandards mit den Suchbegriffen «Telemedizin», «Telegesundheit», «Datenaustausch», «Teleophthalmologie», «Tele-Ophthalmologie» und «Datenstandards» in den Publikationsdatenbanken Medline, PubMed und Google Scholar durchgeführt. Berücksichtigt wurden bei der Analyse wissenschaftliche Publikationen ab dem Jahr 2010. Die ermittelten Standards wurden auf ihren zugehörigen Hersteller-Websites weiter analysiert und mit Fokus auf «ophthalmologische oder augenbezogene Szenarien» weiter untersucht, um spezifische Ergebnisse für den Bereich der Augenheilkunde zu identifizieren sowie Anwendungsfälle zum Austausch der für die Remote-Analyse von Augenbildern erforderlichen medizinischen Informationen zu erläutern. Die Ergebnisse wurden wie folgt strukturiert: Jeder ermittelte Standard besteht aus einer allgemeinen Erläuterung mit dessen Hauptzielen. Dann wird eine detailliertere Beschreibung des Standards für seinen Einsatz in der Teleophthalmologie erklärt. Schließlich wird kurz beschrieben, welche Rolle der Standard in Bezug auf die anderen Standards einnimmt, wie der Standard gewartet und weiterentwickelt wird.
Ergebnisse
Integrating the Healthcare Enterprise (IHE)
«Integrating the Healthcare Enterprise» (IHE) ist eine internationale gemeinnützige Initiative, die Prozess- und Umsetzungsrichtlinien für den klinischen Datenaustausch bereitstellt, mit dem allgemeinen Ziel, die technische und semantische Interoperabilität von beteiligten Informationssystemen im medizinischen Datenaustausch zu maximieren [10]. Zu den Mitgliedern der Organisationen gehören unter anderem Akteure des Gesundheitswesens und Hersteller von medizinischer Hard- und Software. Diese entwickeln gemeinsam Integrationsprofile, die als «Technical Frameworks» (technische Rahmenbedingungen) veröffentlicht werden. Für die Augenheilkunde gibt es eine eigene «Eye Care»-Domäne , in welcher IHE das «Eye Care Technical Framework» veröffentlicht. (Dieses Framework besteht in seiner aktuellen Version aus folgenden Integrationsprofilen: Charge Posting (CHG (Gebührenerhebung)), Eye Care Evidence Documents (ECED (Augenheilkunde – Evidenzdokumente)), Eye Care Displayable Report (ECDR (Augenheilkunde – benutzerlesbare Berichte)) und Unified Eye Care Workflow (U-EYECARE (vereinheitlichter Augenheilkunde-Workflow)).
Der Unified Eye Care Workflow [11] ist von besonderer Bedeutung, da er den klinischen Arbeitsablauf beim Austausch von grundlegenden Patientendaten beschreibt, durch den Kontinuität und Integrität in klinischen ophthalmologischen Szenarien erreicht werden soll. Allgemeines Ziel des Profils ist es, eine Struktur bereitzustellen, über die Akteure wie Picture Archiving and Communication Systems (Bildarchivierungs- und Kommunikationssysteme) (PACS; für die Speicherung, den Zugriff auf und die Anzeige der Bilder), elektronische Patientenaktensysteme (EHR; für klinische Informationen), medizinische Praxissysteme (PMR; für Informationen zur Planung und Abrechnung) und diagnostische Bildgebungs- und Testgeräte in der Augenheilkunde (z.B. Funduskameras, Spaltlampen) in klinischen Workflow-Szenarien der Augenheilkunde kommunizieren und interagieren sollten. Die Profile umfassen «reale Szenarien», die auf eine bestimmte Systemkonfiguration abzielen und wie folgt definiert sind: «EHR unterstützt die DICOM-Modality Worklist und kann in ein PACS integriert werden», «EHR unterstützt die DICOM-Modality Worklist, Bildspeicherung und -anzeige (kein PACS)» und «EHR implementiert nur HL7 (keine Unterstützung von DICOM) und kann in ein PACS integriert werden».
Über die Definition von Transaktionen legen diese Ansätze die detaillierte Auflistung und Beschreibung der erforderlichen Akteure und deren Kommunikation fest. Auf der Grundlage der genannten Szenarien [11] erhalten Softwareanbieter einen standardbasierten Ansatz, wie bestehende Standards, wie z.B. HL7 oder DICOM, eingesetzt werden müssen, um die im Profil festgelegten Kommunikationsanforderungen zu erfüllen und somit die Interoperabilität auf allen Ebenen zu gewährleisten. Mit dem laufenden 4-stufigen jährlichen Entwicklungszyklus der IHE (1. Definition von Anwendungsfällen klinischer und technischer Experten; 2. Von technischen Experten entwickelte Kommunikationsspezifikationen; 3. Von der Branche als IHE-Profile implementierte Spezifikation; 4. Anbieter-Systemtests auf Connectathons) und dem Domain-Komitee für «Eye Care» arbeitet die IHE kontinuierlich an der Verbesserung und Anpassung der technischen Rahmenbedingungen für die Augenheilkunde.
Health Level Seven (HL7)
Health Level Seven (HL7) bietet mehrere Gesundheitsdatenstandards für medizinische Informationen. Während der ältere Nachrichtenstandard V2 keine semantische Dynamik für den medizinischen Bereich aufweist [12], bietet HL7 V3 eine flexiblere Nachrichtenstruktur, die die Extensible Markup Language (XML) und das HL7 Reference Information Model (RIM) zur Darstellung generischer klinischer Begriffe verwendet. Das Design von HL7 V3 RIM folgt jedoch einem «Design-by-Constraint»-Ansatz, d.h. ein komplexes Informationsmodell (RIM) muss für den jeweiligen Zweck eingeschränkt werden (z.B. zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften). Generell ist V3 noch als Kommunikationsstandard auf Basis von Nachrichten konzipiert.
Im Gegensatz dazu wurde der jüngste HL7-Standard FHIR (Fast Healthcare Interoperable Resources – «Schnelle interoperable Ressourcen für das Gesundheitswesen») völlig neu gestaltet und entwickelte sich von einem starren Nachrichtenstandard zu einem Webservice-Standard, wobei er einem «Design-by-Addition»-Paradigma folgte [12, 13]. FHIR definiert «Ressourcen» als eindeutige, identifizierbare Strukturen für klinische Begriffe. (z.B. beschreibt der Ressourcen-CarePlan die geplante Therapie für einen bestimmten Patienten). Über die standardisierte RESTful-Webschnittstelle kann flexibel auf die Ressourcen (Datenelemente) zugegriffen werden. FHIR bietet Implementation Guides (IG), die beschreiben, wie FHIR-Ressourcen zur Lösung eines bestimmten klinischen Problems verwendet werden sollten.
Für spezifische augenbezogene Szenarien umfasst FHIR derzeit nur Ressourcen für VisionPrescription (zur Definition von Brillen und Kontaktlinsen für Patienten), arbeitet aber auch an einem IG für die Augenheilkunde (Ophthalmology Implementation Guide) [14]. Der aktuelle Vorschlag dieser IG umfasst 4 Hauptanwendungsfälle: (1) die grundlegende Darstellung von ophthalmologischen und zugehörigen klinischen und administrativen Datenelementen in FHIR (klinische Befunde, Diagnosen, Therapeutika); (2) den Datenaustausch zwischen der Diagnostik in der Augenheilkunde (z.B. OCT-Maschinen) und EHR/EMR; (3) den Datenaustausch zwischen den verschiedenen EMR unterschiedlicher Dienstleister in der Augenheilkunde (z.B. Datenaustausch in Bezug auf Patienten mit chronischen Erkrankungen, die von Optikern und Augenärzten gemeinsam verwaltet werden); (4) spezifische Szenarien: z.B. das Senden ausgewählter Datenelemente an ein Forschungsinstitut oder die Überweisung eines Patienten an eine klinische Studie.
Diese Ophthalmologie-IG ist von FHIR noch nicht freigegeben, da sich dieser noch in der Entwicklung befindet und derzeit nur in der Version 0.1.0 verfügbar ist. Der Implementation Guide wird also noch von häufigen Änderungen betroffen sein und sollte nicht produktiv eingesetzt werden. Im Allgemeinen repräsentiert HL7 FHIR einen zukunftsträchtigen und modernen Standard für den Austausch von Gesundheitsdaten und bietet sich durch entkoppelte und standardisierte Umsetzung über Webservice Technologien auch sehr gut für den Einsatz in teleophthalmologischen Anwendungen an.
Digitale Bildgebung und Kommunikation in der Medizin (DICOM – Digital Imaging and Communications in Medicine)
Der Standard der digitalen Bildgebung, Digital Imaging and Communications in Medicine (DICOM), ist für jedes bildgebende oder bearbeitende Verfahren in der Medizin unverzichtbar, z.B. für die Magnetresonanztomografie (MRT), die Computertomografie (CT) oder die OCT. Neben dem Dokumentenstandard zur strukturierten Speicherung medizinischer Bilder einschließlich aller notwendigen Meta-Informationen (z.B. Bildmaterial und vollständige Metadaten) bietet DICOM auch Methoden für die Kommunikation und den Austausch von Daten medizinischer Bilder. Für die Kommunikation zwischen Datenaustauschpartnern ist das DICOM Message Service Element (DIMSE) zuständig. Das Datenmodell trennt Informationen und Wissen, wie aus HL7 bekannt (Eigenschaften und Beziehungen medizinischer Begriffe dargestellt als Information Object Definitions, OIDs). Entsprechende Aktionen, mit denen OIDs verarbeitet werden können, werden als Service Elements (SE) bezeichnet. Da Aktionen wie das Abfragen von Bildern häufig benötigt werden, gruppiert DICOM gängige Sätze von SEs für OIDs in Service-Objekt-Paare (SOP). Die Modality Worklist ist dafür verantwortlich, bilderbezogene Untersuchungen anzufordern und zu organisieren, daher muss sie mit mehreren Komponenten wie EHRs, PACSs und RISs kommunizieren. Als Erweiterung ist DICOMWeb [15] eine standardisierte webbasierte RESTful-Schnittstelle für DICOM. Mit DICOMWeb ist es möglich, DICOM-Dokumente über Webschnittstellen zu suchen, zu empfangen, zu speichern und andere Aktionen auf DICOM-Bilder auszuführen. Als Antwort wird dabei eine strukturierte XML- oder JSON Nachricht übermittelt, die auch die zugehörigen DICOM-Bilder enthalten können. Die Abfragen können durch Parameter spezifiziert werden, z.B. ist es möglich, eine Reihe von DICOM-Bildern in einer bestimmten Größe und/oder einem bestimmten Dateiformat, je nach den Bedürfnissen der Benutzer, über die Webschnittstelle abzufragen (z.B. Bereitstellung einer JPG-Miniaturansicht eines Bildes).
Die American Academy of Ophthalmology empfiehlt die folgenden DICOM-Ergänzungen für die Augenheilkunde [16]: DICOM-Ergänzungen 5, 91, 110, 130, 143, 144, 146, 152, 168, 173, 197 und 1811. Die Verwendung von DICOM für Augenbilder kann als modernster Standard für die Verwaltung des Datenaustauschs in Bezug auf Bilder angesehen werden. Es gibt eine Arbeitsgruppe für Ophthalmologie im DICOM (WG-09), die an den entsprechenden Ergänzungen zur Augenheilkunde arbeitet. 4- bis 5-mal im Jahr werden DICOM-Aktualisierungen veröffentlicht. Die Mitglieder der Open Community sind stets eingeladen, ihre Änderungsvorschläge oder Vorschläge für neue Arbeitspunkte einzureichen.
Terminologien im Gesundheitswesen
Um medizinische Kenntnisse wie Diagnosen, Therapien, Medikamente, Symptome und viele andere Konzepte eindeutig zu identifizieren, ist es notwendig, anstelle von unstrukturiertem freiem Text ein spezifisches und umfassendes Vokabular zur Verfügung zu stellen. Daher gelten Terminologien im Gesundheitswesen als wesentliche Voraussetzung der semantischen Interoperabilität, da Software damit in der Lage ist, die strukturierte medizinische Dokumentation zu interpretieren und zu nutzen.
Die «Systematische Nomenklatur der Human- und Veterinärmedizin – Klinische Begriffe» (SNOMED-CT) [17] gilt mit derzeit etwa 350 000 standardisierten mehrsprachigen medizinischen Begriffen und etwa 1,3 Millionen Beziehungen als die umfangreichste Sammlung klinischer Begriffe. SNOMED-CT wird von der International Health Terminology Standards Development Organisation (IHTSDO) gepflegt, zur Verwendung in Produktiv-Systemen ist eine kostenpflichtige Lizenz erforderlich. Technisch ist sie als Ontologie strukturiert, stellt also eine Wissensdatenbank in Form einer Reihe von Begriffen (mit ihren Eigenschaften) und ihren Beziehungen dar. Jeder Begriff wird eindeutig identifiziert, und über Synonyme mit verwandten Begriffen verknüpft.
Neben SNOMED-CT gibt es eine Vielzahl von gesundheitsbezogenen Terminologien für verschiedene Anwendungsfälle, z.B. Logical Observation Identifiers Names and Codes (LOINC – «Logische Beobachtungs-Kennungen, Namen und Codes») für medizinische Verfahren, die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10 (ICD-10) für Diagnosen oder die RxNorm für Rezepte und Medikamente [18]. Seit Anfang 2022 ist der neue ICD-11-Standard verfügbar. Mit rund 135 000 Einträgen wird die ICD-11 (wie auch der Vorgänger ICD-10) zur Klassifizierung von Diagnosen verwendet und ist auch für die Vergütung klinischer Leistungen weit verbreitet. Das Unified Medical Language System (UMLS – vereinheitlichtes System der medizinischen Sprache) kombiniert mehrere kontrollierte medizinische Vokabelsysteme wie SNOMED-CT, ICD-10 und etwa 200 weitere in einer gemeinsamen Terminologie, um eine eindeutige ID für alle Konzepte bereitzustellen.
Informationsbezogene Standards wie FHIR verwenden Terminologien innerhalb ihrer Ressourcen als CodeableConcept-Ressource und verknüpfen so den zugehörigen Begriff mit der entsprechenden Terminologie-ID und OID.
In Bezug auf die Augenheilkunde bietet SNOMED-CT eine breite Palette von ophthalmologischen Begriffen (∼9500 Begriffe und ∼5200 Synonyme), die für Berichte, Metadaten oder jede andere Dokumentation verwendet werden, um z.B. Diagnosen, Verfahren und Medikamente in der Augenheilkunde strukturiert zu erfassen.
SNOMED International stellt als wichtigste Wartungsorganisation 2-mal im Jahr neue Terminologie-Veröffentlichungen mit neuen Begriffen und Beziehungen zur Verfügung.
Diskussion
Die Anpassung der Datenstandards für bestehende und potenzielle zukünftige Anwendungen in der Teleophthalmologie ist für einen nahtlosen und interoperablen Datenaustausch von entscheidender Bedeutung. Standards und Best Practices wie IHE, HL7 FHIR und DICOM und klinische Terminologien wie SNOMED-CT ermöglichen eine schnelle und dynamische Entwicklung, Integration und Wartung neuer teleophthalmologischer Komponenten, die in bestehende Infrastrukturen der Informationssysteme und Arbeitsabläufe integriert werden können. Darüber hinaus werden neue Möglichkeiten der Datenverarbeitung und der weiteren (automatischen) Analyse der bereitgestellten Daten geschaffen, z.B. als Service zur Analyse von Bildern nach bekannten Anomalien und Störungen (z.B. durch künstliche Intelligenz), der in bestehende Infrastrukturen integriert werden und alle technischen, regulatorischen und sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllen können. Weiterhin rationalisieren die flexiblen Datenstrukturen auch die dezentrale Datennutzung, die z.B. für die Nachbearbeitung des maschinellen Lernens, auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Lernens, erforderlich ist [19].
HL7 FHIR wird für den Datenaustausch in den informationsrelevanten Bereichen (Arbeitsabläufe unter Berücksichtigung patientenbezogener Daten wie Berichte, Studien usw.) verwendet und DICOM bzw. DICOMWeb für den Datenaustausch in bildrelevanten Bereichen (Verwaltung aller bildbezogenen Daten mit allen zugehörigen Metadaten und den zugehörigen Arbeitsabläufen wie der Nachbearbeitung). Das moderne Design dieser Standards mit deren modularen Datenstrukturen und dem flexiblen Zugriff über bekannte RESTful-Webschnittstellen macht sie zu idealen Standards für agil gesteuerte Entwicklungen, so auch im Bereich der Augenheilkunde, um z.B. die vorgeschlagenen Transaktionen aus dem IHE Unified Eye Care Workflow in eigenen Anwendungen umzusetzen. Für den Anwendungsfall der Remote-Analyse von Bildern eines Patientenauges in Kombination mit mobilen Bildaufnahmemodalitäten bieten die webbasierten Gesundheitsstandards mit ihren zugänglichen Terminologien ein wertvolles Werkzeug für neue Anwendungen und gewährleisten gleichzeitig die erforderliche Interoperabilität in der Kommunikation. In vergangenen Teleophthalmologie-Projekten war jedoch häufig eine mangelnde Integration des angedachten Workflows in der Teleophthalmologie festzustellen, da die Systeme oft nicht mit den bestehenden Prozessen vereint werden konnten: Zum Beispiel fehlen in SNOMED-CT nach wie vor Synonyme für ophthalmologische Begriffe, wodurch die aufwändige Suche nach den richtigen Codes während einer Behandlung erforderlich wird, was dann in weiterer Folge oft zur Verweigerung der Nutzung von SNOMED-CT bei Augenärzten führt oder die Terminologie als Workaround unvorteilhaft durch lokal gepflegte Listen erweitert wird [17]. Zukünftige Teleophthalmologie-Lösungen könnten vermehrt FHIR-Schnittstellen mit Workflow-Unterstützung (z.B. Verwendung von FHIR-Workflow-Ressourcen) zur komfortableren und flexibleren Datenintegration für klinische Informationen nutzen sowie DICOMWeb-Schnittstellen für die flexible Anforderung von Abfragen und die Bereitstellung von Bildern verwenden.
Um die Entwicklung zu koordinieren und Überschneidungen zwischen den Standards zu vermeiden, arbeiten die DICOM Joint Working Group WG-20: Integration of Imaging and Information Systems und die Imaging Integration Working Group (IIWG) von HL7 an dem gemeinsamen Ziel, die Verbindungen zwischen DICOM und FHIR zu optimieren und abzustimmen. Beispielsweise bezieht sich der Arbeitsablauf zur Bildgebung in FHIR auf klinische Informationen (unter Verwendung der ImageStudy-Ressource), jedoch nicht auf die Bilder. Zur Abfrage des Bildes/der Bilder stellt ImageStudy ferner einen weiteren Ressourcen-Endpunkt bereit, der aus einem Datenfeld für die Adresse besteht, die den DICOMWeb-Speicherpfad eines bestimmten Bildes für den Aufruf definieren kann. Der Endpunkt beinhaltet zusätzlich den Verbindungstyp, der z.B. aus einem dicom-wado-rs (Web-Zugriff auf DICOM-Objekte mit RESTful-Services) oder dicom-qido-rs (DICOM-Abfrage basierend auf IDs für DICOM-Objekte) oder jedem anderen zum Datenabruf genutzten Dienst bestehen kann.
Obwohl die Spezifikation von DICOM mit seinen Ergänzungen offen zugänglich und nutzbar ist, gibt es immer noch eine Lücke in der Bereitstellung eines obligatorischen bildbezogenen Standards für Software- und Hardwareanbieter in der Augenheilkunde. Das zeigt sich darin, dass sich Hersteller nach wie vor häufig DICOM mit herstellerspezifischen Schnittstellenformaten erweitern oder gänzlich proprietäre Schnittstellen entwickeln [20]: Die meisten Anbieter bewerben ihre bildgebende Hard- bzw. Software mit DICOM-Unterstützung, aber nur sehr wenige unterstützen die Spezifikation gemäß dem definierten Standard im richtigen Ausmaß, was die Interoperabilität in der Teleophthalmologie behindert. Wie aus mehreren Veröffentlichungen hervorgeht, gibt es eine starke Empfehlung von Experten an Anbieter von Augenheilkunde-Systemen, sich strikt an die Datenstandards zu halten und so einen Beitrag zu einer einheitlicheren Struktur und Förderung der Interoperabilität zu leisten [16, 20]. Aufgrund des raschen Fortschritts in der bildgebenden Hardware (z.B. moderne Kameras oder andere bildgebende Erfassungsmodalitäten mit besserer Bildqualität) und neuer Methoden in der softwarebasierten Verarbeitung (z.B. Cloud Computing, künstliche Intelligenz) müssen zukünftige Datenaustauschstandards in der Augenheilkunde auch mit möglichen neuen datenschutzrelevanten Aspekten umgehen können, beispielsweise bei der Verarbeitung von Augenbildern, die biometrische Daten darstellen und somit einen Patienten eindeutig identifizieren könnten. Aktuelle Standards wie FHIR oder DICOMWeb berücksichtigen nur den üblichen Datenschutz und Datenschutzaspekte sowie Websicherheitsmethoden in der Übertragung.
Im Bereich der Teleophthalmologie erfordern neue Technologien flexible Schnittstellen, die die Kommunikation und den Datenaustausch sowohl zwischen örtlich getrennten Gruppen, d.h. Arzt und Patient (oder Arzt und Arzt), als auch zwischen dem Arzt und den bildaufnehmenden Geräten (oder jedem anderen Diagnosegerät) ermöglichen. Grundlage für einen solchen Datenaustausch sind die webbasierten Standards HL7 FHIR und DICOMWeb. Obwohl die Standards zusammen mit IHE und medizinischen Terminologien die Erreichung der technischen und semantischen Interoperabilität unterstützen und ermöglichen, gibt es immer noch Lücken bei der Abbildung von Arbeitsabläufen in der Augenheilkunde in Verbindung mit Patienten-Anwendungsfällen in einem interoperablen Prozess.
Ziel dieses Beitrags war, einen Überblick über etablierte Datenaustauschstandards in der Teleophthalmologie und ihre zukünftige Ausrichtung zu geben. Dieser Überblick garantiert jedoch keine vollumfängliche Analyse und konzentriert sich auf die Store-and-Forward-Kommunikationsmodalität und den interoperablen Datenaustausch in der Augenheilkunde. Ähnliche Bereiche wie die Radiologie stützen sich oft auf ähnliche Konzepte mit geringfügigen Unterschieden. Diese könnten auch auf den Bereich der Augenheilkunde in Betracht gezogen werden, insbesondere bezüglich allgemeiner Themen wie z.B. Datenschutz und Sicherheit im medizinischen Datenaustausch.
Weitere Untersuchungen in diesem Bereich könnten sich mit den Nutzeranforderungen in der Teleophthalmologie mit Fokus auf prozessbezogene Anforderungen befassen.
Danksagungen
Diese Arbeit wurde vom Land Tirol im Rahmen des K-Regio-Programms (Projekt implEYE) unterstützt.
Lizenzangabe
Translation. Reprinted from Studies in Health Technology and Informatics, Vol 293: dHealth 2022; Schweitzer M, Steger B, Hoerbst A, Augustin M, Pfeifer B, Hausmann U, Baumgarten D: Data Exchange Standards in Teleophthalmology: Current and Future Developments. Stud Health Technol Inform 2022;293:270–277 (doi: 10.3233/SHTI220380) © 2022 The authors, AIT Austrian Institute of Technology and IOS Press, with permission from IOS Press. The publication is available at IOS Press through http://dx.doi.org/10.3233/SHTI220380.