Nachdem in den letzten Jahren die meisten augenärztlichen Kongresse aufgrund der Corona-Pandemie überwiegend digital und nicht vor Ort und in persona stattgefunden haben, finden dieses Jahr die meisten Kongresse wieder wie vor COVID-19 oder als Hybridveranstaltung statt. Dies galt 2022 bspw. für die DGII, die DOC, die DOG, aber auch für internationale Kongresse wie EuCornea, ESCRS und EuRetina. Während die zunehmende Digitalisierung solcher Veranstaltungen zu Zeiten der Lockdowns dazu führte, dass der CO2- und Feinstaub-Ausstoß massiv gesunken ist, sehen wir jetzt wieder eine Zunahme von Emissionen aufgrund erneuter Reiseaktivitäten mit Flugreisen und Privat-PKWs. Nach Einführung der 9-Eurotickets hatte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) – zugegeben etwas ungenau – geschätzt, dass ca. 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart wurden – angeblich deutlich effektiver als ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen auf 130 km/h, dafür aber zu Lasten von Sylt-Urlaubern, die sich mit nun mobil gewordenen Punkern herumschlagen mussten.
Die unterschiedlichen Kongressveranstalter bieten nun jeweils ganz unterschiedliche Kompensationsmöglichkeiten für Reiseemissionen und Klimawandel- bzw. umweltfreundliche Veranstaltungskonzepte an. Dies beinhaltet bspw., dass Trinkflaschen ausgegeben werden, um Plastikbecher zu sparen, Kongresstaschen gestrichen und gut sichtbar Behälter für die Mülltrennung aufgestellt werden. Auch die DOG kennzeichnete bei der diesjährigen Jahresversammlung in Berlin klimafreundliche Messestände, Prospekte und Materialien mit dem «DOG-pura»-Logo, um den Kongressteilnehmern eine Orientierung zu bieten.
Zotova et al. schreiben zu dieser Thematik in einem Kommentar in Lancet, dass « (…) das Umweltprofil medizinischer Konferenzen mit Tausenden von kohlenstoffintensiven Flügen, Hotelaufenthalten, Einwegartikeln sowie Lebensmittel- und Plastikabfällen katastrophal ist» [1]. Ausgehend von einer durch die Arbeitsgruppe Zotova durchgeführte Studie wurden folgende Überlegungen aufgestellt, die bei Planung eines nachhaltigen Events erfüllt werden sollten und die erstaunlich einfach die Emissionen senken und die Umweltfreundlichkeit eines medizinischen Kongresses steigern können: (1) Muss die Veranstaltung wirklich persönlich stattfinden oder kann diese virtuell organisiert werden? (2) Es sollte innerhalb des Organisationsteams eine Gruppe eingerichtet werden, deren Aufgabe es ist, sich auf die Nachhaltigkeit der Veranstaltung zu konzentrieren und umweltfreundliche Optionen aufzustellen und umzusetzen. Hierfür sind laut Zotova et al. keine Vorkenntnisse erforderlich, sondern lediglich systematisches Denken und ein evidenzbasierter Ansatz. (3) Frühzeitig sollten dabei in der Planungsphase realistische, aber ehrgeizige Umweltziele für die Veranstaltung formuliert werden.
Vor diesem Hintergrund war es erstaunlich, dass bei manchen internationalen Kongressen zwar wiederverwendbare Flaschen zur Verfügung standen, aber dennoch Berge an Plastik- und Pappbechern ausgegeben wurden. Zu diskutieren ist außerdem auch die Rolle der Industrie als Sponsor großer Kongresse, die für diese natürlich attraktiver und einer finanziellen Unterstützung zugänglicher sind, wenn sie «in Echt» und mit einer großen Industrieausstellung inklusive vieler Vor-Ort-Kontakte stattfinden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es bisher viele Konzepte gibt, um die Klimafreundlichkeit nationaler und internationaler Kongresse zu steigern, dass dies aufgrund von Flugreisen aber insbesondere bei internationalen Kongressen schwierig ist.
Zu begrüßen sind Konzepte wie die DOG pura, die vor Ort das Handlungsbewusstsein der Einzelnen steigert und durch DOG-Zugtickets ein ökologischeres Reisen ermöglicht.