Zusammenfassung
In vielen laufenden Studien zu Gentherapien in der Augenheilkunde werden Adeno-assoziierte Viren oder Lentiviren als Vektoren benutzt. Allerdings können diese Vektoren die Retina aufgrund der relativ impermeablen epiretinalen Membran schlecht durchdringen, weswegen das Gen-Therapeutikum vorzugsweise subretinal injiziert wird. Ziel der vorliegenden Studie war es, die subretinale Applikation des AAV-REP1-Gentherapeutikums, bestehend aus einem genetischen Vektor, der auf das Rab-Escort-Protein-1 (REP-1) codierende Gen abzielt (AAV-REP1), mithilfe der Mikroskop-intregrierten Optischen Kohärenztomographie (MI-OCT) durchzuführen.
Transfer in die Praxis von PD Dr. Sebastian Siebelmann (Köln)
Hintergrund
Die Gentherapie erhält mehr und mehr Einzug in die Augenheilkunde, insbesondere im Bereich der Therapie von retinalen und choroidalen Erkrankungen [1]. Mit dem Präparat Luxturna® (Voretigene Neparvovec-rzyl) erhielt im Dezember 2017 die erste, direkt applizierbare, Vektor-vermittelte Gentherapie in den Vereinigten Staaten eine Zulassung der Food and Drug Administration (FDA) [2]. Diese dient zur Behandlung der biallelischen RPE65-Mutation, von der allein ca. 1000 bis 2000 Patienten in den USA betroffen sind. Dabei sollte das Therapeutikum ausschließlich bei Patienten eingesetzt werden, die noch lebendige Zellen im retinalen Pigmentepithel (RPE) besitzen. Der Vektor wird, um das lebendige retinale Pigmentepithel zu erreichen, technisch sehr anspruchsvoll subretinal injiziert.
Im Rahmen einer Phase-2-Studie, wurde nun in der hier vorgestellten Publikation ein weiteres Gen-Therapeutikum, bestehend aus einem genetischen Vektor, der auf das Rab-Escort-Protein-1 (REP-1) codierende Gen abzielt (AAV-REP1), angewendet [3]. Das Therapeutikum wird ähnlich anspruchsvoll wie auch Luxturna subretinal injiziert. Es soll bei Patienten, die an einer Choroideremie leiden, das betroffene Gen so modifizieren, dass wieder ein funktionales Protein hergestellt werden kann. Bei vorliegender REP-1 Mutation akkumuliert das kodierte, defekte Protein und führt zum Zelltod. Inzwischen wird bereits mit demselben Zielgen eine Phase-3-Studie bei der Choroideremie durchgeführt (NCT03496012). Ziel der hier vorgestellten Studie war es, die subretinale Applikation des AAV-REP1-Gentherapeutikums mithilfe der Mikroskop-intregrierten Optischen Kohärenztomographie (MI-OCT) durchzuführen (vgl. Infobox intraoperative Optische Kohärenztomographie).
Studienergebnisse
Die subretinale Injektion des Gentherapeutikums konnte erfolgreich bei allen 5 ausgewerteten Patienten durchgeführt werden. OCT-gesteuert wurde zunächst als Vorbereitung auf die spätere Injektion mit BSS-Puffer eine kleine, subretinale Blase generiert. Die Netzhaut wurde also an dieser Stelle artifiziell abgehoben, was laut den Autoren aufgrund der ausgeprägten Atrophie sehr schwierig bei Patienten mit Choroideremie ist und oftmals mehrerer Injektionsversuche bedarf. Der Operateur konnte anschließend mittels OCT die Abhebung der Neuroretina lokalisieren, die Position der Injektionskanüle darstellen und sowohl die korrekte Injektion als auch die subretinale Ausbreitung des Therapeutikums in Echtzeit verfolgen. Somit konnte die korrekte Applikation des Vektors bestätigt werden und sogar bei 3 Patienten die inkorrekte suprachoroidale Injektion verhindert werden. Darüber hinaus konnte die Stelle der ersten Retinotomie zur BSS-Injektion mittels MI-OCT aufgesucht werden und dieselbe Stelle für die Injektion des Vektors benutzt werden. Auf diese Weise kann einerseits verhindert werden, dass eine weitere Retinotomie durchgeführt werden muss, und andererseits, dass das Therapeutikum wieder in den Glaskörperraum abfließt. Größter Benefit dieser Technik war den Autoren nach die Möglichkeit den subretinalen Raum darzustellen, was ohne MI-OCT nicht möglich ist und das Risiko einer suprachoroidalen Injektion, insbesondere bei verdünntem Netzhaut- und Aderhautgewebe, erhöht. Weitere Vorteile dieser Technik waren, eine komplette Lösung des Glaskörpers zu bestätigen, bevor das Filament zur Injektion eingeführt wurde, und darüber hinaus die Entstehung eines Injektions-bedingten Makulaforamens frühzeitig zu erkennen.
Fazit für die Praxis
Die MI-OCT scheint inzwischen in der Praxis angekommen zu sein und entwickelt sich für bestimmte, noch sehr eng gesteckte Indikationen von einem «Nice to have»-Instrument, zu einem «Must have»-Instrument. Das Beispiel in der hier vorgestellten Studie zeigt, dass mittels MI-OCT eine retinale Gentherapie möglich ist, die vorher nicht unbedingt unmöglich, aber deutlich unpräziser und ggf. ineffektiver durchzuführen gewesen wäre. Wünschenswert wären hier integrierte Tools, die eine genaue Messung des Gewebes in Echtzeit ermöglichen. In Zukunft könnten weitere, neuartige Verfahren hinzukommen, bei denen die MI-OCT gar nicht mehr das innovative Element, sondern vielmehr das mehr und mehr etablierte Vehikel darstellt. Ähnliches konnten wir zuvor am vorderen Augenabschnitt bei der Therapie des akuten kornealen Hydrops bei Keratokonus beobachten [4].
Disclosure Statement
Keine finanzielle Interessen.