Die vorliegende Stellungnahme zum retinalen Venenverschluss (RVV) beschränkt sich explizit auf die Indikationsstellung und Behandlung der Visusverschlechterung infolge eines Makulaödems mit intravitrealen Medikamenten oder Laser. Die adäquate Betreuung von RVV-Patienten ist aufgrund der Datenfülle komplexer geworden. Deshalb hat die Makulakommission beschlossen, die Empfehlungen zur Behandlung des Makulaödems mittels Stellungnahmen zu aktualisieren und die umfassenderen Betreuungsempfehlungen bei RVV-Patienten in eine danach zu erstellenden AWMF-Leitlinie zu dokumentieren. Überschneidungen (z.B. Empfehlungen zu Kontrollintervallen) können dabei nicht gänzlich vermieden werden. Als Grundlage der Bewertung dient die Tabelle 1, auf die im Text verwiesen wird. Die dort aufgezählten Studien wurden nach einer systematischen Suche in Medline, sowie der Cochrane-Bibliothek ermittelt. Auswahlkriterien waren ein prospektives Design, eine Nachbeobachtungszeit von mindestens 6 Monaten, eine Gruppengröße von mindestens 10 Probanden und eine Aufzählung der meisten, in Tabelle 1 erfassten Parameter. Nicht berücksichtigt wurden chirurgische Studien, Behandlungsversuche mittels intravenöser Fibrinolyse, Studien zur isovolämischen Hämodilution und die gleichzeitige Gabe unterschiedlicher IVOM-Substanzen. Diese Behandlungskonzepte werden in der Leitlinie diskutiert werden. Im Langtext sollen die Kernaussagen erläutert und ergänzt werden. Dazu werden folgende Fragen zum Makulaödem bei RVV bearbeitet: 1. Kann man aus den Daten eine Behandlungsempfehlung für die Bevorzugung einer Substanzgruppe ableiten? 2. Kann man aus den Daten eine Behandlungsempfehlung für die Bevorzugung eines intravitrealen Medikamentes ableiten? 3. Gibt es eine Empfehlung für die Bevorzugung einer Behandlungsstrategie? 4. Gibt es Daten zur Umsetzung und Ergebnisse aus dem klinischen Alltag (Real-Life)? 5. Gibt es eine Behandlungsempfehlung für die Anwendung einer Lasertherapie? 6. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für zukünftige RVV-Studien?

Hintergrund

Als im April 2018 die Stellungnahme des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und der Retinologischen Gesellschaft zur intravitrealen Therapie des visusmindernden Makulaödems bei retinalem Venenverschluss (RVO) veröffentlicht wurde, war diese bereits mit Sehnsucht erwartet worden. Zu viel hatte sich getan auf einem heiß umkämpften Markt intravitreal applizierbarer Wirkstoffe, als dass die vorangegangene Stellungnahme von 2012 noch lange hätte Bestand haben können.

Voraussetzung für evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen sind allerdings immer auch entsprechende Daten, und diese brauchen Zeit. So liegen der aktuellen Stellungnahme eine ganze Reihe von «Schlüsselstudien» wie COMRADE-B und COMRADE-C, COMO, MARVEL-1, SCORE 2 und CRAVE zugrunde, deren Erkenntnisse bis dato richtungweisend sind [[1]].

Empfehlungen für Diagnostik und Therapie

Im Ergebnis wird dem Augenarzt eine praxisorientierte Anleitung zur adäquaten Diagnostik und erfolgreichen Therapie des Makulaödems bei RVO an die Hand gegeben, die alle wichtigen Aspekte der Behandlung dieses Krankheitsbildes berücksichtigt. Herausragendes Merkmal ist dabei die Betonung der Bedeutung einer möglichst lückenlosen Therapie des Makulaödems bei RVO. Ausgehend von einer ausreichenden Wirkdauer aktuell verfügbarer VEGF-Hemmer über etwa einen Monat wird daher empfohlen, bei weiterhin gegebener Indikation zur Behandlung mit intravitrealen Medikamenten (IVOM), nach initialer 3er-Serie innerhalb des ersten Behandlungsjahres jeweils eine erneute 3er-Serie in monatlichem Abstand anzuwenden. Dabei berücksichtigt die Stellungnahme auch sogenannte «Real Life»-Studien, die die Ergebnisse der großangelegten Untersuchungen ergänzen und zeigen, dass eine von den Empfehlungen abweichende, weniger intensive Therapie häufig zu schlechteren Ergebnissen führt. Und wer die klinische Realität der Behandlung eines RVO-assoziierten Makulaödems kennt, weiß, dass 9 Injektionen oder mehr im ersten Jahr tatsächlich keine Seltenheit sind (Abb. 1).

Fig. 1

Lückenlose Therapie und Follow-up sind für ein erfolgreiches Management venöser retinaler Gefäßverschlüsse von entscheidender Bedeutung. OCT-Darstellung eines Makulaödem-Rezidivs (a) und Befund nach erneuter IVOM (b).

Fig. 1

Lückenlose Therapie und Follow-up sind für ein erfolgreiches Management venöser retinaler Gefäßverschlüsse von entscheidender Bedeutung. OCT-Darstellung eines Makulaödem-Rezidivs (a) und Befund nach erneuter IVOM (b).

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Dabei bleibt die «Therapiefreiheit» des Augenarztes in der Wahl des Wirkstoffes grundsätzlich erhalten, denn offenbar zeigen die bisher verfügbaren VEGF-Hemmer bei RVO eine vergleichbare Wirkung, und ebenso darf eine primäre Steroid-IVOM erfolgen, allerdings unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen bzw. Nebenwirkungen wie Augeninnendruckerhöhung oder Kataraktbildung.

Eingeräumt wird zudem die Möglichkeit, Patienten im Anschluss an 2 initiale 3er-Serien mit anti-VEGF-Präparaten alternativ zum Pro-Re-nata (PRN)-Schema nach dem sogenannten Treat-and-Extend- oder Observe-and-Plan (O&P)-Schema zu behandeln, wenngleich zu «letztgenannten Schemata nur Expertenempfehlungen, aber keine Evidenz existiert».

Deutlich wird die Stellungnahme allerdings bei der Anwendung der fokalen Laserkoagulation zur Therapie des visusmindernden Makulaödems durch Venenastverschluss: Diese kann zwar sinnvoll sein, sollte aber «erst im Verlauf der Behandlung bei unzureichendem Erfolg der IVOM» angewendet werden.

Fazit für die Praxis

Mit der aktuellen Stellungnahme der Fachgesellschaften wird dem Augenarzt ein praxisnaher Leitfaden an die Seite gestellt, der bei der Diagnostik und Therapie von Patienten mit venösen retinalen Gefäßverschlüssen für ein größtmögliches Maß an Sicherheit und Klarheit sorgt. Dabei beschränkt sich die Stellungnahme ganz bewußt und «explizit auf die Indikationsstellung und Behandlung der Visusverschlechterung infolge eines Makulaödems mit intravitrealen Medikamenten oder Laser» und hat so bis dato nichts von ihrer Aktualität eingebüßt.

Doch schon jetzt lässt sich erahnen, dass mit der Einführung neuer Wirkstoffe zur intravitrealen Injektionstherapie auch die Behandlung venöser retinaler Gefäßverschlüsse zunehmend komplexer wird. So befinden sich derzeit gleich mehrere intravitreal applizierbare VEGF-Hemmer für unterschiedliche Indikationen in klinischer Erprobung, die deutlich länger wirksam sind und damit das Potential haben, auch die Paradigmen der Therapie venöser retinaler Gefäßverschlüsse grundlegend zu verändern. Die Weichen für eine immer lückenlosere Therapie der venösen retinalen Gefäßverschlüsse werden wohl bereits jetzt gestellt.

Lars-Olof Hattenbach received funding for research from Novartis (Switzerland) and personal fees (lecturing and consulting) and miscellaneous support (travel reimbursement and writing assistance) from Allergan (Ireland), Bayer HealthCare (Germany), Novartis (Switzerland) and Alimera Sciences (USA).

1.
Stellungnahme des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und der Retinologischen Gesellschaft: Intravitreale Therapie des visusmindernden Makulaödems bei retinalem Venenverschluss: Therapeutische Strategien. Stand 24.04. 2018, https://augeninfo.de/cms/fileadmin/stellungnahmen/Intravitreale_Therapie_des_visusmindernden_Makulaoedems_bei_retinalem_Venenverschluss_2018-04.pdf (Zugriff: 14.08.2019).
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