Abstract
Hintergrund: Eine Kataraktoperation bei Patienten mit Keratokonus mit oder ohne vorherige perforierende Keratoplastik (pKP) kann problematisch sein, weil die Auswahl der Intraokularlinse (IOL) und die Vorhersage des refraktiven Ergebnisses schwierig sind. Wir berichten hier über die Versorgung eines Patienten mit Keratokonus und früherer pKP auf einem Auge. Fallbericht: Ein 71-jähriger Patient hat bilateral eine Katarakt und einen fortgeschrittenen Keratokonus; im linken Auge wurde zuvor eine pKP vorgenommen. Präoperativ betrug die beste korrigierte Sehschärfe (Visus c. c.) im rechten Auge 20/150 bei -5,75 sph -9,75 cyl 72° und im linken Auge 20/40 bei -0,25 sph -5,0 cyl 50°. Am rechten Auge wurde eine Phakoemulsifikation mit Implantation einer sphärischen IOL vorgenommen, im linken Auge wurde eine torische IOL implantiert. Der postoperative Visus c. c. betrug im rechten Auge 20/80 bei +1,25 sph -3 cyl 65° und im linken Auge 20/25 bei -0,5 sph -3,25 cyl 80°. Schlussfolgerungen: Die Korrektur von Post-pKP-Astigmatismus und Katarakt mittels Phakoemulsifikation und Implantation einer torischen IOL kann eine effektive und sichere Behandlungsoption sein. Das refraktive Outcome nach einer Kataraktchirurgie bei Patienten mit fortgeschrittenem Keratokonus ist schon bei Verwendung von nichttorischen IOL schwierig vorherzusagen; Operateure sollten sich hier stets der verschiedenen Quellen biometrischer Fehler und deren möglicher Folgen bewusst sein.
Hintergrund
Der Keratokonus ist eine häufige ektatische Erkrankung der Cornea, die durch Ausdünnung und Vorwölbung der Hornhaut gekennzeichnet ist und zu irregulärem Astigmatismus und vermindertem Sehvermögen führt [1]. Die Krankheit tritt meist in der Pubertät erstmals auf, schreitet bis Ende 30 voran und stabilisiert sich dann [1]. Die Behandlung zielt darauf ab, das Sehvermögen wieder zu verbessern und das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten [1]. Im Frühstadium der Erkrankung werden die Patienten mit einer Brille oder harten Kontaktlinsen behandelt. Eine Cross-Linking-Behandlung mit Ultraviolett-A (UVA)-Strahlung und Riboflavin hat sich als wirksames Mittel erwiesen, um die Hornhaut zu stabilisieren und die weitere Progression zu verhindern. In fortgeschritteneren Stadien kann eine perforierende Keratoplastik (pKP) erforderlich werden [2,3]. Nach der pKP tritt häufig ein Hornhautastigmatismus (regulär oder irregulär) auf [4]. Auch bei klarem Transplantat kann der postoperative Astigmatismus die Sehfunktion einschränken. Bei starkem Astigmatismus und Anisometropie kann mit einer Brille nicht immer eine vollständige Korrektur erreicht werden. Kontaktlinsen können eine Option sein, aber die Unregelmäßigkeiten der Hornhaut können die Anpassung erschweren. Verschiedene chirurgische Ansätze sind erprobt worden, um den postoperativen Astigmatismus zu behandeln, doch er stellt nach wie vor eine Herausforderung dar [5,6,7]. Eine Kataraktoperation bei Patienten mit Keratokonus mit oder ohne vorherige pKP kann problematisch sein, weil die Auswahl der Intraokularlinse (IOL) und die Vorhersage des refraktiven Ergebnisses schwierig sind. Bei Patienten, bei denen sowohl ein Astigmatismus nach pKP als auch eine Katarakt vorliegen, haben einige kleine Studien über die Phakoemulsifikation und Implantation einer torischen IOL als alternative Behandlungsmöglichkeit berichtet [8,9,10]. In einem einseitigen Eingriff werden beide Defekte auf einmal korrigiert. Im vorliegenden Bericht wird die Versorgung eines Patienten mit Keratokonus und früherer pKP auf einem Auge und Katarakt auf beiden Augen beschrieben. Eine torische IOL wurde in das Auge mit Post-pKP-Astigmatismus implantiert, für das Auge mit fortgeschrittenem Keratokonus wurde eine sphärische IOL gewählt. Dieser Bericht enthält außerdem einen Überblick über die aktuelle Literatur zur Implantation torischer IOL nach pKP.
Fallbericht
Bei einem 71-jährigen Patienten mit bereits bekanntem Keratokonus wurde eine beidseitige Katarakt festgestellt (Abb. 1). Im linken Auge war aufgrund des Keratokonus eine pKP durchgeführt worden, als der Patient 25 Jahre alt war (Abb. 2). Am rechten Auge war bisher keine Operation durchgeführt worden. Da er Kontaktlinsen als unangenehm empfand, trug der Patient sowohl für die Nah- als auch für die Fernsicht eine Brille. Der Patient hatte eine transitorische ischämische Attacke in der Vorgeschichte und nahm Acetylsalicylsäure. Das rechte Auge zeigte einen fortgeschrittenen Keratokonus mit Vogt'schen Linien (Abb. 3) in der Cornea sowie eine mittelschwere nukleäre Alterskatarakt, jedoch keine weiteren pathologischen Veränderungen. Im linken Auge waren ein klares Hornhauttransplantat und eine mittelschwere nukleäre Alterskatarakt, jedoch keine weitere Pathologie zu erkennen. Zunächst wurde eine Operation nur des linken Auges geplant. Mehr als 1,5 Jahre später wurde auch das rechte Auge operiert. Vom Patienten wurde die Einwilligung nach Aufklärung eingeholt.
Linkes Auge mit vorheriger pKP
Präoperativ betrug die beste korrigierte Sehschärfe (Visus c. c.) 20/40 bei -0,25 sph -5,0 cyl 50°. Die Cornea zeigte einen regulären Astigmatismus (K1 44,5 D, K2 48,5 D, Astigmatismus 3,9 D) (Abb. 4) laut Hornhauttomografie mittels Scheimpflug-Bildgebung (Pentacam, Oculus, Deutschland). Die torische IOL AcrySof IQ Toric SN6AT8 (Alcon, USA), 22 D wurde mit Zielrefraktion -2,26 D implantiert. Die Zielrefraktion war hierbei so gewählt, dass sie dem stärker kurzsichtigen rechten Auge entsprechen sollte. Die Biometrie erfolgte mit dem IOLMaster (Carl Zeiss Meditec, Deutschland) unter Anwendung der Haigis-Formel. Die präoperative Markierung der Achse der torischen IOL erfolgte mit dem Patienten in aufrechter Position, um eine Fehlausrichtung infolge von Zyklotorsion zu vermeiden; hierzu wurde der RoboMarker (Surgilum, USA) verwendet. Die Phakoemulsifikation und Implantation wurden durch eine 2,2 mm lange limbale Inzision vorgenommen. 1 Tag nach dem Eingriff betrug der Visus c. c. 20/40 mit -2,0 cyl 90°. 5 Wochen postoperativ war der Visus c. c. bei 20/30 mit +0,5 sph -2,75 cyl 71°. 9 Monate postoperativ hatte sich der Visus c. c. weiter auf 20/25 bei -3,25 cyl 90° verbessert, und der Astigmatismus laut Scheimpflug-Hornhauttomografie war weiterhin regelmäßig (Abb. 5). 2 Jahre postoperativ betrug der Visus c. c. weiterhin 20/25 bei -0,5 sph -3,25 cyl 80°. Das sphärische Äquivalent 2 Jahre postoperativ wich lediglich um -0,135 D von der geplanten Zielrefraktion ab. Bei allen postoperativen Kontrollen verschob sich die Ausrichtung der torischen IOL gegenüber der Implantationsachse nur um 1° (von 139° auf 140°), und das Hornhauttransplantat blieb klar. Der Patient war mit dem visuellen Ergebnis vom ersten postoperativen Tag an sehr zufrieden.
Rechtes Auge mit fortgeschrittenem Keratokonus
Präoperativ betrug der Visus c. c. 20/150 bei -5,75 sph -9,75 cyl 72°, und die Hornhaut wies laut Scheimpflug-Hornhauttomografie einen unregelmäßigen Astigmatismus auf (K1 53 D, K2 57,7 D, Astigmatismus 4,7 D) (Abb. 6). Der Astigmatismus des rechten Auges wurde als zu unregelmäßig für die Implantation einer torischen IOL eingestuft, und die Kataraktoperation erfolgte mit der sphärischen IOL Acrysof Multipiece MN60MA (Alcon, USA), 5 D. Die Stärke der sphärischen IOL wurde mittels konventioneller Biometrie (IOLMaster) und Haigis-Formel ermittelt. 2 Monate postoperativ betrug der Visus c. c. 20/80 bei +1,25 sph -3 cyl 65°, sphärisches Äquivalent -0,25. Als Zielrefraktion war vor der Operation -2,33 D gewählt worden, der Patient war jedoch mit dem erzielten Ergebnis zufrieden. Er trägt weiterhin eine Brille für die Fernsicht; für die Nahsicht hingegen benötigt er keine Brille mehr.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Unser Patient zeigte eine Reduktion des Astigmatismus und eine Verbesserung des Visus c. c. nach Kataraktextraktion und Implantation einer torischen IOL im linken Auge, in dem Astigmatismus nach pKP vorlag; die IOL war rotationsstabil. Die Ergebnisse hatten über die Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren Bestand. Der Patient war mit dem visuellen Ergebnis sehr zufrieden, obwohl es uns nicht vollständig gelungen war, den Hornhautastigmatismus zu beseitigen (Restastigmatismus von -3,25 D). Der Restastigmatismus ist etwas überraschend, da die präoperative Scheimpflug-Bildgebung einen regelmäßigen Astigmatismus gezeigt hatte. Man muss jedoch bedenken, dass das Auge zuvor einer pKP unterzogen worden war, wodurch das Outcome möglicherweise schlechter vorhersehbar war.
Das in unserem Fall erzielte gute Behandlungsergebnis deckt sich mit dem Bild aus früheren Berichten [8,9,10]. Bisher wurden nur kleine Fallberichte und Fallserien veröffentlicht, die größte mit 22 Augen ist eine retrospektive Fallserie [8]. Ein häufiges Problem von torischen IOL ist die Rotationsstabilität. Eine postoperative Rotation um 10° reduziert die Astigmatismuskorrektur um 30%, eine Rotation um 20° schon um 60% [11]. In unserem Fall und in anderen Studien [8,9,10] erwies sich die torische IOL nach Implantation in einem Post-pKP-Auge als rotationsstabil. Ein weiteres Problem bei Kataraktoperationen ist der Verlust von Endothelzellen. In Augen mit früherer pKP ist der Verlust von Endothelzellen im Rahmen einer Kataraktoperation besonders ausgeprägt [12]. Im vorliegenden Fall führten wir weder prä- noch postoperativ eine Zählung der Endothelzellen durch, da dies in unserem Haus nicht zum Standardvorgehen gehört, jedoch zeigte das Hornhauttransplantat des Patienten auch 2 Jahre nach dem Eingriff keine Anzeichen von Dekompensation. Bei unserem Patienten war der Astigmatismus nach pKP regelmäßig, was oft nicht der Fall ist. Einer Studie zufolge liegt bei 72% der pKP-Patienten 12 Monate nach dem Eingriff ein unregelmäßiger Astigmatismus vor [13]. Ein unregelmäßiger Astigmatismus eignet sich nicht für die Korrektur mit einer torischen IOL [10]. Daher sollten torische IOL solchen pKP-Patienten vorbehalten bleiben, die einen überwiegend regelmäßigen Astigmatismus haben.
Im vorliegenden Fall waren im zweiten Auge - mit fortgeschrittenem Keratokonus und ohne pKP in der Vorgeschichte - nach der Kataraktextraktion und Implantation einer sphärischen IOL eine Reduktion des Astigmatismus und eine Verbesserung des Visus c. c. zu verzeichnen. Wir führen dies auf die chirurgischen Inzisionen zurück. Die Nachbeobachtungszeit betrug bei diesem Auge allerdings nur 2 Monate. Das sphärische Äquivalent wich bei der Nachuntersuchung um -2,08 D von der geplanten Zielrefraktion ab, aber der Patient war mit dem Behandlungsergebnis sehr zufrieden. Eine Kataraktoperation bei einem Patienten mit Keratokonus will gut geplant und sorgfältig durchdacht sein. Eine genaue Keratometrie ist hier schwierig, was zu Fehlern bei der Einschätzung der cornealen Brechkraft und entsprechenden Schwierigkeiten bei der Auswahl der IOL-Stärke führen kann [14,15,16]. Bei Augen mit Keratokonus kann man nicht davon ausgehen, dass der gemessene K-Wert unbedingt dem K-Wert an der Sichtachse entspricht oder dass der Effekt des Messfehlers für alle keratometrischen Werte gleich ist [16]. Typischerweise wird in Augen mit Keratokonus bei der konventionellen Biometrie (IOLMaster) die Hornhaut-Brechkraft über- und die IOL-Stärke unterschätzt, was zu postoperativer Hyperopie führt [16]. In Augen mit leichtem (Kmax < 48 D) bis mittelschwerem (Kmax = 48-55 D) Keratokonus sind diese Effekte in der Regel gering, und die Verwendung der mit dem IOLMaster ermittelten K-Werte führt zu akzeptablen refraktiven Ergebnissen [16].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Korrektur von Post-pKP-Astigmatismus und Katarakt mittels Phakoemulsifikation und Implantation einer torischen IOL eine effektive und sichere Behandlungsoption sein kann. Prospektive Studien mit größeren Kohorten sind erforderlich, um weiter abzuklären, welche Patienten von einer Behandlung mit torischen IOL profitieren können, und um die Wirksamkeit zu beurteilen. Das refraktive Outcome nach einer Kataraktchirurgie bei Patienten mit Keratokonus ist schon bei Verwendung von nichttorischen IOL schwierig vorherzusagen; Operateure sollten sich hier stets der verschiedenen Quellen biometrischer Fehler und deren möglicher Folgen bewusst sein.
Finanzierung
Diese Forschungsarbeit wurde vom schwedischen Staat («Vereinbarung über ärztliche Ausbildung und Forschung»; ALF-GBG-145921) und von der Göteborger Ärztegesellschaft GLS finanziert.
Beiträge der einzelnen Autoren
M.Z. führte die Kataraktoperationen durch. K.A. war maßgeblich an den prä- und postoperativen Untersuchungen beteiligt. Beide Autorinnen haben an der Erstellung des Manuskripts mitgewirkt. Beide Autorinnen haben die Endfassung des Manuskripts gelesen und freigegeben.
Genehmigung durch Ethikkommission und Einwilligung zur Teilnahme
Die ethische Genehmigung und Einwilligung wurden von der Regionalen Ethikkommission in Göteborg erteilt, Referenznummer Dnr 561-15.
Zustimmung zur Veröffentlichung
Vom Patienten wurde die schriftliche Zustimmung zur Veröffentlichung eingeholt.
Disclosure Statement
M.Z. ist Mitglied der Redaktion (BMC Ophthalmology), war aber nicht an der Verarbeitung dieses Manuskripts beteiligt. K.A. erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Lizenzangabe
Karin Allard, Madeleine Zetterberg: Toric IOL implantation in a patient with keratoconus and previous penetrating keratoplasty: a case report and review of the literature. BMC Ophthalmology 2018;18:215 (DOI: 10.1186/s1186/s12886-01 8-08 95-y). © The Author(s), 2018 (Übersetzung, Publisher's note gekürzt), lizensiert und CC BY 4.0 (www.creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).