Summary
Intraoral local anesthetics are widely used for performing painless dental treatments; however, in some cases, they may cause ocular complications such as meiosis, diplopia, nystagmus, ophthalmoplegia, ptosis, and amaurosis. Mostly, the symptoms disappear after several hours; rarely, they have a prolonged character. We describe the case of a 38-year-old young man who had reduced vision in the left eye 5 days after having received intraoral local anesthesia. A diagnosis of cilioretinal artery occlusion with optic disc swelling was made. Ten weeks later, the patient's visual acuity had increased to 20/20, and the swelling of the optic disc had subsided. Although various possible mechanisms for ocular complications after intraoral local anesthetic administration were suggested in the literature, the exact etiology remains unclear. In this case, inadvertent intravascular injection is believed to be the cause.
Transfer in die Praxis von Katja Göbel (Berlin)
Hintergrund
Eine lokale Anästhesie gehört mittlerweile zum Standard bei zahnärztlichen Behandlungen. Grundsätzlich wird die örtliche Betäubung sehr gut vertragen, Nebenwirkungen und Komplikationen darauf sind sehr selten. Die Häufigkeit schwerwiegender Komplikationen liegt bei unter 1 zu 1 000 000.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Schmerzen an der Einstichstelle, weniger häufig sind lokale Infektionen, Verletzung von Blutgefäßen und anhaltendes Taubheitsgefühl.
Zusätze im Lokalanästhetikum wie Adrenalin können ebenfalls unerwünschte Nebenwirkungen auslösen wie Kopfschmerzen, Herzrasen, Angstzustände, aber auch die Konservierungsstoffe, welche in der Anästhesielösung enthalten sind, können Überempfindlichkeitsreaktionen bis zum anaphylaktischen Schock auslösen.
Als ophthalmologische Komplikationen sind Meiosis, Diplopie, Nystagmus, Ophthalmoplegie, Ptosis und Amaurose beschrieben [1]. Die meisten der berichteten Komplikationen entstehen nach Block des Nervus maxillaris [2,] treten (fast) unmittelbar nach Injektion auf und persistieren für wenige Stunden. Fälle von kompletter Blindheit sind rar [3].
Falldarstellung
In dem hier kommentierten Artikel von Khattab et al. wird der Fall eines 38 Jahre alten Mannes dargestellt, welcher sich mit Sehverschlechterung auf dem linken Auge 5 Tage nach Lokalanästhesie für eine Zahnbehandlung in einer Augenabteilung vorstellte. Die Injektion war in den Oberkiefer links mit Articain Hydrochlorid und Epinephrin 1:100 000 erfolgt. Unmittelbar nach Injektion verspürte der Patient Kopfschmerzen sowie eine leichte Sehverschlechterung am linken Auge mit Wahrnehmung von «Sternen».
Bei einem Visus von 0,8 links (1,0 rechts), normalem Augeninnendruck und Motilität zeigte sich in der ophthalmoskopischen Untersuchung ein relativ afferentes Pupillendefizit links bei ansonsten regelrechten Vorderabschnittsbefunden. Funduskopisch fanden sich eine Papillenschwellung und Cotton-wool-Herde, in der OCT-Angiographie eine Minderperfusion im oberflächlichen und tiefen retinalen kapillären Plexus. Die Gesichtsfelduntersuchung erbrachte ein Zentralskotom links. Sämtliche, auch die am rechten Auge durchgeführten, Untersuchungen waren unauffällig.
Die weitere Allgemeinanamnese erbrachte keine Auffälligkeiten, insbesondere keine kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Migräne. Die durchgeführten weiteren Untersuchungen inklusive Blutbild und Leberfunktionstests waren unauffällig, es ergab sich auch kein Anhalt für eine Polyzytämie oder Thrombozytose.
Die ophthalmologische Diagnose eines zilioretinalen arteriellen Gefäßverschlusses mit Schwellung des Sehnervs wurde gestellt. Eine Fluoreszenzangiographie wurde auf Wunsch des Patienten bei Erstvorstellung nicht durchgeführt. Es erfolgte eine Prophylaxe-Therapie mit Acetylsalicylsäure sowie eine Überweisung an eine kardiologische Abteilung zur Abklärung des kardiovaskulären Risikos.
Nach 10 Wochen hatte sich die Sehschärfe auf 100% erholt, die Sehnervenschwellung war rückläufig; nach 3 Monaten ergab die ophthalmologische Kontrolluntersuchung inklusive Gesichtsfelduntersuchung vollständig unauffällige Befunde, die Sehnervenschwellung war ebenfalls vollständig rückläufig.
Diskussion
Das Vorhandensein einer zilioretinalen Arterie wurde erstmalig 1858 von Heinrich Müller [4] beschrieben. Eine zilioretinale Arterie hat definitionsgemäß keine sichtbare Verbindung zur Zentralarterie, wird gespeist aus dem ziliaren Kreislauf und ist eine Endarterie. In der Fluoreszenzangiographie füllt sie sich zeitgleich mit dem chorioidalen Kreislauf, d.h. früher als die Arterienäste der Zentralarterie [5]. Ein isolierter Verschluss der zilioretialen Arterie wurde zum ersten Mal 1896 von Camill Hirsch erläutert [6]. Bei einem Verschluss der Zentralarterie bei Vorhandensein eines zilioretinalen Gefäßes kommt es nicht zu einer vollständigen Erblindung, da der zentrale Netzhautbereich über die zilioretinale Arterie mit Blut aus dem ziliaren Kreislauf versorgt wird.
Im hier gezeigten Fall kam es zu einem Verschluss der zilioretinalen Arterie nach Lokalanästhesie mit Epinephrin. Das Epinephrin wirkt dem gefäßerweiternden Effekt des Lokalanästhetikums entgegen, reduziert somit die systemische Absorption und Toxizität und führt zu einer gewissen Blutarmut im OP-Gebiet.
Die zilioretialen Arterien sind aufgrund ihres geringeren Durchmessers allerdings - beispielsweise im Vergleich zur Zentralarterie - anfälliger auf die gefäßverengende Wirkung des Epinephrin . Weiterhin ist eine direkte Neurotoxizität als Nebenwirkung des Articain bekannt, verursacht durch eine Ischämie des Nervengewebes, resultierend aus einer Minderdurchblutung bei Gefäßverengung [7]. Als Mechanismen, wie das Lokalanästhestikum bei Zahnbehandlungen die Orbita erreicht, sind u.a. Diffusion, irrtümliche Injektion in ein arterielles oder venöses Gefäß sowie versehentliche Penetration der Injektionsnadel in die Orbita möglich.
Fazit für die Praxis
Eine Sehverschlechterung aufgrund eines arteriellen Verschlusses ist ein bekanntes Krankheitsbild in der augenärztlichen Sprechstunde. Neben einer ausführlichen ophthalmologischen und ophthalmoskopischen Untersuchung ist eine Anamnese inklusive Allgemeinanamnese mit Abfragen der (bekannten) kardiovaskulären Risiken notwendig. Das hier dargestellte Fallbeispiel zeigt eine zumindest nicht alltägliche Ursache für einen arteriellen Verschluss am Auge.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.