Zusammenfassung
Das diabetische Makulaödem (DMÖ) ist die häufigste Erblindungsursache bei Menschen im erwerbsfähigen Alter. In der vorliegenden Arbeit berichten wir über eine Patientin mit einem seit etwa 6 Jahren rezidivierenden DMÖ trotz verschiedener medizinischer und chirurgischer Therapien, das mit einer einzelnen intravitrealen Implantation eines lang wirksamen Fluocinolonacetonid-Implantats im rechten Auge erfolgreich behandelt wurde. Die Sehschärfe des betroffenen Auges betrug vor der Injektion 2/10 und die zentrale Makuladicke lag bei 488 µm. Nach der Behandlung mit dem intravitrealen Fluocinolonacetonid-haltigen Implantat zeigte sich am rechten Auge der Patientin eine Verbesserung der bestkorrigierten Sehschärfe auf 6/10 und ein Rückgang der zentralen Makuladicke auf 198 µm. Diese funktionellen und anatomischen Ergebnisse hatten über einen Nachbeobachtungszeitraum von mehr als 12 Monaten Bestand und es war ein akzeptables und beherrschbares Sicherheitsprofil zu beobachten. Die Ergebnisse zeigen, dass die intravitreale Implantation eines Fluocinolonacetonid-Implantats eine wirksame therapeutische Option bei DMÖ darstellt und bei der DMÖ-Behandlung in Erwägung gezogen werden sollte. Übersetzung aus Case Rep Ophthalmol 2017;8:465-474
Einleitung
Das diabetische Makulaödem (DMÖ) ist weltweit eine der häufigsten Ursachen von Sehverlust bei Patienten im erwerbsfähigen Alter [1]. Definitionsgemäß handelt es sich um eine abnorme Ansammlung extrakapillärer Flüssigkeit infolge eines Zusammenbruchs der Blut-Netzhautschranke, der durch eine vermehrte Bildung von Entzündungsmediatoren und vaskulären Permeabilitätsfaktoren sowie einen Verlust der endothelialen Tight Junctions verursacht wird [2,3]. Aufgrund der komplexen und multifaktoriellen Pathophysiologie und der Chronizität können ständige und zahlreiche Behandlungen erforderlich sein, um die Sehkraft zu erhalten.
Standardtherapie des DMÖ war in der Vergangenheit die fokale oder Grid-Laserkoagulation, die jedoch nur zu einem mäßigen Gewinn an Sehschärfe führte [4,5]. Die Behandlungsmöglichkeiten bei DMÖ entwickeln sich derzeit rasch und heute stehen zahlreiche therapeutische Alternativen zur Verfügung, um die Sehkraft der Patienten zu verbessern. Erstlinientherapie der Wahl bei DMÖ sind gegenwärtig Wirkstoffe, die gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (vascular endothelium growth factor, VEGF) gerichtet sind. Mehrere Studien haben gezeigt, dass häufige intravitreale Injektionen mit Anti-VEGF-Wirkstoffen bei DMÖ wirksamer waren als die Behandlung mittels Laserphotokoagulation [6,7,8]. Ein Großteil der Patienten spricht jedoch trotz häufiger Injektionen weiterhin nur schlecht auf Anti-VEGF-Wirkstoffe an. In den Phase-III-Studien (RISE und RIDE) zu Ranibizumab bei DMÖ lag der Anteil der Patienten, die nach 3 Behandlungsjahren mit 0,3 mg oder 0,5 mg Ranibizumab keine Verbesserung um 10 oder mehr Buchstaben erreichten, zwischen 30,4 und 43,2% [6]. Einer aktuellen Analyse von Protocol-I-Daten zufolge zeigten etwa 40% der Augen nach 12 Wochen ein suboptimales frühes Ansprechen (Verbesserung um weniger als 5 Buchstaben) und bei den meisten fielen die visuellen Ergebnisse nach 3 Behandlungsjahren suboptimal aus [9].
Intravitreale Corticosteroide wurden ebenfalls beurteilt. Dabei zeigte sich, dass sie den Visus wirksam verbessern und das DMÖ verringern, da sie neben den mit VEGF assoziierten Mechanismen auch auf andere inflammatorische Zytokine und Pathomechanismen wirken. Darüber hinaus können sie die Zahl der erforderlichen Injektionen verringern [10,11]. Zu den derzeit verfügbaren intravitrealen Corticosteroiden zur Behandlung von DMÖ gehören Triamcinolon (nicht zugelassen für DMÖ in Europa), Dexamethason (Ozurdex®; Allergan, Dublin, Irland) und Fluocinolonacetonid (FAc) (ILUVIEN®; Alimera Sciences, Alpharetta, GA, USA). Während der Behandlungseffekt von Dexamethasonimplantaten bis zu 6 Monate anhält, hat die Wirkung von FAc-Implantaten bis zu 3 Jahre Bestand [12]. Die FAME-Studie ergab, dass etwa ein Drittel (34%) der Patienten mit einem seit mindestens 3 Jahren bestehenden DMÖ, die mit einem FAc-0,2 μg/Tag-Implantat behandelt wurden, eine Verbesserung um 15 oder mehr Buchstaben erreichten im Vergleich zu 13,4% der mit dem Scheinmedikament behandelten Patienten [11].
In der vorliegenden Arbeit berichten wir über eine Patientin mit rezidivierendem DMÖ trotz verschiedener medikamentöser und chirurgischer Therapien, die nach einer einzelnen Behandlung mit einem intravitrealen Fluocinolonacetonid-Implantat ein anatomisches und funktionelles Ansprechen zeigte.
Fallbericht
Bei der Patientin handelte es sich um eine 61-jährige Frau kaukasischer Abstammung mit einem seit 25 Jahren bestehenden Diabetes mellitus Typ 2 und stets guter metabolischer Kontrolle (HbA1c < 7,5%). Im November 2004 wurde erstmals eine beginnende bilaterale diabetische Retinopathie festgestellt. Knapp 4 Jahre später war eine Verminderung des Sehvermögens (3/10 im rechten Auge und 4/10 im linken Auge) infolge eines zystoiden Makulaödems (ZMÖ) nachweisbar, das zu diesem Zeitpunkt mittels fokaler Argon-Grid-Laserkoagulation beider Augen behandelt wurde. Ihre bestkorrigierte Sehschärfe (best corrected visual acuity, BCVA) und das ZMÖ verbesserten sich nicht (Abb. 1). Anschließend erhielt die Patientin eine intravitreale Injektion von Triamcinolonacetonid in beide Augen, wodurch es zu einer Besserung des ZMÖ kam. Im Jahr 2010 wurde wegen einer proliferativen diabetischen Retinopathie eine panretinale Photokoagulation beider Augen begonnen.
OCT. Ausgedehntes bilaterales zystoides Makulaödem und subfoveale neurosensorische Retinaablösung nach Laserphotokoagulation (September 2009).
OCT. Ausgedehntes bilaterales zystoides Makulaödem und subfoveale neurosensorische Retinaablösung nach Laserphotokoagulation (September 2009).
Trotz guter Blutzuckereinstellung nahmen das DMÖ und die proliferative Retinopathie weiter zu und die BCVA verschlechterte sich. Im August 2011 kam es erneut zu einer Zunahme des DMÖ und einer BCVA-Verschlechterung (1/10 in beiden Augen). Sie erhielt mehrfache Triamcinolonacetonid-Injektionen in beiden Augen, unter denen ein partielles und vorübergehendes Ansprechen zu beobachten war (Abb. 2). Nach den intravitrealen Triamcinolon-Injektionen wurde ein Anstieg des Augeninnendrucks (AID) festgestellt.
a-f Vor den Injektionen (August 2011). a-d Retinographie und Fluoreszenzangiographie. Bilaterales ausgeprägtes diabetisches Makulaödem mit harten Exudaten im rechten Auge; es ist eine deutliche Narbenbildung infolge der panretinalen Photokoagulation erkennbar. e, f OCT. Ausgedehntes zystoides Makulaödem mit großen intraretinalen Zysten. g, h Nach intravitrealen Triamcinolon-Injektionen (Oktober 2011). OCT-Aufnahmen. Rechtes Auge mit wenigen Zysten und linkes Auge mit einer trockenen Makula.
a-f Vor den Injektionen (August 2011). a-d Retinographie und Fluoreszenzangiographie. Bilaterales ausgeprägtes diabetisches Makulaödem mit harten Exudaten im rechten Auge; es ist eine deutliche Narbenbildung infolge der panretinalen Photokoagulation erkennbar. e, f OCT. Ausgedehntes zystoides Makulaödem mit großen intraretinalen Zysten. g, h Nach intravitrealen Triamcinolon-Injektionen (Oktober 2011). OCT-Aufnahmen. Rechtes Auge mit wenigen Zysten und linkes Auge mit einer trockenen Makula.
Im November 2012 erfolgte eine Pars-plana-Vitrektomie des linken Auges kombiniert mit einer Phakoemulsifikation wegen Glaskörperblutung bzw. Kataraktentwicklung. Postoperativ wurde die Entwicklung einer zentralen Retinaatrophie (zentrale Foveadicke: 195 µm) und eine BCVA von 0,5/10 im linken Auge festgestellt, die während der Nachbeobachtungsphase stabil blieben. Am rechten Auge wurde ebenfalls eine Phakoemulsifikation wegen Kataraktentwicklung in Kombination mit einer intravitrealen Triamcinolon-Injektion durchgeführt. Postoperativ stieg die BCVA des rechten Auges auf 6/10 und die Makula wurde trocken.
Im September 2013 kam es zu einem ZMÖ-Rezidiv im rechten Auge und die BCVA fiel auf 2/10. Die Patientin erhielt eine Initialdosis von 3 intravitrealen Ranibizumab-Injektionen mit einem anschließenden Anstieg der BCVA auf 5/10; 4 Monate später trat jedoch erneut ein ZMÖ auf. Bis 2015 erfolgten abwechselnd intravitreale Injektionen von Ranibizumab und Triamcinolonacetonid in das rechte Auge, jedoch ohne dauerhafte funktionelle oder anatomische Ergebnisse.
Im September 2015 wurde der Patientin ein intravitreales FAc-Implantat in das rechte Auge eingesetzt, woraufhin es zu einer Rückbildung des ZMÖ (Rückgang der zentralen Foveadicke von 488 µm vor der Injektion auf 198 µm nach der Behandlung) und zu einem Anstieg der BCVA (von 2/10 auf 6/10 nach der Injektion) nach einem Monat kam. Diese Ergebnisse waren 12 Monate später weiterhin stabil (Abb. 3). In Tabelle 1 sind die am rechten Auge wegen DMÖ durchgeführten Behandlungen sowie ihre jeweiligen Ergebnisse von der Erstdiagnose der diabetischen Retinopathie bis heute zusammengefasst.
Übersicht über die am rechten Auge der Patientin durchgeführten Behandlungen des diabtischen Makulaödems

a OCT. Zystoides Makulaödem im rechten Auge vor Injektion des Fluocinolonacetonid-Implantats (Juli 2015). b OCT. Trockene Makula des rechten Auges einen Monat nach Behandlung mittels Fluocinolonacetonid-Implantat (Oktober 2015). c Darstellung des intravitrealen Fluocinolon-Implantats im rechten Auge der Patientin am Tag der Injektion. d Die Kurve zeigt die Änderung der bestkorrigierten Sehschärfe sowie der zentralen Makuladicke nach Injektion des Fluocinolonacetonid-Implantats.
a OCT. Zystoides Makulaödem im rechten Auge vor Injektion des Fluocinolonacetonid-Implantats (Juli 2015). b OCT. Trockene Makula des rechten Auges einen Monat nach Behandlung mittels Fluocinolonacetonid-Implantat (Oktober 2015). c Darstellung des intravitrealen Fluocinolon-Implantats im rechten Auge der Patientin am Tag der Injektion. d Die Kurve zeigt die Änderung der bestkorrigierten Sehschärfe sowie der zentralen Makuladicke nach Injektion des Fluocinolonacetonid-Implantats.
Im letzten Jahr traten interkurrente Erkrankungen des rechten Auges auf und wir beobachteten eine Glaskörperblutung nach hinterer Glaskörperabhebung, die sich spontan zurückbildete. Zur Verstärkung der panretinalen Photokoagulation erfolgte eine zusätzliche Laserbehandlung. Darüber hinaus stellten wir eine okuläre Hypertension im rechten Auge (max. AID = 27 mmHg) fest, die mit hypotensiven Augentropfen und selektiver Laser-Trabekuloplastik (SLT) wirksam kontrolliert wurde (Tab. 1), ohne dass es zu einer nachgewiesenen Sehnervschädigung kam.
Diskussion
Aufgrund seiner Chronizität und Persistenz kann das DMÖ eine therapeutische Herausforderung darstellen. Der möglicherweise beste Weg, eine DMÖ-Kontrolle zu erreichen, besteht in einer Kombination aus medikamentösen und operativen Verfahren. Die Anwendung eines intravitrealen FAc-Implantats, das über einen längeren Zeitraum niedrige Dosen eines Corticosteroids abgibt, ist indiziert zur Behandlung von Sehstörungen in Verbindung mit einem chronischen DMÖ, das auf verfügbare Therapien nur unzureichend anspricht. Zudem ist es die einzige verfügbare Therapie mit einem Therapieschema von nur einer einzigen Injektion mit einer Wirkdauer von bis zu 36 Monaten [11], was für eine geringere Belastung durch die Behandlung spricht.
Der vorgestellte Fall stellt für alle Ophthalmologen, die Patienten mit DMÖ behandeln, eine Herausforderung dar. Trotz guter metabolischer Kontrolle und verschiedener Behandlungen, darunter Laserbehandlungen und intravitreale Injektionen von Anti-VEGF-Wirkstoffen sowie kurzwirksamen Corticosteroiden, zeigte die Patientin ein unzureichendes Ansprechen und chronisches DMÖ über einen Zeitraum von etwa 6 Jahren sowie eine zunehmende Verschlechterung ihres Sehvermögens. Infolgedessen war eine andere Therapie erforderlich, da das rechte Auge als einziges über eine potenzielle Sehfunktion verfügte und eine anhaltende intraretinale Flüssigkeitsansammlung zu irreversiblen Schäden mit dadurch bedingtem dauerhaftem Sehverlust hätte führen können. Im vorliegenden Fall scheint die Umstellung auf ein intravitreales FAc-Implantat im rechten Auge eine ausgezeichnete therapeutische Wahl gewesen zu sein, unter der es zu einer raschen Rückbildung des ZMÖ und zu einem signifikanten Anstieg der BCVA nach Injektion des Implantats kam. Die Patientin blieb DMÖ-frei und erreichte ein gutes funktionelles Sehvermögen von 6/10 über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten, bei einem akzeptablen und beherrschbaren Sicherheitsprofil.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche klinische Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des FAc-Implantats bei Patienten durchgeführt, bei denen das DMÖ nur unzureichend auf die Laserbehandlung und intravitreal verabreichte Anti-VEGF-Wirkstoffe angesprochen hatte [13,14,15,16,17]. So wiesen beispielsweise Alfaqawi et al. [14] bei 25% ihrer Patienten nach 12 Monaten eine mittlere Verbesserung um +8 Buchstaben gegenüber dem Ausgangswert und eine Verbesserung um 15 oder mehr ETDRS-Buchstaben nach. Solche neu aufkommenden Evidenzen sind für Kliniker von zentraler Bedeutung und eine Rechtfertigung für die Anwendung des FAc-Implantats bei Patienten, die auf die Erstlinientherapie des DMÖ nicht angesprochen haben.
Darüber hinaus belegt dieser Fallbericht die potenzielle Wirksamkeit des intravitrealen FAc-Implantats unter den Bedingungen der klinischen Praxis und zeigt, dass es bei Patienten, die auf andere verfügbare Therapien nicht optimal ansprechen, in Betracht gezogen werden sollte. Insbesondere beobachteten wir in diesem Fall, dass eine vorherige Steroidresponse nach intravitrealer Gabe von Triamcinolon ein prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf das FAc-Implantat, einschließlich der AID-Outcomes der Patienten, war. Bereits vor Kurzem konnten Bailey et al. [18] zeigen, dass die notfallmäßige Anwendung von AID-senkenden Medikamenten oder ein AID-Anstieg über 30 mmHg nach einer Behandlung mit FAc häufiger bei Patienten berichtet wurde, bei denen in der Vorgeschichte AID-bezogene Ereignisse aufgetreten waren. In unserem Fall wurde die okulare Hypertension erfolgreich mittels SLT behandelt, was für eine mögliche Bedeutung der SLT als wenig invasive therapeutische Option für das Management von AID-Erhöhungen im Zusammenhang mit der FAc-Behandlung spricht.
Erklärung zu ethischen Konflikten
Die schriftliche Einwilligung der Patientin sowie die Genehmigung durch die Ethikkommission des Krankenhauses lagen vor.
Offenlegung
Die Autoren erklären keine Interessenkonflikte.