Zusammenfassung
Durch perforierende Keratoplastik (PK) wird oft ein starker Astigmatismus induziert, der häufig etwa 4 bis 6 Dioptrien beträgt. Je nach Wesen und Typologie des Astigmatismus können verschiedene Korrekturverfahren verwendet werden. Selektive Nahtentfernung, entspannende Inzisionen, Keilresektionen, Kompressionsnähte, photorefraktive Keratektomie und Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK) können Astigmatismus und Ametropie der Hornhaut reduzieren, gleichzeitig können sie jedoch auch eine Verringerung der Hornhautintegrität verursachen und zu einer Über- oder Unterkorrektur führen. Bei einem moderaten bis starken regulären Astigmatismus empfehlen die Autoren die Implantation einer multifokal-torischen Intraokularlinse (IOL) zur Erhaltung der Hornhautintegrität (insbesondere bei PK nach durch Herpeskeratitis verursachtem Hornhaut-Leukom). Wir beurteilten einen 45-jährigen Patienten, bei dem im Alter von 30 Jahren am linken Auge eine PK wegen eines durch Herpeskeratitis verursachten Hornhaut-Leukoms vorgenommen wurde, was zu einem starken Astigmatismus führte (7,50 dpt, Cyl. 5°). Der Patient wurde einer Phakoemulsifikation und Implantation einer angepassten multifokal-torischen IOL im linken Auge unterzogen. Die Korrektur eines PK-induzierten Restastigmatismus durch Implantation einer torischen IOL ist eine ausgezeichnete Wahl, muss aber in Bezug auf Patientenalter, Hornhautintegrität, Haltbarkeit des Transplantats und Operationsrisiko bewertet werden. Dies ist offenbar eine gut verträgliche therapeutische Wahl mit guten Ergebnissen.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Björn Bachmann, FEBO (Köln)
Hintergrund
Die Autoren Nuzzi und Monteu beschreiben anhand eines interessanten Fallberichtes die Versorgung von hohen Astigmatismen nach perforierender Keratoplastik mit torischen Intraokularlinsen (IOL). Bei den hohen Astigmatismen nach perforierender Keratoplastik handelt es sich um ein gängiges Problem, unter dem viele Patienten auch nach Entfernung der Hornhautfäden leiden. Diese Astigmatismen sind mit einer Brille nicht oder nur unzureichend auszugleichen. Die Höhe und Regularität des Astigmatsimus sind nicht zuletzt abhängig von der Hornhautsituation vor Keratoplastik, mit ungünstigeren Voraussetzungen durch z.B. periphere Hornhautverdünnung oder korneale Vaskularisation. Irreguläre Astigmatismen bedürfen häufig einer formstabilen Kontaktlinse oder gar Sklerallinse zum Astigmatismusausgleich. Reguläre Astigmatismen lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch mit einer Brille ausgleichen. Bei höherem regulärem Astigmatismus gibt es neben der Versorgung mit Kontaktlinsen verschiedene hornhautchirurgische Ansätze, den Astigmatismus zu reduzieren, allerding gibt es bei den meisten Verfahren ein gewisses Risiko, den vorher regulären Astigmatismus in einen irregulären Asigmatismus zu überführen. Darüber hinaus ist die Vorhersagbarkeit, was die resultierende Höhe des Zylinders angeht, bei hornhautchirurgischen Ansätzen wie z.B. der limbusparallelen Keratotomie gering [1].
Astigmatismusausgleich mit torischen IOL
Vor diesem Hintergrund scheint die Möglichkeit eines Zylinderausgleichs mit einer torischen IOL durchaus interessant, insbesondere wenn bereits eine behandlungsbedürftige Katarakt vorhanden ist. Allerdings ist zu beachten, dass die Transplantate nach Keratoplastik in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Hornhautpathologie eine begrenzte Lebensdauer von im Mittel ca. 9 Jahren besitzen, hierbei aber eine erhebliche Streubreite besteht. Über alle Indikationen gemittelt kommt es bei ca. 32% der Patienten nach 6 Jahren zu einem Transplantatversagen [2]. Sollte zum Zeitpunkt der dann notwendigen Re-Keratoplastik eine torische Hinterkammerlinse vorhanden sein, wird sie mit größter Wahrscheinlichkeit einen suffizienten Refraktionsausgleich nach der Re-Keratoplastik verhindern. Die Zylinderachse der Kunstlinse, die an der Krümmung des alten Transplantates ausgerichtet wurde, passt dann nicht mehr zu der Krümmungsachse des neuen Transplantates. Häufig bleibt dann nur die Explantation der torischen Hinterkammerlinse, was bei kapselsackimplantierten Linsen meist auch die Entfernung des Kapselsacks bedeutet.
Die torische Hinterkammerlinse ist bei Patienten nach perforierender Keratoplastik also immer nur eine Linse auf Zeit. Aus diesem Grund bietet sich als unkomplizierter alternativer Ort für die Implantation einer torischen IOL der Sulcus ciliaris an. In den Sulcus implantierte Linsen können unter Erhalt des Kapselsacks problemlos entfernt werden, wenn dies z.B. im Rahmen einer Re-Keratoplastik notwendig sein sollte. Nun sind aber die allermeisten torischen IOL für die Implantation in den Kapselsack und nicht in den Sulcus ciliaris ausgelegt. Es gibt jedoch die Möglichkeit, zusätzlich zu einer nicht-torischen kapselsackimplantierten Hinterkammerlinse eine additive sulkusfixierte Add-on-IOL in den Sulcus ciliaris zu implantieren. Diese kann die Restrefraktion inklusive Zylinder auch für sehr hohe Refraktionsfehler ausgleichen. Gleichzeitig lässt sich eine Add-on-IOL problemlos z.B. während der Re-Keratoplastik entfernen, ohne dass hierdurch ein zusätzliches Trauma entstünde. Nach entsprechender Heilungsphase und Fadenentfernung kann dann, falls notwendig, erneut eine Add-on-IOL auch nach Re-Keratoplastik in den Sulcus ciliaris implantiert werden.
Prinzipiell besteht bei Transplantatversagen mittlerweile aber auch die Möglichkeit, anstelle einer perforierenden Re-Keratoplastik eine posteriore lamelläre Keratoplastik, bevorzugt als Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty (DMEK), durchzuführen. Inwieweit hierdurch die «alte» Zylinderachse und -stärke vor dem Transplantatversagen erhalten bleiben und somit die «alte» torische Hinterkammerlinse nach der DMEK den cornealen Astigmatismus wieder suffizient ausgleichen kann, ist bislang unbekannt.
Fazit für die Praxis: Multifokallinse nach Keroplastik?
Die Autoren verwendeten in ihrem Fallbericht eine multifokale torische Hinterkammerlinse. Multifokale Optiken sollten bei Hornhautpathologien mit größter Zurückhaltung verwendet werden, da die bekannten Einschränkungen durch optische Phänomene der Multifokallinsen durch Trübungen im Hornhautbereich weiter verstärkt werden können. Die Sehleistung kann sich zudem bei einem beginnenden Transplantatversagen durch die multifokale Hinterkammerlinse rapide verschlechtern, was die vorzeitige Re-Keratoplastik bedingen würde.
Einschränkend muss bei der Versorgung mit einer Add-on-IOL beachtet werden, dass ein zeitlicher Abstand zur eigentlichen Kataraktoperation bestehen muss, da die Berechnung der Linse maßgeblich anhand der Restrefraktion erfolgt. Außerdem stellt die Add-on-IOL-Implantation keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen dar.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.