Primäre Tuberkulose der Konjunktiva kommt in den entwickelten Ländern sehr selten vor. In einem endemischen Land wie Indien sollte sie bei der Differentialdiagnose jeder ungewöhnlichen Konjunktiva-Läsion mit Unilateralität, Chronizität und nach Steroideinsatz nicht nachlassenden Symptomen in Betracht gezogen werden. Wir präsentieren den Fall einer 52-jährigen Frau, die sich mit einseitigem Juckreiz und verschwommener Sicht vorstellte, die seit 20 Tagen andauerten. Es lagen unregelmäßige noduläre erhöhte Bereiche mit Schrumpfung der unteren palpebralen Konjunktiva vor. Eine Biopsie der Läsion zeigte nekrotisierende ephiteloidzellige Granulome zusammen mit Riesenzellen vom Langhans-Typ. In der Ziehl-Neelsen-Färbung waren jedoch keine säurefesten Bakterien zu beobachten. Die systemische Untersuchung der Patientin war unauffällig und es gab keine Hinweise auf pulmonale Tuberkulose. Die mit Abschabeproben der Konjunktiva durchgeführte Polymerasekettenreaktion war positiv auf Mycobacterium tuberculosis. Es wurde eine Behandlung der Patientin mit Tuberkulose-Medikamenten eingeleitet. Wir stellen diesen sehr seltenen Fall einer primären Tuberkulose der Konjunktiva vor, die sich als trockenes Auges darstellt.

Hintergrund

Bei der Tuberkulose handelt es sich um eine weltweit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit, welche durch verschiedene Arten von Mycobacterien verursacht wird. Zu den obligat pathogenen Erregern gehören das Mycobacterium tuberculosis, das Mycobacterium bovis sowie das mycobacterium africanum.

Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit Tuberkuloseerregern infiziert. Die Tuberkulose führt die weltweite Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten an; laut Gobal Tuberculosis Report der WHO starben 2015 etwa 1,4 Millionen Menschen an ihr [1]. Die höchsten Inzidenzzahlen finden sich in Drittweltländern.

Die Übertragung erfolgt hauptsächlich als Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, wobei die Atemwege (M. tuberculosis) die wichtigste Eintrittspforte sind. Die Inkubationszeit beträgt ca. 6-8 Wochen. Bei Infektion immunkompetenter Menschen kommt es nur in 5%-10% der Fälle zu einer Erkrankung.

Die Erstbeschreibung einer okulären Tuberkulose (Irisläsion) stammt aus dem Jahr 1711 von Maitre-Jan [2], 1873 wurde der erste Fall einer Tuberkulose der Konjunktiva beschrieben [3]. Eine okuläre Manifestation der Tuberkulose ist selten und tritt nur bei etwa 1% der Fälle auf [4]. Bei etwa der Hälfte der Patienten findet sich ein Normalbefund im Röntgen-Thorax [5].

Bezüglich des Pathomechanismus einer okulären Tuberkulose unterscheidet man zwischen einer primären und einer sekundären Form. Bei der primären Form liegt eine aktive Form vor, hierbei stellt das Auge die initiale Eintrittspforte dar. Dabei kann der Tuberkulose-Erreger aber nicht aktiv in intaktes Bindehaut- oder Hornhautepithel eindringen, sondern gelangt durch bestehende Epitheldefekte in das Gewebe. Bei Vorhandensein einer chronischen Bindehautentzündung kann das Tuberkulosebakterium aber auch passiv innerhalb eines Phagozyten in subepitheliales Gewebe eindringen. Die primäre okuläre Tuberkulose manifestiert sich daher ausschließlich an der Bindehaut, der Hornhaut sowie den Adnexen.

Die häufigere Form ist die sekundäre Form. Hierbei wird der Tuberkuloseerreger durch eine hämatogene Erregeraussaat in das Auge transportiert. Ein weiterer Mechanismus ist eine Immunreaktion, die auf einer Hypersensitivität beruht, und das Auge betrifft.

Prinzipiell kann die Tuberkulose jedes okuläre Gewebe und die Orbita betreffen. Neben Manifestationen am Augenlid, der Konjunktiva oder der Hornhaut können z.B. auch eine tuberöse Skleritis, eine Neurotuberkulose mit Pupillenanomalien und Optikusneuropathien sowie intraokulare Entzündungen (tuberkuloseassoziierte Uveitis) auftreten.

Die Standardtherapie der aktiven Tuberkulose besteht nach Empfehlungen der WHO aus einer Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie mit Isoniazid und Rifampicin über weitere 4 Monate [6]. Bei okulärer Tuberkulose wird diskutiert, ob die Therapie für 9 Monate fortzuführen ist.

Falldarstellung

Die zugrundeliegende Veröffentlichung aus Indien beschreibt den Fall einer primären konjunktivalen Tuberkulose. Indien gehört zu den Ländern mit einer hohen Zahl an neu auftretenden Tuberkulosefällen - 60% aller Tuberkulosefälle verteilen sich auf nur 6 Länder, darunter Indien.

In diesem Fall handelt es sich um eine 52-jährige Lehrerin, welche über Rötung und Fremdkörpergefühl seit etwa 3 Wochen an einem Auge klagte. Bei ansonsten unauffälligen ophthalmologischen und ophthalmoskopischen Befunden zeigte sich lediglich eine irreguläre, noduläre Verdickung subtarsal einseitig mit Verziehungen der Konjunktiva. Auch Röntgen-Thorax und Blutuntersuchungen waren unauffällig. Die Anamnese ergab keinen zielführenden Hinweis. Eine durchgeführte Biopsie mit folgender histologischer Untersuchung zeigte fokale Ulzerationen, subepithelial multiple nekrotisierende epitheloidzellige Granulome sowie Riesenzellen vom Langhans-Typ.

An einem Abkratzpräparat der Konjunktiva erfolgte eine Untersuchung mittels Polymerase-Kettenreaktion und war positiv für Mycobacterium tuberculosis. Unter einer antituberkulösen Therapie zeigte sich eine Regredienz der Befunde sowie der Beschwerden.

Fazit für die Praxis

Nachdem die Tuberkuloseerkrankung in Deutschland in den letzten Jahren stagnierte, zeigt sich seit dem Jahr 2013 ein leichter, seit 2015 ein deutlicher Anstieg der Zahl der Tuberkuloseerkrankten in Deutschland. Im «Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2015» des Robert Koch Insituts [7] ist verzeichnet, dass im Jahr 2015 insgesamt 5865 Tuberkulosefälle neu registriert wurden. Das entspricht einer Inzidenz von 7,3 auf 100 000 Einwohner. Damit liegen die Fallzahlen 29% höher als 2014. Hauptsächlich sind männliche (70,1% vs. weiblich 29,9%) Erwachsene (96,7 % vs. Kinder 3,3%) betroffen. 65,9% davon sind ausländische Staatsangehörige (vs. 34,1% deutsche Staatsangehörige) bzw. 72,1% im Ausland geboren. Bei den betroffenen Organsystemen steht mit 77,3% die Lungentuberkulose an erster Stelle (22,7% extrapulmonal), davon gehören 75,9% der offenen Tuberkulose an.

Ein weiteres Problem ist die ansteigende Zahl der Antibiotika-resistenten Tuberkulose, was eine zusätzliche, zunehmende Herausforderung ist.

Die Wahrscheinlichkeit, in unserer ophthalmologischen Praxis mit Patienten mit einer pulmonalen oder extrapulmonalen Tuberkulose in Berührung zu kommen, steigt zunehmend an. Daher ist es von immer größerer Notwendigkeit, auch an eine okuläre Tuberkulose zu denken und eine entsprechende Diagnostik durchzuführen, um eine effizi- ente Therapie einleiten zu können.

Disclosure Statement

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenkonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

1.
World Health Oragnization: Global tuberculosis report 2015. apps.who.int/iris/bitstream/10665/191102/1/9789241565059_eng.pdf (Zuletzt abgerufen: 31.08.2017).
2.
Maitre-Jan A: Traité des maladies de l'œil et des remedes propres pour leur guerison: enrichi d'expériences de physique. Troyes, Jacques le Febvre, 1707,456.
3.
Goldfarb AA, Seltzer I: Primary tuberculosis of the conjunctiva. Am J Dis Child 1946;72:211-215.
4.
Bouza E, Merino P, Muñoz P, et al.: Ocular tuberculosis. A prospective study in a general hospital. Medicine (Baltimore) 1997;76:53-61.
5.
Helm CJ, Holland GN: Ocular tuberculosis. Surv Ophthalmol 1993:38: 229-256.
6.
Jakob E, Max R, Mackensen F: Okuläre Tuberkulose - Diagnostik und Therapie. Z prakt Augenheilkd 2009;30:509-522.
7.
Robert Koch Institut: Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2015. www.rki.de/tuberkulose (letzter Abruf: 31.08.2017).
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