Zusammenfassung
Neurothekeome (NTK) sind benigne kutane Neoplasien fibrohistiozytischen Ursprungs und treten am häufigsten an Kopf, Hals und oberen Extremitäten auf. Traditionell wurden NTK und Nervenscheidenmyxome (NSM) als Subtypen einer einzigen Neoplasie mit gemeinsamer Histogenese klassifiziert, doch kürzlich konnte mittels Immunfärbung gezeigt werden, dass die Läsionen höchstwahrscheinlich unterschiedlichen zellulären Ursprungs sind. In seltenen Fällen wurde ein Auftreten von NTK in den okulären Adnexen dokumentiert. Der vorliegende Fall einer 39-jährigen Frau ist der erste, bei dem ein in der Hornhaut entstandenes zelluläres NTK beschrieben wird, das einer Salzmannschen nodulären Degeneration ähnelt. Der vorliegende Bericht beschreibt den klinischen und pathologischen Befund der Patientin, diskutiert die Veränderungen in der Klassifizierung dieser seltenen Neoplasien vor dem Hintergrund der Fortschritte in der Immunhistochemie und betrachtet alle in der Literatur zu findenden Fälle okulärer NTK.
Transfer in die Praxis von PD Dr. Stephan J. Linke (Hamburg)
Hintergrund
Superfiziell noduläre Veränderungen der Hornhaut (Abb. 1a, b) haben ein breites differentialdiagnostisches Spektrum. Häufigste Ursache ist die durch Maximilian Salzmann 1925 erstmals beschriebene «Abart der knötchenförmigen Hornhautdystrophie» [1]. Diese und ihre ätiologische Genese wird aktuell diskutiert. Als mögliche Differentialdiagnosen kommen eine Post-Keratitis-Narbe, eine Keratitis marginalis, eine Limbus-Stammzellinsuffizienz, eine Hornhaut-Bandkeratopathie oder (sehr) seltene Erkrankungen wie die in dem hier geschilderten Fall in Frage.
a Salzmann noduläre Dystrophie, Spaltlampenphoto, b Vorderabschnitt OCT-Befund.
Studienergebnisse
Vorgestellt wird eine 39-jährige Frau mit einer weißen Läsion der Hornhaut am linken Auge. Aufgrund der Erstdiagnose einer Keratitis durch einen Optometristen wurde initial mit Tobradex und Lotemax therapiert. Schmerz, Irritation, vermehrte Lichtempfindlichkeit oder eine Veränderung der Sehstärke wurden nicht berichtet. Kontaktlinsen wurden problemlos getragen und toleriert. Drei Monate später erfolgte eine Vorstellung zur Mitbeurteilung bei einem Hornhautspezialisten. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Sehstärke korrigiert 0,4; spaltlampenmikroskopisch war eine weiße, durchsichtige Pannus-artige Erhabenheit in der oberen mittleren Peripherie zwischen 10:00 und 2:00 Uhr vorhanden. Die umgebende Sklera und Konjunktiva waren reizfrei und ruhig (Spaltampenfoto leider nicht verfügbar - persönliche Mitteilung H.E. Grossniklaus'). Aufgrund der Morphologie und des ruhigen Zustands wurde präoperativ die Arbeitsdiagnose «Salzmann noduläre Degeneration» gestellt. Die im Rahmen der lamellären Keratektomie entnommene Probe wurde in die Pathologie gesendet. Histologisch wurden zelluläre, aus Lobuli und Nestern epitheloider Zellen bestehende Proliferationen gesichtet, die vorwiegend in Zellschichten arrangiert waren. Immunhistochemische Färbungen waren positiv für den Mikrophthalmie-Transkriptionsfaktor (MITF) sowie für CD68, CD10, NSE, SMA, HAM56 und negativ für S100, MelanA, HMB45, Desmin, CK7, CK20, EMA, CD34 und CD1a. Diese Färbecharakteristika sind typisch für ein zelluläres Neurothekeom. Die Sehstärke der Patientin betrug eine Woche nach Exzision erfreulicherweise 0,8, und im 3-Monats-Beobachtungszeitraum trat kein Rezidiv auf.
Fazit für die Praxis
Noduläre Veränderungen der Hornhaut können zu Irritation, Irregularisierung der Hornhaut und schließlich zu Sehverschlechterung mit begleitender Hyperopisierung führen. Das therapeutische Vorgehen ist unumstritten und besteht aus einer Kombinationstherapie aus Alkoholabrasio, manuell superfizieller Keratektomie (Bowman-Membran als Leitschiene), gegebenenfalls der Anwendung einer therapeutischen Excimer-Laserbehandlung zur Glättung der Oberfläche und der intraoperativen Anwendung von Mitomycin C [2,3,4,5,6]. Der hier geschilderte Fall ist eine absolute Rarität - bisher wurden in der Literatur nur 11 Fälle eines okulären Neurothekeoms beschrieben [7]. Selbst der Begriff «Neurothekeom» ist nach Fetsch et al. [8] irreführend und sollte eher durch den deskriptiven Terminus «superfiziell mikronoduläres (Myo/Myxo) Fibroblastom» ersetzt werden. Dies wiederum bestärkt auch die differentialdiagnostische Nähe zu den «Salzmännern». Die Differenzierung zwischen Salzmannscher nodulärer Degeneration und Dystrophie ist umstritten [9]. Aufgrund dieser Entwicklungen und des vorliegenden Fallberichtes ist eine histologische Aufarbeitung des exzidierten Materials sinnvoll.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.