Ziel: Beschreibung der ophthalmologischen und histopathologischen Merkmale einer Frau mit granulomatösem variablem Immundefekt (common variable immunodeficiency, CVID), die sich wegen einer Schwellung des Oberlids vorstellte. Maßnahmen: Bei der Patientin wurde eine Biopsie des Oberlids und der palpebralen Tränendrüse rechts durchgeführt; die Bildgebung zeigte eine linksseitige nasopharyngeale Raumforderung, mehrere Lymphknoten im Mediastinum, bilaterale pulmonale Noduli und einen peritonealen Nodulus in der rechten Fossa iliaca. Die Schwellung des rechten Oberlids nahm zu und wurde erneut biopsiert. Ergebnisse: Die erste Oberlid-Biopsie ergab ein diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL); die Diagnose wurde durch klonales IgH-Gen-Rearrangement mittels PCR gesichert. Im Hinblick auf die nasopharyngeale Raumforderung und Lymphknoten wurde klinisch der Verdacht auf DLBCL erhoben. Die Biopsie der nasopharyngealen Raumforderung ergab jedoch ein Kaposi-Sarkom (KS). Die zweite Biopsie des Oberlids und der palpebralen Tränendrüse rechts ergab KS ohne Hinweise auf DLBCL. Schlussfolgerung: Dies ist der erste dokumentierte Fall eines periokulären/orbitalen metachronen DLBCL und KS bei einem Patienten mit granulomatösem CVID. Wir diskutieren die Rolle der fluktuierenden Immunität bei CVID, um die spontane Regression des DLBCL und das variierende klinische Bild zu erklären.

Hintergrund

Im Rahmen eines defizienten Immunsystems können vielfältige ophthalmologische Symptome und Erkrankungen auftreten. Dabei sind sowohl opportunistische Infektionen als auch Neoplasien von Bedeutung. Weiterhin können Kombinationen aus beiden auftreten (infektiös induzierte Neoplasien). Die weltweit häufigste Ursache für eine Immundefizienz ist die HIV-Infektion. Durch die verbesserte Therapierbarkeit ist die epidemiologische Bedeutung von opportunistischen Infektionen bei der HIV-Infektion zumindest in den Industrieländern in den letzten 20 Jahren zurückgegangen. Insbesondere die in den 1990er Jahren häufige, unbehandelt zur Erblindung führende Cytomegalievirus-Retinitis ist im Rahmen einer HIV-Infektion erfreulicherweise selten geworden. Demgegenüber erlangen durch Immundefizienz ausgelöste Neoplasien, opportunistische Infektionen sowie Neoplasien, die bei Immundefizienz nicht durch HIV-Infektion ausgelöst werden, eine größere Bedeutung.

Fallbericht

Die im Fallbericht vorgestellte erst 43-jährige Patientin leidet an einer granulomatösen generalisierten variablen Immundefizienz. Eine über drei Monate bestehende Schwellung der Tränendrüse beidseits wird nach Biopsie als diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom diagnostiziert. Aufgrund des negativen Knochenmarksbefunds erfolgt keine lymphomspezifische Chemotherapie. Im Rahmen einer Schwankung des Immunstatus bildet sich die Symptomatik teilweise zurück. Bei rezidivierender Symptomatik einige Monate später erfolgt eine erneute Biopsie an gleicher Stelle, wobei sich nun die Manifestation eines generalisierten Kaposi-Sarkoms in der Tränendrüse zeigt, woran die Patientin schließlich trotz Chemotherapie verstirbt.

Fazit für die Praxis

Der Fallbericht verdeutlicht eindrücklich, dass eine persistierende oder rezidivierende Symptomatik auch durch mehrere Erkrankungen, die aufeinanderfolgend an gleicher Stelle auftreten, ausgelöst werden kann. Chronische Raumforderungen/Schwellungen der Tränendrüse sollten biopsiert werden: bei rezidivierender Symptomatik unter Umständen auch mehrfach.

Darüber hinaus ist bei Raumforderungen der Tränendrüse für eine Diagnosestellung ohne Verzögerungen eine bildgebende Diagnostik auf aktuellstem Stand entscheidend. Dazu gehört ein MRT, nicht nur mit Kopfspule, sondern auch mit Orbitaspule, sowie die Einbeziehung diffusionsgewichteter und kontrastintensivierter Sequenzen (DWI- und DCE-Sequenzen) [1]. Die im Fallbericht dokumentierte Bildgebung ist nach heutigem Stand veraltet (initial nur Kopf-CT). Ob bei umfassenderer bildgebender Diagnostik eine zügigere Diagnosestellung bzw. ein Verzicht auf eine der Biopsien möglich gewesen wäre, lässt sich selbstverständlich im Nachhinein nicht entscheiden.

Bei Patienten mit Immunsuppression sollte bei Raumforderungen der Tränendrüse frühzeitig an eine opportunistische Neoplasie wie z.B. ein Lymphom gedacht werden.

Die mit Abstand häufigste Lymphommanifestation der Tränendrüse bei Patienten ohne vorbestehende Immundefizienz ist das extranodale Marginalzonen-Lymphom (EMZL), das an der Tränendrüse überwiegend als singuläre Manifestation auftritt und dann gut behandelbar ist (in der Regel mit Strahlentherapie). Das Spektrum der Lymphome als opportunistische Erkrankungen bei vorbestehender Immundefizienz unterscheidet sich möglicherweise von dem bei Patienten ohne Vorerkrankung. Ob das in diesem Fall vorliegende großzellige B-Zell-Lymphom in diesen Fällen an der Tränendrüse generell häufiger auftritt, müssen zukünftige epidemiologische Studien zeigen.

Disclosure Statement

Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

1.
Ro SR, Asbach P, Siebert E, et al.: Characterization of orbital masses by multiparametric MRI. Eur J Radiol 2016;85:324-336.
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