Zusammenfassung
Ziel: Das Ziel dieser Studie war die Untersuchung der akuten Hornhaut-Toxizität von Diquas®, einer auf dem Markt erhältlichen 3%igen Diquafosol-Lösung für das Auge mit C12-Benzalkoniumchlorid (BAC) als Konservierungsmittel. Methoden: Bei lebenden Kaninchen maßen wir die Veränderung des transepithelialen elektrischen Widerstands (TEER) der Hornhaut nach 60-sekündiger Exposition gegenüber Diquas® (Diquafosol 3%, mit 0,0075% C12-BAC als Konservierungsmittel) sowie 0,0075%iger C12-BAC-Lösung und 0,0075%igem C12/C14/C16-BAC-Gemisch. Außerdem wurde die Schädigung der Hornhaut mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) untersucht. HBSS (Hank's Balanced Salt Solution) diente als Kontrolle. Ergebnisse: Diquas® und 0,0075%ige C12-BAC-Lösung bewirkten im Vergleich zur HBSS-Kontrolle keine signifikante Veränderung des Hornhaut-TEER. Eine signifikante Abnahme des TEER war nach Exposition der Hornhaut gegenüber dem 0,0075%igen C12/C14/C16-BAC-Gemisch festzustellen (p < 0,01). Die REM ergab, dass die oberflächlichen Zellen der mit dem 0,0075%igen BAC-Gemisch behandelten Netzhäute geschädigt waren und degenerierte Mikrovilli aufwiesen. Nach Exposition gegenüber Diquas® oder 0,0075%iger C12-BAC-Lösung sahen die oberflächlichen Hornhautzellen in der REM hingegen normal aus und hatten normale Mikrovilli. Schlussfolgerung: Die akute Hornhaut-Toxizität von Diquas® ist geringer als die des 0,0075%igen BAC-Gemischs. Diquas® mit 0,0075% C12-BAC als Konservierungsmittel zeigte keine akute Hornhaut-Toxizität. Übersetzung aus Pharmacology 2016;98:56-61 (DOI:10.1159/000445691)
Experten-Kommentar
Hintergrund
Die Keratokonjunktivitis sicca ist eine chronische Erkrankung der Augenoberfläche, die selten eine Kausaltherapie erlaubt und in aller Regel eine symptomenbezogene Behandlung mit Tränenersatzpräparaten in unterschiedlicher Intensität erforderlich macht. Weitere Maßnahmen zielen auf die Verbesserung der Meibomdrüsenfunktion oder auf die Reduktion der entzündlichen Komponente der Erkrankung ab. Trotz der verschiedenen zur Verfügung stehenden Maßnahmen gelingt es häufig nicht, den im Dry Eye Workshop dargestellten Teufelskreis der Krankheitsentwicklung zu durchbrechen, bei dem vereinfacht dargestellt die entzündliche Komponente und die veränderte Tränenproduktion sich gegenseitig bedingen. Umso interessanter erscheinen hier Präparate zur Behandlung der Keratokonjunktivitis sicca, die gänzlich neue Wirkmechanismen nutzen, um die Qualität und die Menge des Tränenfilms zu verbessern. Zwei Produkte mit den Wirkstoffen Diquafosol und Rebamipide stehen auf dem japanischen Markt mittlerweile seit einigen Jahren zur Verfügung, können in Deutschland jedoch nur über internationale Apotheken bezogen werden. Sie stimulieren als P2Y2-Rezeptor-Agonisten unter anderem direkt die Bildung von Mucinen in den Epithelien der Augenoberfläche und den Becherzellen der Konjunktiva. Ein Therapieversuch mit diesen Substanzen bei schweren Fällen des trockenen Auges kann durchaus lohnenswert sein, da ihre Wirksamkeit beim trockenen Auge unterschiedlicher Ursachen in mehreren Studien gut belegt ist. Allerdings ist beispielsweise Diquafosol nur in einer mit Benzalkoniumchlorid konservierten Formulierung erhältlich, was bei täglich mehrfacher Anwendung die Integrität des Hornhautepithels beeinträchtigen kann. Die Epitheltoxizität von Benzalkoniumchlorid, das in aller Regel als Gemisch von Alkylbenzyldimethylammoniumchloriden (ABDAC) mit unterschiedlich langen Alkylgruppen vorliegt, ist jedoch nicht nur von der Konzentration sondern auch von der Länge der Alkylgruppen abhängig.
Studienergebnisse
Vor diesem Hintergrund erscheint die kürzlich erschienene Arbeit von Mohamed et al. sehr interessant, in der die Toxizität des in Japan kommerziell erhältlichen Produktes Diquas® (Santen Pharmaceutical Co., Ltd., Osaka, Japan) untersucht wurde. Das darin enthaltene Benzalkoniumchlorid enthält ausschließlich Alkylgruppen mit C12-Kettenlängen. In der Studie wurden Änderungen des transepithelialen elektrischen Widerstands (TEER) des Hornhautepithels als ein Maß für die epitheliale Toxizität in einem speziellen Versuchsaufbau in vivo an Kaninchen gemessen. Die Messungen erfolgten vor und nach Exposition mit Benzalkoniumchlorid mit unterschiedlichen Längen der Alkylgruppe sowie mit Diquas®. Im Vergleich mit der Kontrollpufferlösung erzielte die Exposition mit einem Benzalkoniumchlorid-Gemisch mit unterschiedlichen Alkylgruppen (C12, C14 und C16) eine deutliche Reduktion des TEER, wohingegen die gleiche Konzentration an Benzalkoniumchlorid mit ausschließlich C12-Alkylgruppen keine signifikante Reduktion des TEER verursachte. Auch die Anwendung des kommerziell erhältlichen Diquas® mit ausschließlich C12-Benzalkoniumchlorid verursachte keine signifikante Minderung des TEER. Die Messungen wurden durch elektronenmikroskopische Untersuchungen bestätigt, bei denen ausschließlich das Gemisch von Benzalkoniumchlorid mit unterschiedlichen Alkylgruppen eine Degeneration von Mikrovilli des Hornhautepithels erkennen ließ.
Transfer in die Praxis - Fazit
Trotz der Verwendung von Benzalkoniumchlorid lassen die Untersuchungen in Bezug auf die hier dargestellte Epithel-Toxizität insgesamt akzeptable Eigenschaften von Diquas® vermuten. Einschränkend ist aber zu sagen, dass die im Versuchsaufbau verwendete Expositionszeit von 60 s nur bedingt mit der täglichen mehrfachen Anwendung über längere Zeiträume verglichen werden kann. Dennoch scheint diese neue Substanzgruppe trotz der Beimengung von Benzalkoniumchlorid bei bislang therapierefraktären Patienten interessant.