Zusammenfassung
Ziel: Ziel dieser Studie war die Visualisierung und Quantifizierung pathologischer Veränderungen der fovealen avaskulären Zone (FAZ) mittels optischer Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) in Augen mit retinalem Venenverschluss (RVV) im Vergleich zum nicht betroffenen Partnerauge. Ablauf: Die OCT-A-Untersuchungen erfolgten mit dem System Avanti® RTVue 100 XR (Optovue Inc., Fremont, CA, USA). Die Grenzen der oberflächlichen Gefäßschicht waren definiert als 3 μm unter der inneren Grenzmembran und 15 μm unter der inneren plexiformen Schicht; die Grenzen der tiefen Gefäßschicht als 15 bzw. 70 μm unter der inneren plexiformen Schicht. Die horizontale, vertikale und maximale Ausdehnung der FAZ wurde in jedem Auge in der oberflächlichen und der tiefen Gefäßschicht gemessen. Zusätzlich wurde der Winkel zwischen maximalem FAZ-Durchmesser und der papillomakulären Ebene gemessen. Ergebnisse: Die OCT-A zeigte Defekte der perifovealen Gefäße in Augen mit retinalem Venenastverschluss (VAV; n = 11) bzw. zentralem Venenverschluss (ZVV; n = 8). Diese gingen einher mit einem vergrößerten FAZ-Durchmesser in den Augen mit RVV (n = 19) im Vergleich zum jeweiligen gesunden Partnerauge (n = 19; 921 ± 213 vs. 724 ± 145 µm; p = 0,008). Darüber hinaus war eine signifikante Korrelation zwischen der besten korrigierten Sehschärfe (Visus c. c.) und dem maximalen FAZ-Durchmesser in der tiefen Gefäßschicht zu verzeichnen (Spearman-Koeffizient ρ = -0,423; p < 0,01). Schließlich lag in den Augen mit RVV der Winkel zwischen papillomakulärer Ebene und maximalem FAZ-Durchmesser nur in 21,05% (oberflächliche Gefäßschicht) bzw. 15,79% der Fälle (tiefe Gefäßschicht) im Bereich von 0 ± 15 oder 90 ± 15. In den gesunden Augen lag der Winkel (der vermeintlich für eine regelgerechte FAZ-Konfiguration steht) häufiger in diesen Bereichen (oberflächliche Gefäßschicht: 68,42 vs. 21,05%, p = 0,003; tiefe Gefäßschicht: 73,68 vs. 15,79 %, p < 0,001). Schlussfolgerung: Morphologische Veränderungen der FAZ in Augen mit ZVV oder VAV sind in der OCT-A-Bildgebung darstellbar. Die Korrelation der maximalen FAZ-Ausdehnung mit dem Visus c. c deutet darauf hin, dass diese Veränderungen funktionell relevant sein könnten. Übersetzung aus Ophthalmologica 2016;235:195-202 (DOI:10.1159/000445482)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Die Arbeit widmet sich der neuen und faszinierenden Bildgebungsmethode der optischen Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A). Die OCT-A kann innerhalb eines definierten Geschwindigkeitsbereichs bewegte Teilchen detektieren und Gefäßinhalte darstellen. Diese Darstellung erfolgt schichtweise, sodass die einzelnen retinalen Gefäßnetze untersucht werden können. Damit unterscheidet sich die OCT-A von der Fluoreszeinangiographie, die den Plasmafluss darstellt und eine Summenantwort des gesamten retinalen Gefäßsystems liefert. Einzelne Schichten können hierbei nicht gesehen werden. Dafür sind in der klassischen Fluoreszeinangiographie in späteren Phasen Farbstoffansammlungen zu sehen (Leckagen), die in der OCT-A nicht sichtbar werden können. Bei der Interpretation der OCT-A besteht noch große Unsicherheit, ob die vermuteten pathologischen Veränderungen auch richtig gedeutet werden. Aufgrund von Überlagerungseffekten nehmen die Unklarheiten mit der Detektionstiefe zu. Erschwert wird die Interpretation bei einem ausgeprägten zystoiden Ödem, da die Schichtgrenzen nicht mehr exakt nachvollziehbar sind. Genau diese Schwierigkeit umgeht die vorliegende Arbeit dadurch, dass sie nur Patienten mit erfolgreich reduziertem retinalem Ödem einschließt. Ein wichtiger Nebeneffekt der OCT-A ist, dass die Anatomie der retinalen Zirkulation wieder mehr in den Mittelpunkt rückt. In den unterschiedlichen Arbeiten zur OCT-A ist die Nomenklatur uneinheitlich. Manche Autoren sprechen von einem oberflächlichen und einem tiefen Gefäßplexus, Spaide et al [1] beschrieben 2015 drei unterschiedliche Schichten , in der histopathologischen Arbeit von Chan et al [2] wurden 2012 aber bereits vier feine Gefäßnetze beschrieben, welche die innere Netzhaut mit Sauerstoff versorgen und an der Außengrenze der inneren Körnerschicht enden. Da die tieferen Gefäßschichten weniger Kompensationsmöglichkeiten haben als oberflächliche Gefäße, ist zu erwarten, dass dort im Fall eines retinalen Venenverschlusses auch mehr Schaden eintritt. Die Daten von Wons et al. bestätigen diesen Verdacht. Eine weitere Beobachtung kann bei der Interpretation älterer Verschlüsse hilfreich sein, die zufällig entdeckt werden und ohne das typische Makulaödem verlaufen. Sobald die foveale avaskuläre Zone asymmetrisch verläuft, liegt der Verdacht auf eine abgelaufene Durchblutungsstörung mit Defektheilung vor. Dieser Befund ist zwar auch schon von der Fluoreszeinangiographie bekannt, bei der OCT-A können die Veränderungen durch die schichtweise Darstellung aber noch genauer aufgezeigt werden. Das könnte auch die morphologisch-funktionelle Korrelation erklären, die für die Fluoreszeinangiographie bisher nicht belegt ist.
Fazit
Mit der OCT-A hat ein neues und spannendes Kapitel der retinalen Bildgebung begonnen. Obwohl noch viel Unsicherheit bei der Interpretation der Bilder besteht, helfen Arbeiten wie die von Wons et al., das Verständnis retinaler Erkrankungen zu verbessern. Als Hauptergebnis ist die unterschiedlich erweiterte avaskuläre Zone in den verschiedenen Netzhautschichten über der Fovea und die Korrelation zwischen den pathologischen Bildbefunden und der Visusentwicklung zu nennen.
Ergebnisse der Studie
Die verschiedenen tiefen retinalen Gefäßnetze werden im Rahmen eines retinalen Venenschlusses (RVV) unterschiedlich stark beeinträchtigt. Tiefere Gefäße an der Grenze zwischen retinaler und chorioidaler Zirkulation zeigen stärkere Veränderungen an der Vaskularisationsgrenze.
Eine vergrößerte avaskuläre Zone in der Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) geht in der vorliegenden Arbeit mit einer verminderten Sehschärfe einher.
Eine asymmetrische Erweiterung der avaskulären Zone in der OCT-A weist auf eine abgelaufene retinale Erkrankung hin.
Mit Hilfe der neuen OCT-A können Veränderungen der retinalen Zirkulation nach retinalem Venenverschluss beobachtet werden. Der Zusammenhang der bildgebenden Befunde und dem reduzierten Visus sprechen dafür, dass die pathologischen retinalen Veränderungen auch funktionell relevant sein könnten.