Zusammenfassung
Ziel: Beurteilung der langfristigen Wirksamkeit von Ranibizumab in der Behandlung der retinalen angiomatösen Proliferation (RAP) und Identifikation von Prädiktoren für das funktionelle Behandlungsergebnis. Methoden: Retrospektive Fallserie mit 79 Augen von 68 konsekutiven Patienten mit RAP, die über ≥36 Monate nachbeobachtet wurden. Primäre Endpunkte waren die Veränderung der besten korrigierten Sehschärfe (Visus c. c.) und der zentralen Netzhautdicke nach 36 Monaten und beim letzten Termin. Ergebnisse: Die mittlere Nachbeobachtungsdauer betrug 59,8 ± 16,0 Monate. Alle Augen wurden mit Ranibizumab pro re nata behandelt; mit (n = 33) oder ohne (n = 46) begleitende photodynamische Therapie (PDT). Eine Stabilisierung oder Verbesserung des Visus c. c. lag nach 36 Monaten bei 50,6% der Patienten vor und am Ende der Nachbeobachtung bei 40,5%, wobei bei 20,3% das Lesevermögen erhalten blieb. Eine signifikante Abnahme der zentralen Netzhautdicke war nach 36 Monaten festzustellen (p < 0,001), nicht jedoch am Ende des Nachbeobachtungszeitraums. Eine geographische Atrophie (GA) lag beim letzten Termin in 59,5% der Augen vor. Subretinale Flüssigkeit zu Studienbeginn war mit einem besseren visuellen Outcome assoziiert (p = 0,001). Die Ergebnisse der Kombinationstherapie mit intravitrealem Ranibizumab und PDT unterschieden sich nicht signifikant von denen der Ranibizumab-Monotherapie. Schlussfolgerung: Von der Langzeittherapie bei RAP-Läsionen sind in der klinischen Praxis bescheidene Erfolge zu erwarten, was vermutlich auf das Auftreten von GA zurückzuführen ist. Subretinale Flüssigkeit zu Studienbeginn korrelierte positiv mit dem Visus c. c. am Ende der Studie. Übersetzung aus Ophthalmologica 2016;55:119-125 (DOI:10.1159/000441797)
Experten-Kommentar
Hintergrund
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), von der fast 10% aller 75-jährigen Menschen betroffen sind, stellt ein häufiges Krankheitsbild im ophthalmologischen Praxisalltag dar [1]. Bei etwa 20% aller AMD-Patienten kann es im Rahmen der Erkrankung zur Ausbildung von choroidalen Neovaskularisationen (CNV) und damit zur sogenannten exsudativen AMD kommen [1]. Spätestens mit der Markteinführung von Ranibizumab im Jahre 2007 stellt die intravitreale Anti-VEGF-Therapie den Goldstandard bei der okkulten und klassischen CNV dar [2].
Etwa 15% der Neovaskularisationen, die im Rahmen der AMD auftreten, sind durch eine retinale angiomatöse Proliferation (RAP) verursacht. Hierbei entstammt die neovaskuläre Membran nicht primär der Choriokapillaris, sondern breitet sich entgegengerichtet, aus den retinalen Gefäßen entspringend, Richtung Choroidea aus [3]. Bezüglich des am besten geeigneten therapeutischen Vorgehens ist bei dieser, auch als Typ-3-Neovaskularisation bezeichneten Form aktuell kein Goldstandard etabliert [3,4].
Studienergebnisse
Vor diesem Hintergrund setzt die Publikation von Marques et al. an und formuliert das Ziel, im Rahmen einer retrospektiven Studie die Langzeiteffektivität und Sicherheit von Ranibizumab bei einer RAP zu beurteilen sowie prädiktive Faktoren für das funktionelle Outcome herauszustellen [3]. Hierfür wurden 79 Augen mit einer RAP nachbeobachtet, die nach Pro-re-nata-Schema mit intravitrealen Ranibizumabinjektionen behandelt wurden.
Am Ende der Nachbeobachtungszeit von fast 5 Jahren konnte bei 40% der Patienten eine Visusstabilisierung oder -verbesserung erreicht werden. Bei mehr als einem Fünftel der Patienten war unter dieser Therapie sogar ein Erhalt des Lesevisus möglich.
Von einer zusätzlich durchgeführten photodynamischen Therapie (PDT) profitierten die in einer Subgruppenanalyse eingeschlossenen Patienten nicht (p = 0,831) [3].
Daneben konnte durch die Autoren eine positive Korrelation zwischen dem Vorhandensein subretinaler Flüssigkeit zu Therapiebeginn und dem bestkorrigierten Visus dargestellt werden. Somit könnte das Vorhandensein subretinaler Flüssigkeit als prognostischer Parameter in der Therapieplanung der RAP dienen. Ein Erklärungsansatz der Autoren bezüglich dieser Korrelation ist, dass subretinale Flüssigkeit ein Indikator für Läsionsaktivität sei [3].
Fazit für die Praxis und Perspektiven für die Zukunft
RAP-Läsionen haben im Gegensatz zu anderen CNV-Formen, die im Rahmen der AMD auftreten, eine schlechtere Prognose.
Neue retinale Bildgebungsmodalitäten ermöglichen jedoch die immer genauere Lokalisierung und Charakterisierung von retinalen Veränderungen und damit gegebenenfalls eine individualisiertere Therapieplanung (Abb. 1, 2, 3, 4).
Bis dato wurden in der Literatur unterschiedliche Therapieansätze mit teils divergierenden Ergebnissen beschrieben. Wie der kürzlich von Marques et al. erschienene Artikel zeigt, scheint eine konsequente intravitreale Ranibizumab-Therapie derzeit das am besten geeignete Therapieverfahren zu sein. Eine Kombination mit PDT ergibt jedoch keine Verbesserung.