Die Hornhaut-(Transplantations)chirurgie hat in den letzten Jahren so spannende und (r)evolutionäre Entwicklungen durchlaufen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Nachdem bis vor nicht allzu langer Zeit unabhängig von der Primärpathologie immer die gesamte Hornhaut transplantiert wurde, begann vor etwa 5 Jahren der Siegeszug der minimalinvasiven - spezifisch nur den erkrankten Bereich austauschenden - lamellären Transplantationstechniken. Die minimalinvasiven hinteren lamellären Transplantationen wie die «Descemet membrane endothelial keratoplasty» (DMEK) und «Descemet stripping automated endothelial keratoplasty» machen inzwischen in Deutschland schon über 50% aller Transplantationen aus.

Die Vorteile der lamellären Techniken wie der DMEK für den Patienten im Vergleich zur perforierenden Keratoplastik (pKPL) sind eine wesentlich schnellere und bessere Visuserholung, sicherere Operation mit weniger intraoperativen Komplikationen und bessere postoperative Heilung, da keine Fadenkomplikationen mehr auftreten und das Immunreaktionsrisiko massiv minimiert ist. Bei unseren letzten 1000 DMEKs an der Kölner Universitätsaugenklinik lag das Abstoßungsrisiko bei 1%; die meisten dieser Immunreaktionen sind mild und reversibel. Hier wird die Entwicklung zu einer weiteren Standardisierung und Individualisierung der Technik führen, d.h., einer noch stärkeren Minimierung der Komplikationen. Bereiche, die der weiteren Verbesserung bedürfen, sind die «Rebubbling»-Rate (die allerdings mit dem Einsatz von SF6-Gas schon unter 10% liegt), die Reduktion der postoperativen zystoiden Makulopathie (die z.B. durch eine intensive postoperative Steroidtherapie minimiert werden kann) und die Verbesserung der Visusergebnisse durch optimales Operations-Timing. Eine weitere Individualisierung des Transplantatdurchmessers bzw. der übertragenen Endothelzellen wird eine optimale Nutzung der knappen Ressource Spendergewebe ermöglichen. Der mittelfristige Schritt hin zur Zelltransplantation muss sich bezüglich Kosten, Sicherheit und Ergebnissen an den inzwischen schon gut etablierten Verfahren messen lassen.

Obwohl auch die tiefe anteriore lamelläre Keratoplastik (deep anterior lamellar keratoplasty; DALK) erhebliche Vorteile gegenüber der pKPL hat (keine endotheliale Immunreaktion mehr, weniger intraoperative Komplikationen, längere Transplantat-Überlebensdauer usw.) und obwohl die refraktiven Ergebnisse gleich sind, hat sich das Verfahren wegen zu geringer Standardisierbarkeit bisher nur an wenigen spezialisierten Zentren durchgesetzt. An der Kölner Universitätsaugenklinik werden 13% aller etwa 600 Transplantationen im Jahr als DALK durchgeführt; bundesweit liegt der Anteil bei etwa 5%. Hier sind weitere Anstrengungen nötig, um z.B. mittels Femtosekunden-Laser und intraoperativer optischer Kohärenztomografie die Technik weiter zu standardisieren.

Das korneale Crosslinking ist inzwischen als relativ sicheres Verfahren zur Progressionsprophylaxe beim progredienten Keratokonus und auch zur antibakteriellen Therapie bei bakteriellen Keratitiden etabliert. Daher wird die Rate von transplantationswürdigen Keratokonusaugen in Zukunft wohl abnehmen.

Bei 3 weiteren, bisher ungelösten klinischen Problemen besteht Hoffnung auf baldige Besserung: Die bisher nur suboptimal behandelbare neurotrophe Keratopathie sollte bei positiven Ergebnissen der kürzlich abgeschlossenen NGF-Studie besser behandelbar sein. Für die (einseitige) Limbus-Stammzell-Defizienz wird mit der in 2016 beginnenden Holoclar-Studie eine Therapieoption erprobt, um legal und auf hohem Qualitätsniveau Stammzellen zu generieren und anschließend zu transplantieren. Dieses Verfahren wird in Deutschland an den Universitätsaugenkliniken in München, Erlangen und Köln getestet. Für schwerst erkrankte Augen steht mit der seit Ende 2015 CE-zertifizierten Boston-Keratoprothese nun eine Ultima Ratio zur Verfügung, um beidseitig korneal erblindeten Patienten zu helfen. 85% unserer ersten 12 Patienten zeigen eine sehr gute Retention und eine signifikante und zum Teil erhebliche Visusbesserung. Hier sind weitere Anstrengungen nötig, um die chronische intraokulare Entzündung und das assoziierte Glaukom besser in den Griff zu bekommen. Für vaskularisierte Hochrisikoaugen bedarf es neuer Therapien zur präoperativen Gefäßregression.

Zusammenfassend hat die Hornhaut-Chirurgie in den letzten 10 Jahren wohl mehr patientenrelevante Fortschritte gemacht als in vielen Jahrzehnten davor. Dennoch besteht Bedarf für weitere Verbesserungen und Forschung zu bisher unbehandelbaren Problemen. In dem Kontext ist es sehr erfreulich, dass sowohl deutsche als auch europäische Drittmittelgeber (DFG, EU) inzwischen auch die Hornhaut-Forschung auf ihre Agenda gesetzt haben. So befasst sich die kürzlich von der DFG bewilligte Forschergruppe FOR2240 an der Kölner Universitätsaugenklinik in 4 Teilprojekten mit Hornhaut-Erkrankungen [1]. Seit 2014 gibt es mit der COST Action BM1302 (Joining Forces in Corneal Regeneration) [2] ein EU-Projekt zum Thema Hornhaut und Oberflächenrekonstruktion. In 2016 startet zudem das mit 6 000 000 EUR geförderte Horizon-2020-Projekt «ARREST BLINDNESS» [3], das z.B. erstmals versuchen wird, klinisch unsichtbare korneale Lymphgefäße zu visualisieren und vor der Transplantation in Hochrisikoaugen zu zerstören, um das Transplantatüberleben zu verbessern.

In dieser Ausgabe des Karger Kompass Ophthalmologie spiegelt sich die derzeitige Dynamik der Hornhaut-Chirurgie als Schwerpunktthema mit Beiträgen in mehreren Rubriken. Fuchsluger und Kruse (deutsche Übersetzung siehe S. 7) gehen in ihrer Übersichtsarbeit umfassend auf Hornhaut-Transplantationen bei Hochrisikoaugen ein - einschließlich der Risikofaktoren, des postoperativen Managements und der verfügbaren Techniken. Das «Spotlight» von Bachmann (siehe S. 32) verdeutlicht die Relevanz der Suche nach Therapiealternativen bei progressiven Keratektasien, und Tambe et al. (deutsche Übersetzung siehe S. 36) widmen sich anhand einer Fallserie der Frage, wie lohnend bzw. riskant eine photorefraktive Keratektomie bei Keratokonus ist.

Die Zukunft der Hornhaut-(Transplantations)chirurgie bleibt also spannend und wird weitere Verbesserungen gerade für unsere Patienten mit schweren Erkrankungen bringen. Mit diesem zuversichtlichen Ausblick wünsche ich Ihnen erkenntnisreiche Momente mit diesem Heft.

Ihr

1.
www.for2240.de (letzter Abruf 27. Januar 2016).
2.
www.biocornea.eu (letzter Abruf 27. Januar 2016).
3.
www.eueye.org/arrest-blindness (letzter Abruf 27. Januar 2016).
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