Zusammenfassung
Hintergrund und Zielsetzung: Bericht über Verläufe und Toxizität nach Protonenstrahlen-Therapie aufgrund von nichtperipapillärem Choroidea- und Ziliarkörpermelanom, für das andere augenschonende Therapien als ungeeignet erachtet worden waren. Material und Methoden: Eine bereits vorhandene Datenbank mit 77 Patienten mit nichtperipapillären Tumoren, die am TRIUMF-Zentrum in Kanada behandelt worden waren (mit Angaben zu den Patienten, Tumoren und Behandlungsmaßnahmen), wurde mittels Aktenauswertung um Angaben zu okulären Komplikationen und zur Nachbeobachtung ergänzt. Ergebnisse: Die meisten Patienten hatten große Tumoren: 61% waren T3/T4-Tumoren laut Klassifikation des American Joint Committee on Cancer; 48% waren laut Klassifikation der Collaborative Ocular Melanoma Study als groß einzustufen. Die mediane Dicke betrug 7,1 mm; eine Beteiligung des Ziliarkörpers lag in 35% der Fälle vor. Nach 5 und nach 10 Jahren betrugen die aktuarische Rate der okulären Tumorkontrolle jeweils 85%, die metastasenfreie Überlebensrate 72 bzw. 57%, die Gesamtüberlebensrate 77 bzw. 63%, die Enukleationsrate zu beiden Zeitpunkten 22% und die Rate vollständiger Erblindung jeweils 38%. Eine univariate Analyse ergab für die Patienten mit Ziliarkörperbeteiligung signifikant schlechtere metastasenfreie Überlebens- und Gesamtüberlebensraten als für die Patienten ohne Beteiligung des Ziliarkörpers (p < 0,001). Schlussfolgerungen: Die Protonentherapie bei großen, anterior lokalisierten Tumoren resultierte in akzeptablen okulären Tumorkontroll- und Überlebensraten. Das Risiko für Erblindung und schwere Toxizität sowie für eine dadurch erforderliche Enukleation war niedrig, und bei einem substanziellen Anteil der Patienten blieb ein brauchbares Sehvermögen erhalten. Übersetzung aus Ocul Oncol Pathol 2016;2:29-35 (DOI: 10.1159/000433546)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Das maligne Melanom der Uvea ist mit etwa 5 Neuerkrankungen pro 1 000 000 Einwohner jährlich der häufigste intraokuläre Tumor im Erwachsenenalter. 90% der uvealen Melanome sind Aderhautmelanome (AHMM), wobei etwa 40% der AHMM parapapillär oder paramakulär in den zentralen Netzhaut-Bereichen liegen. Weitere 5-10% der uvealen Melanome liegen im Ziliarkörper (ZKMM), und etwa 3% betreffen primär die Iris [1].
Beim malignen Melanom der Uvea erfolgt die Behandlung mit kurativem Ansatz. Tumorgröße und Lokalisation sind für die Wahl der Therapiemethode entscheidend. Die Collaborative Ocular Melanoma Study hat als randomisierte prospektive Untersuchung gezeigt, dass sich die augenerhaltende Behandlung mittels Bestrahlung von mittleren und großen Melanomen nicht signifikant auf die Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zur Enukleation auswirkt [2]. Ein Bulbuserhalt setzt die lokale Tumorkontrolle voraus und stellt das wichtigste Behandlungsziel dar. Zwar sind die Funktionsparameter wie Sehschärfe auch von Bedeutung, allerdings erlaubt eine Tumorbestrahlung nicht immer die Schonung der sensiblen Strukturen.
Bei den peripheren Tumoren mit einer Prominenz unter 6 mm ist in Europa eine Brachytherapie mittels 106Ruthenium-Applikator die Methode der ersten Wahl. Die Behandlung der größeren Tumoren stellt oft eine Herausforderung dar und verlangt nicht nur eine präzise Bestrahlung, sondern macht häufig weitere chirurgische Techniken und Folgeeingriffe erforderlich.
Weber et al. berichten in der hier vorgestellten Studie über Therapieerfolg und Komplikationen einer Protonenbestrahlung bei Patienten mit großen peripheren AHMM und/oder ZKMM. Bei insgesamt 77 analysierten Patienten betrug die lokale Tumor-Kontrollrate anhand der Kaplan-Meier-Schätzung 10 Jahre nach der Bestrahlung 85%. Das ist bei den großen Tumoren eine sehr gute Erfolgsrate. Insgesamt 12 von 77 Augen mussten später sekundär enukleiert werden. Die Ursachen für die Augenentfernungen waren sekundäre Komplikationen nach der Bestrahlung oder Lokalrezidive.
Nach der Bestrahlung solch großer AHMM kommt es oft zur Entwicklung eines «Toxic Tumor Syndroms» (TTS) mit starker Zunahme der Exsudation und daraus resultierender Netzhaut-Ablösung. Unbehandelt entwickelt sich oft eine PVR und weiter eine Rubeosis iridis, die zu einem Sekundärglaukom und schmerzhafter Phthisis bulbi führen kann. In unserer Klinik wird die Protonenbehandlung bei intraokularen Tumoren bereits seit Juni 1998 durchgeführt. Bezüglich der Tumorexsudation nach der Bestrahlung wird eine strenge Strategie verfolgt, um ein TTS zu verhindern. Bei großen Tumoren, die primär bereits vor der Behandlung eine exsudative Netzhaut-Ablösung aufweisen, wird kurzfristig nach der Bestrahlung eine adjuvante Behandlung geplant. Diese beinhaltet je nach Ausmaß der Exsudation (und gegebenenfalls ihrer Zunahme nach der Bestrahlung) eine intravitreale Steroidgabe, transpupilläre Thermotherapie oder - bei ausgeprägtem Befund - eine Pars-plana-Vitrektomie (ppV) mit Endodrainage und Silikonöl-Tamponade. Nicht selten ist sogar eine Tumorresektion erforderlich, die in Abhängigkeit von der Tumorlage entweder ab externo als transsklerale oder über ppV-Zugang als transretinale Endoresektion erfolgt. Unsere Erfahrung zeigt, dass durch diese adjuvanten Techniken die Komplikationsrate und damit der Bulbuserhalt verbessert werden können.
Fazit
Bei Patienten mit Aderhaut- und/oder Ziliarkörpermelanom kann derzeit eine sehr hohe Tumor-Kontrollrate erreicht werden. Daher ist eine augenerhaltende Strahlenbehandlung bei den meisten Patienten die Therapie der Wahl. Bei großen Tumoren ist eine Brachytherapie mittels Ruthenium-Applikator nicht möglich. Für diese Patienten bedeutet eine Protonenbestrahlung eine präzise Option, die zu einer sehr hohen Kontrollrate führt. Um den Bulbus dauerhaft zu erhalten, sind zur Behandlung der Komplikationen oft mehrere Folgeeingriffe erforderlich.
PD Dr. Matus Rehak, Berlin, hat als Koautor zu diesem Kommentar beigetragen.