Hintergrund: Die Verfügbarkeit neuer Behandlungsansätze, insbesondere intravitreal applizierter Wirkstoffe gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (Anti-VEGF-Therapien), hat zu einem Paradigmenwechsel bei der Behandlung des retinalen Venenverschlusses (RVV) geführt. Mehrere große randomisierte klinische Studien bescheinigen den neuen Therapien bessere Ergebnisse beim Visus und signifikant niedrigere Raten unerwünschter Ereignisse, sodass sich bei dieser das Sehvermögen bedrohenden Erkrankung ein neuer Behandlungsstandard etabliert hat. Ziel: Ausarbeitung eines Expertenkonsenses zum Management des RVV und damit verbundener Komplikationen vor dem Hintergrund der jüngsten klinischen Evidenz. Methoden: Die Entwicklung eines kanadischen Expertenkonsenses zum optimalen therapeutischen Vorgehen begann mit einer Sichtung der klinischen Evidenz, der klinischen Praxis und der vorhandenen Behandlungsleitlinien und Algorithmen. Die klinischen Experten (11 kanadische Netzhaut-Spezialisten) traten am 1. Februar 2014 in Toronto zusammen, um ihre Erkenntnisse zu besprechen und Strategien für die Konsensfindung vorzuschlagen. Ergebnisse: Das Ergebnis dieses Expertenpanels ist ein Konsensvorschlag für kanadische Augenärzte und Netzhaut-Spezialisten, die Patienten mit RVV behandeln. Zudem wurden gesonderte Behandlungsalgorithmen speziell für den Venenastverschluss (VAV) und Zentralvenenverschluss (ZVV) ausgearbeitet. Schlussfolgerungen: Der Konsens gibt Klinikern eine Empfehlung für das Management des RVV und der damit verbundenen Komplikationen in ihrer täglichen Praxis an die Hand. Kurz gesagt ist der Laser weiterhin die Therapie der Wahl, wenn eine Neovaskularisation infolge eines RVV erkannt wird. Eine adjuvante Anti-VEGF-Therapie kann bei Neovaskularisation infolge eines RVV in Betracht gezogen werden, wenn Glaskörper-Blutungen vorliegen. Eine intravitreale Anti-VEGF-Therapie sollte in Betracht gezogen werden, wenn ein symptomatischer Sehverlust in Verbindung mit Makulaödem mit fovealer Beteiligung in der optischen Kohärenztomografie vorliegt. Patienten mit VAV und suboptimalem Ansprechen auf die Anti-VEGF-Therapie könnten mit Grid-Laser-Koagulation behandelt werden; solche mit ZVV und unzureichendem Ansprechen auf die Anti-VEGF-Therapie könnten Kandidaten für intravitreale Steroide sein. Übersetzung aus Ophthalmologica 2015;234:6-25 (DOI: 10.1159/000381357)

Bei retinalen Venenverschlüssen (RVV) handelt es sich nicht um eine klar definierte Erkrankung, sondern um eine Gruppe von Verschlusserkrankungen mit variabler Ausprägung. Diese Erkenntnis führt unweigerlich dazu, die bisherige RVV-Einteilung zu überdenken und nach klinischer Relevanz neu zu ordnen. Während zuvor nach Fläche (Astvenenverschluss (AVV), Hemizentralvenenverschluss (Hemi-ZVV) und Zentralvenenverschluss (ZVV)) sowie nach Ischämiegrad (ischämischer vs. nichtischämischer Verschluss) unterschieden wurde, spielt heute vor allem der Nachweis des Makulaödems die entscheidende Rolle. Weiterhin wird zwischen ischämischen und nichtischämischen Verschlüssen unterschieden, wobei die früher definierte Grenze von 5 Papillendurchmessern (PD) beim AVV und 10 PD beim ZVV zu starr erscheint und infrage gestellt werden muss. Bei der Beurteilung der retinalen Ischämie lässt man sich deshalb mehr von den klinischen Befunden leiten. Berger et al. betonen ebenso, dass die wiederholte Einschätzung des Ischämiegrads bedeutsam ist. Die bekannte Konversionsrate von einem Drittel aller nichtischämischen Verschlüsse in Richtung Ischämie innerhalb von 3 Jahren wird zitiert.

Liegt ein Makulaödem vor, und gibt der Betroffene Sehbeschwerden an, wird in der Regel behandelt. Hierbei kommt den VEGF-Inhibitoren (VEGF = vascular endothelial growth factor) aufgrund der geringeren Nebenwirkungsrate eine First-Line-Stellung zu. Erst bei nicht ausreichendem Ansprechen werden andere Substanzen aus der Gruppe der VEGF-Inhibitoren oder Steroide empfohlen. Zum Injektionsschema positionieren sich die kanadischen Kollegen eindeutig: Zunächst sollte mit einer 3-maligen monatlichen Injektion begonnen werden. Im Anschluss wird entweder das Pro-re-nata- oder das «Treat-and-extend»-Schema empfohlen. Unabhängig vom Behandlungserfolg müssen die Patienten innerhalb des 1. Jahres engmaschig kontrolliert werden.

Die Fluoreszenzangiografie kann entweder initial oder im Verlauf erfolgen, der Ischämiegrad der Verschlusserkrankung muss aber bestimmt werden. Während die Ergebnisse der Central Retinal Vein Occlusion Study eine Laser-Koagulation erst beim Nachweis von Proliferationen nahelegen und dies in den USA auch bisher propagiert wurde, scheint nun ein Trend in Richtung einer früheren Laser-Koagulation möglich. Diese Entwicklung ist nicht nur aufgrund der besseren Darstellungsmethoden der Netzhaut-Peripherie, sondern zumindest theoretisch auch angesichts einer beschriebenen Verbesserung der Entwicklung des Makulaödems durch die periphere Laser-Koagulation sinnvoll.

Leider wird die in Europa vielerorts angewendete isovolämische Hämodilution nicht besprochen.

Die in der hier vorgestellten Untersuchung befürwortete Behandlung von RVV-Patienten ist sehr vergleichbar mit der deutschen Behandlungsempfehlung. Erwähnenswert ist die klare Einordnung der intravitrealen Substanzen. VEGF-Inhibitoren werden eindeutig als First-Line-Medikamente eingestuft, Steroide als nachrangig beurteilt. Auch die Behandlung der peripheren Ischämie nähert sich an die europäische Praxis an, da bereits beim Nachweis von ischämischen Arealen gelasert werden kann und nicht mehr auf retinale Proliferationen gewartet werden muss. An dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass im oben dargestellten Abstract die Themen anders gewertet werden und es dadurch leider nicht adäquat den Aussagen der ausführlichen Version der Studie entspricht.

Zusammenfassend bildet dieser Expertenkonsens die aktuellen Gedanken und Daten zur RVV-Behandlung ab. Besonders zu begrüßen ist der Versuch einer neuen und der klinischen Relevanz folgenden Einteilung der RVV, die der Komplexität des Krankheitsbilds gerecht wird.

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