Abstract
Background: The present study reviewed the clinicopathological features and outcomes of bilateral lacrimal gland lesions. Methods: The data of 113 patients who underwent lacrimal gland biopsy at the West China Hospital of Sichuan University, China, between January 1, 2010, and December 31, 2021, are presented in this case series. The patients all presented with bilateral lacrimal gland lesions. The collected data included patient demographics, clinical features, the results of laboratory examinations, imaging presentations, histopathological diagnoses, treatments, and outcomes. Results: The mean age of the 113 enrolled patients was 47.4 ± 14.9 years (range, 11–77 years) with a predominance of females (54.9%, n = 62). The lacrimal gland was the source of the majority of biopsy tissue (98.2%, n = 111). The most prevalent etiology was immunoglobulin G4-related ophthalmic disease (IgG4-ROD) (32.7%, n = 37), followed by idiopathic orbital inflammation (IOI) (28.3%, n = 32), mucosa-associated lymphoid tissue (MALT) lymphoma (17.7%, n = 20), reactive lymphoid hyperplasia (RLH) (10.6%, n = 12), and mantle cell lymphoma (4.4%, n = 5). Patients with IOI were significantly younger than those with IgG4-ROD and MALT lymphoma (t = 2.932, P = 0.005; t = 3.865, P<0.001, respectively). Systemic symptoms were more prevalent among patients with IgG4-ROD (χ2 = 7.916, P = 0.005). The majority of patients were treated with surgery (53.1%, n = 60), with surgery combined with corticosteroid therapy (21.2%, n = 24) being the second most common treatment. The majority of patients (91.2%, n = 103) attained complete resolution, stable disease, or significant improvement.
Abstract aus He L, He W: Clinicopathologic features and outcomes of bilateral lacrimal gland lesions. PLoS One 2024;19:e0305717.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Eckart Bertelmann (Berlin)
Hintergrund
Raumforderungen der Tränendrüse sind relativ selten auftretende Erkrankungen. Dementsprechend sind Analysen der Inzidenz verschiedener Läsionen der Tränendrüse auch nicht häufig.
Für orbitale Raumforderungen wird in der Literatur eine Inzidenz von 6–10 Fällen pro 1 Million Einwohnern angegeben, 10% dieser Fälle betreffen Raumforderungen der Tränendrüse. Der gleiche Prozentsatz wurde in 2002 in einer Studie von Shields et al. [1] ermittelt, in der 144 Raumforderungen der Fossa lacrimalis bei 1264 Patienten mit Raumforderungen der Orbita untersucht wurden. In einer kleineren japanischen Studie aus dem Jahr 2005 [2] war der Anteil der Raumforderungen der Tränendrüse höher (35% von 244 retrospektiv analysierten Raumforderungen der Orbita).
Font et al. [3] untersuchten 1998 120 Fälle von Raumforderungen in der Tränendrüse und fanden in 67% nichtepitheliale Raumforderungen, von denen es sich bei 63% aller Raumforderungen größtenteils um entzündliche Prozesse handelte; lediglich 4 Raumforderungen wurden als maligne Lymphome diagnostiziert. Andererseits gab es 33% Raumforderungen epithelialen Ursprungs, bei denen es sich überwiegend um bösartige Neubildungen handelte. Bei den nichtmalignen epithelialen Tumoren handelte es sich ausschließlich um pleomorphe Adenome, die 14% der Tränendrüsentumoren insgesamt ausmachten. Bei 3 der 24 malignen epithelialen Tumoren handelte es sich um Metastasen, bei 2 um Adenokarzinome, 12 Tumoren waren adenozystische Karzinome und 7 Tumoren wurden als bösartige Mischtumoren eingeschätzt, die von einem rezidivierten pleomorphen Adenom ausgegangen waren [3].
In einer weiteren Studie über epitheliale Tumoren der Tränendrüse machten pleomorphe Adenome den größten Anteil aus und umfassten 50% der eingeschlossenen Fälle [4]. Auch das vereinzelte Auftreten von pleomorphen Adenomen bei Kindern wurde dokumentiert.
Berichte über die Inzidenz von bilateralen Läsionen der Tränendrüse sind noch seltener. Entsprechend liefert die vorliegende Arbeit hier sehr interessante neue klinische Daten
Studiendesign
Es handelt sich um eine retrospektive monozentrische klinische Studie.
Studienkohorte
Eingeschlossen wurden 62 113 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 47,4 ± 14,9 Jahren, bei denen eine beidseitige Raumforderung der Tränendrüse bestand. Dabei lagen von 111 Patienten durch Biopsie gewonnene histologische Befunde vor. Der Auswertungszeitraum umfasste die Jahre 2010–2021.
Ergebnisse der Studie
Als häufigste Entität der beidseitigen Raumforderungen der Tränendrüse fanden die Autoren die IgG4-assoziierte orbitale Erkrankung (IgG4-ROD) in 32,7%, gefolgt vom idiopathischen orbitalen inflammatorischen Syndrom (IOIS) in 28,3% der Fälle. MALT-Lymphome (MALT = Mukosa-assoziiertes lymphoides Gewebe) wurden in 17,7% diagnostiziert. In der Häufigkeit folgende Entitäten umfassten die reaktive lymphatische Hyperplasie (RLH) bei 10,6% und Mantelzelllymphome bei 4,4% der Studienkohorte. Alle weiteren Diagnosen traten nur in Einzelfällen auf und umfassten Dacryops, Sjögren-Syndrom, Erdheim-Chester-Erkrankung, Amyloidose, Morbus Still und Xanthogranulomatose.
Fazit für die Praxis
Die Arbeit liefert zum einen interessante neue Daten über die Häufigkeit von bilateralen Raumforderungen der Tränendrüse im Gegensatz zu den häufigeren einseitigen, für die erheblich mehr Erkenntnisse vorliegen. Zum anderen betont sie die Bedeutung der IgG4-ROD als eigenständiges Krankheitsbild, das relativ neu ist und erst 2007 erstmalig beschrieben wurde.
Methodisch bestehen einige Einschränkungen, die sich auf die Aussagekraft der Ergebnisse auswirken, deren Relevanz dadurch aber nicht verloren geht. Zum einen ist teilweise nicht ganz klar, wie sich die aufgeführten Entitäten differenzialdiagnostisch voneinander abgrenzen, das betrifft insbesondere das IOIS und die RLH. Nach aktuellem Verständnis sollte die Diagnose IOIS die ältere Diagnose RLH miteinschließen.
Zum anderen ist das diagnostische Vorgehen bedingt durch den retrospektiven Charakter der Auswertung und den langen Untersuchungszeitraum uneinheitlich. Beispielsweise liegen bei einem Großteil der Patienten zur bildgebenden Diagnostik nur nicht mehr zeitgemäße und wenig aussagekräftige computertomografische Befunde vor, sodass höchst interessante Aspekte der Abgrenzung der IgG4-ROD zum IOIS in der Magnetresonanztomografie (MRT) nicht herausgearbeitet werden können und zukünftigen, unbedingt wünschenswerten Studien vorbehalten bleiben.
An interessanten Ergebnissen der Studie bleibt, dass bei bilateralen Raumforderungen der Tränendrüse epitheliale Läsionen im Gegensatz zur Situation bei einseitigen Tränendrüsenraumforderungen außerordentlich selten sind.
Darüber hinaus ist relevant, dass die IgG4-ROD häufiger als erwartet auftritt. Konsequenzen für den klinischen Alltag umfassen die Empfehlung, frühzeitig an die Differenzialdiagnose IgG4-ROD zu denken und die Verdachtsdiagnose auf der Histologieanforderung explizit zu vermerken, damit bei der histologischen Aufarbeitung gezielt danach gesucht werden kann. Die IgG4-ROD ist eine systemische Erkrankung, die immer eine rheumatologische Mitbetreuung erfordert, zum einen zur Suche nach weiteren Organmanifestationen, zum anderen zur adäquaten Therapiesteuerung, die in höherem Ausmaß als beim IOIS eine über Steroide hinausgehende Immunmodulation z.B. durch Rituximab erfordert.
Für künftige Studien ist es höchst relevant, weitere diagnostische Kriterien zur Abgrenzung der IgG4-ROD vom IOIS beispielsweise in der Bildgebung (MRT, neue Sequenzen DWI, DCE, ADC) zu erarbeiten.
Disclosure Statement
Es bestehen keine Interessenkonflikte.