Katarakt, die bis dato weltweit häufigste Erblindungsursache, bleibt die größte Herausforderung und Chance im Bereich der globalen Gesundheit. Während in Deutschland die Diskussion um Premiumlinsen, Femtosekundenlaseranwendung und Zuzahlung kreist, sind auch weniger technisch anspruchsvolle Verfahren (z.B. extrakapsuläre Techniken) sicher und können relativ kostengünstig durchgeführt werden [1]. Für das Jahr 2020 berichtete die Global Burden of Disease (GBD) Study, dass Katarakt mit etwa 15,2 Millionen Betroffenen 45% der weltweiten Blindheit ausmacht und damit weiterhin die häufigste Ursache für Blindheit ist [2]. Die altersbedingte Katarakt deckt eine weitere anhaltende Ungleichheit bei der allgemeinen Augengesundheitsversorgung auf: Männer unterziehen sich 1,7-mal häufiger einer Kataraktoperation als Frauen, und selbst in Ländern mit hohem Einkommen müssen Frauen wahrscheinlich länger auf eine Operation warten [3]. Diese geschlechtsspezifische Ungleichheit ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Frauen länger leben als Männer, obwohl auch soziokulturelle Barrieren eine Rolle spielen. Basierend auf den Daten der GBD Vision Loss Expert Group aus dem Jahr 2015 könnte die Erblindungslast durch Katarakt um 11% sinken, wenn Frauen den gleichen Zugang zu Kataraktoperationen hätten wie Männer. Mehrere Gesundheitssysteme an verschiedenen Standorten haben gezeigt, dass sich selbst tragende Dienstleistungen zu Kosten anbieten lassen, die die meisten Patienten zu zahlen bereit sind, und dass gleichzeitig Überschüsse erwirtschaftet werden können, um die sehr Armen zu versorgen [4, 5]. Solche «Quersubventionierungssysteme» haben in weiten Teilen der Welt viel zur Linderung von Erblindung durch Katarakt beigetragen. Hierfür ist ein dominanter Leistungserbringer erforderlich wie z.B. das Aravind Eye Care System in Südindien (www.aravind.org).
Das Ziel des Global Action Plans der Weltgesundheitsversammlung, vermeidbare Sehbehinderungen zwischen 2010 und 2019 um 25% zu senken, wurde im Hinblick auf die durch Katarakt verursachte Blindheit erreicht [6]. Die Erfolge haben jedoch nicht mit den Auswirkungen von Bevölkerungswachstum und -alterung Schritt gehalten, sodass die Zahl der durch Katarakt Blinden erheblich zunimmt. Südasien weist die höchste Zahl von Erblindungen durch Katarakt und mit Abstand die höchste Prävalenz auf. Frauen sind unter den durch Katarakt Erblindeten und von Sehbehinderung Betroffenen überproportional vertreten Das Ausmaß dieser Unterschiede ist weltweit unterschiedlich, bleibt aber im Allgemeinen konstant. Die Zahlen der Katarakt-bedingten Erblindung werden voraussichtlich weiter deutlich steigen, da die Bevölkerung weltweit wächst und altert, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern mit einer jungen, aber schnell alternden Bevölkerung. Die Ausbildung von AugenärztInnen, die viel Zeit in Anspruch nimmt, muss in Gebieten mit unzureichender Versorgung dringend ausgebaut werden. Wir als AugenärztInnen können diesen Prozess unterstützen und somit einen kleinen Beitrag leisten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre
Ihr Prof. Dr. Stephan J. Linke