Abstract
Inherited retinal diseases (IRDs) stem from genetic mutations that result in vision impairment. Gene therapy shows promising therapeutic potential, exemplified by the encouraging initial results with voretigene neparvovec. Nevertheless, the associated costs impede widespread access, particularly in low-to-middle income countries. The primary challenge remains: how can we make these therapies globally affordable? Leveraging advancements in mRNA therapies might offer a more economically viable alternative. Furthermore, transitioning to nonviral delivery systems could provide a dual benefit of reduced costs and increased scalability. Relevant stakeholders must collaboratively devise and implement a research agenda to realize the potential of mRNA strategies in equitable access to treatments to prevent vision loss.
Abstract aus Antas P, Carvalho C, Cabral-Teixeira J, et al.: Toward low-cost gene therapy: mRNA-based therapeutics for treatment of inherited retinal diseases. Trends Mol Med 2024;30:136–146.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Olaf Strauß (Berlin)
Wie konnte während der COVID-19-Pandemie so schnell ein Impfstoff entwickelt werden? Der Schlüssel war der Einsatz von RNA als aktives Molekül, das in einem schon länger entwickelten Vehikel verpackt werden kann. Wenn dieses Vehikel besteht, dann hängt der Einsatz nur noch an der RNA, deren spezifische Sequenz schnell ermittelt und in vitro getestet werden kann.
Der Artikel von Miguel Seabra und Kollegen [1] erörtert die Möglichkeiten in der Augenheilkunde, und zwar auf dem Gebiet der Gentherapien für seltene, vererbte Formen von Augenerkrankungen.
Auch wenn jede einzelne seltene Erkrankung rar ist, so machen die vielen Formen zusammen doch ein insgesamt gravierendes gesundheitliches Problem aus. Die Schwierigkeit der Entwicklung von Therapien besteht darin, dass eine hohe Varianz sowohl in der Ursache als auch in der Wirkung besteht. Zum einen können viele Mutationen in einem Gen zur Erkrankung, ja, sogar zu mehreren verschiedenen Formen der Netzhautdegeneration führen. Auf der anderen Seite kann eine große Zahl unterschiedlicher Gene, wie bei der Retinitis pigmentosa, zu einer Erkrankung führen. Das bedeutet, dass es im Prinzip möglich sein muss, für jede Mutation eine eigene Gentherapie zu entwickeln.
Die Therapie der Leber’schen kongenitalen Amaurose Typ 2 basierend auf Mutationen im RPE65-Gen ist durch die DNA-basierte und durch einen Adenovirus vermittelte Gentherapie durch Voretigen-Neparvovec («Luxturna») in die Klinik eingezogen. Mittlerweile sind basierend auf diesem Erfolg 27 klinische Studien zur Behandlung verschiedenster Formen von vererbter Netzhautdegeneration im Gange. Die Möglichkeiten der Gentherapie sind damit evident.
Basierend auf dem Erfolg der Entwicklung von Impfstoffen gegen die COVID-19-Infektion bieten sich neue Wege an, die therapeutischen Strategien zu verbessern. Die Vorteile der RNA-Technologie sind zum einen, dass keine Viren als Vehikel gebraucht werden, sondern Nanopartikel mit einem geringeren Risiko von Immunreaktionen und einer besseren Skalierbarkeit. RNA bietet eine hohe Flexibilität und eine genaue Bemessung der Wirkdauer in der Zelle durch Steuerung des Molekülabbaus. Ferner sind die Kosten und Zeitdauer der Entwicklung im Vergleich zu den DNA-Techniken erheblich geringer. Das heißt, dass – bei wesentlich geringeren Kosten – die hohe Flexibilität im Design entsprechender RNA-Moleküle mit unterschiedlichen Lebensdauern dem Grundproblem der seltenen Erkrankungen gerecht werden kann.
Wie könnte so eine Therapie funktionieren? Mithilfe von Nanopartikeln kann die RNA, die zum Beispiel für das gesunde Protein des affektierten Gens kodiert, in die Netzhaut, und sogar zellspezifisch, eingeschleust werden. Für die Zeit der RNA-Stabilität würde dann das gesunde Protein zur Verfügung stehen. In der Tat gibt es schon klinische Studien mit dieser Technologie; eine Übersicht finden Sie in [2]. Darunter ist eine Studie zur Behandlung der Mukoviszidose. Hier werden die RNA-tragenden Nanopartikel als Aerosol auf die Lungenoberfläche gebracht, was entsprechend wiederholt werden kann. Im Auge bestand bisher nur der Zugang durch eine subretinale Injektion. Mittlerweile gibt es aber schon einige Untersuchungen zur Penetration von Nanopartikeln, die es nach Aufbringung auf die äußeren Augengewebe schaffen, bis zur Netzhaut vorzudringen [3].
Fazit für die Klinik
Die Möglichkeiten und Versprechen der RNA-basierten Modulation der Genexpression in der Netzhaut und damit für vererbte Formen retinaler Degeneration sind groß. Flexibilität, geringe Kosten und Erfolge von Therapien mit DNA-Technologien scheinen die Vorteile zu bestätigen, da die RNA-Technologien weniger Nachteile zu haben scheinen. In der Tat gibt es klinische Studien, die RNA-Technologien im Zusammenhang mit vererbten Erkrankungen erkunden. Allerdings gibt es für die Anwendung in der Netzhaut erhebliche Hürden zu nehmen. Im erkrankten Auge wirken die Genmutationen permanent auf die betroffenen Zellen ein. Die RNA-Technologie kann nur über eine vergleichsweise kurze Zeitdauer wirken, was aber gleichzeitig auch einen Vorteil in Sachen Nebenwirkungen ausmacht. Beim aufgeführten Beispiel der Mukoviszidose scheint dies kein Problem, denn der Patient kann sich mit dem Aerosol immer wieder selbst «therapieren». Strategisch kommt hinzu, dass die RNA-Technologie es im Falle der Leber’schen kongenitalen Amaurose Typ 2 leicht hat, weil ein durch Mutation fehlendes Protein nur ersetzt werden muss. Im Falle von autosomal dominanten Erkrankungen wird die Sache komplizierter, da ein dominanter Effekt des mutierten Proteins besteht. Ob das durch das Design eines therapeutischen Proteins, das per RNA eingeschleust wird, gelöst werden kann, ist völlig offen. Zu guter Letzt gibt es noch keinen Weg, die RNA-haltigen Nanopartikel für wiederholte Applikationen sicher und mit definierter Konzentration in die Netzhautzellen zu bringen.
Disclosure Statement
Der Autor nimmt regelmäßig als Dozent an Fortbildungsveranstaltungen der Firma Bayer Healthcare teil.