Abstract
Herpes zoster (HZ) is caused by reactivation of latent infection of varicella zoster virus (VZV) in sensory (cranial, dorsal root) ganglia. Major risk factors for HZ are increasing age and immunosuppression. HZ ophthalmicus (HZO) is a subset of HZ with involvement of the ophthalmic division of the fifth cranial trigeminal nerve. Approximately 4–20% of patients with HZ develop HZO. Approximately 50% of patients with HZO develop ocular disease, among whom up to 25% develop chronic or recurrent disease. Common manifestations of ocular disease include conjunctivitis, keratitis, and uveitis, whereas optic neuropathy and retinitis are uncommon. Due to the potential for vision impairment, ocular involvement requires urgent ophthalmic consultation. Early recognition and timely treatment with antivirals may prevent ocular complications. HZO is preventable by vaccination against HZ. Vaccine efficacy/effectiveness studies have been largely conducted for HZ with few studies assessing HZO. Both the recombinant adjuvanted vaccine (RZV) and live-attenuated vaccine (ZVL) significantly reduce the incidence of HZ and HZO in older adults. RZV is more effective than ZVL. Data on the effectiveness of vaccines for prevention of recurrent disease in patients with HZO are limited; however, vaccination is recommended. Despite recommendations to vaccinate individuals likely to benefit from an HZ vaccine, coverage for adults remains suboptimal. Barriers to vaccination include patient beliefs about HZ or HZ vaccines, and factors related to healthcare providers. In particular, the lack of a recommendation from their primary care physician is often cited by patients as a reason for remaining unvaccinated. By encouraging vaccination against HZ, physicians not only prevent HZ and HZO but also potential vision loss due to HZO.
Abstract aus Litt J, Cunningham AL, Arnalich-Montiel F, Parikh R: Herpes zoster ophthalmicus: Presentation, complications, treatment, and prevention. Infect Dis Ther 2024;13:1439–1459. DOI: 10.1007/s40121-024-00990-7
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Uwe Pleyer (Berlin)
In der vorliegenden Ausgabe von Kompass stelle ich Ihnen eine lesenswerte Zusammenfassung und Literaturübersicht zum Thema «Herpes zoster ophthalmicus» (HZO) vor. Warum eine Übersichtsarbeit – statt eines Originalbeitrages?
Das Thema scheint altbekannt … Viele Fakten sprechen jedoch dagegen! Beim Herpes zoster (HZ) handelt es sich um eine weitgehend vermeidbare Infektion, die bei älteren Personen schwere Krankheitsverläufe mit erheblicher Morbidität (und auch Mortalität) verursacht. Seit längerem ist bekannt, dass vor allem Patienten mit HZO im ersten Jahr ein signifikant erhöhtes Schlaganfallrisiko aufweisen [1]. Vermeidbar ist eine Infektion insofern, als dass eine Impfung im Senium nachweislich die Risiken hochsignifikant senken kann. Die Impfquote von 7,7% [2] stellt dennoch mit Abstand das Schlusslicht aller empfohlenen Impfungen in Deutschland dar. Da wir als Ophthalmologen sehr häufig mit schweren Verläufen der Infektion im Rahmen des HZO konfrontiert werden, kommt uns auch eine Rolle dabei zu, auf die Möglichkeit der Prävention hinzuweisen.
Epidemiologie
Die Inzidenz von HZ und HZO steigt mit zunehmendem Alter. Bei der Analyse von 633 474 HZ-Patienten traten etwa 70% der HZO-Fälle bei Personen im Alter von > 50 Jahren auf. Sowohl HZ als auch HZO sind bei Frauen häufiger als bei Männern (etwa 4:3). Das Auftreten von HZO variiert in den USA nach ethnischer Zugehörigkeit und ist bei weißen Personen am höchsten und bei afroamerikanischen, asiatischen und hispanischen Personen deutlich niedriger. In Bezug auf Patienten, die wegen HZ ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ergab eine von Litt et al. zitierte Analyse, dass überproportional mehr Krankenhausaufenthalte HZO-bedingt waren.
Risikofaktoren
Eine Metaanalyse von 88 epidemiologischen Studien zeigte, dass das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) den stärksten Risikofaktor für den HZ darstellt. Demgegenüber wurden in der Metaanalyse von Litt et al. nur gering erhöhte Risiken durch psychischen Stress oder Komorbiditäten beobachtet (unter anderem Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen).
Zusätzliche Risikofaktoren ergeben sich paradoxerweise vor allem durch den medizinischen Fortschritt. Die Behandlung mit biologischen krankheitsmodifizierenden Medikamenten (bDMARD; vor allem TNF-α-Blocker und Rituximab) oder Januskinase-Inhibitoren hat sich bei immunmediierten Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasis, multipler Sklerose und vielen anderen bewährt und ist weit verbreitet. Gleichzeitig steigern sie das Risiko für HZ und HZO. Dies beginnt bereits mit oralen Kortikoiden (relatives Risiko = 1,5) und konventionellen DMARD (Odds Ratio = 1,8) und erhöht sich für Januskinase-Inhibitoren und Biologika (relatives Risiko 2,0–3,2), wie Litt et al. in dieser Analyse mitteilen.
Diagnostik
Der HZO ist eine klinische Diagnose und erfordert im Allgemeinen keine bestätigenden Labortests. Abstriche von der Haut oder ophthalmologischen Läsionen für die PCR-Analyse sollten nur in Betracht gezogen werden, wenn die Diagnose unsicher ist, z.B. bei Patienten mit Zoster «sine herpete» (ohne Hautbeteiligung) oder unklarer rezidivierender anteriorer Uveitis.
Klinische Zeichen des HZO sind ein herpetischer Hautausschlag im Gesicht, der meist mit neuropathischen Schmerzen, Fieber und Kopfschmerzen einhergeht. Die Hautveränderungen entwickeln sich nach 2–3 Tagen und bilden Blasen, die nach mehreren Tagen verkrusten. Die Ausdehnung des Hautausschlags bis zur Nasenspitze (Hutchinson-Zeichen) weist auf eine Beteiligung des Nervus nasociliaris hin und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Augenbeteiligung aufgrund der gemeinsamen Innervation.
Differenzialdiagnosen
Andere Krankheiten können einen HZO imitieren. Die Differenzialdiagnose des HZO wurde von den Autoren in folgende Kategorien unterteilt:
Neuralgie: Wenn Patienten über Cephalgien klagen, müssen Spannungskopfschmerzen, Migräne, Clusterkopfschmerzen und Riesenzellarteriitis ausgeschlossen werden.
Hautausschlag: Andere mögliche Ursachen wie Kontaktdermatitis, Impetigo und Herpes-simplex-Virus (HSV)-Infektion sind zu berücksichtigen.
Hornhautbefunde: Die Unterscheidung zwischen HSV und HZO kann eine Herausforderung darstellen. Während beide mit einem vesikulären Hautausschlag auftreten können, betrifft HSV typischerweise mehrere Dermatome. Darüber hinaus werden bei HSV-Infektionen klassische Hornhautdendriten beobachtet, während Pseudodendriten charakteristisch für HZO sind. Andere Differenzialdiagnosen sind rezidivierende Erosio corneae, toxische Reaktionen auf Wirkstoffe und infektiöse Keratitis. Hervorzuheben ist die Akanthamöbenkeratitis, die aufgrund von Pseudodendriten und Schmerzsymptomatik sehr ähnliche Merkmale zeigt.
Augenbefunde ohne Hautausschlag: Bei periorbitaler Schwellung und Ptosis sollten präseptale Cellulitis, ein Orbitatumor und eine Sinus-cavernosus-Thrombose in Betracht gezogen werden. Bei intraokularer Entzündung müssen alle Ätiologien für eine infektiöse oder nichtinfektiöse anteriore Uveitis berücksichtigt werden.
Rezidivierende HZO-Verläufe
Bisher wurde selten auf chronische und rezidivierende HZO-Manifestation hingewiesen. Ein signifikanter Anteil der Patienten mit HZ leidet an chronischen oder rezidivierenden Verläufen (bis zu 25%). Vor allem HZO-Patienten zeigen überproportional oft chronische Verläufe. So wird eine Serie von 130 Patienten hervorgehoben, die sich als epitheliale Keratitis (46%), Konjunktivitis (38%) und endotheliale Keratitis (12%) präsentierten. Bei den Betroffenen wurden diese Befunde für durchschnittlich 304 Tage (Bereich 66–1575 Tage) berichtet, verglichen mit 13 Tagen (Bereich 3–50 Tage) bei Patienten mit 1-maligem akutem HZO.
Patienten mit rezidivierender Erkrankung waren am häufigsten von rekurrierender Stromakeratitis (Hornhautinfiltrate > 30%), epithelialer Keratitis (vor allem mit pseudodendritischem Hornhautgeschwür, 29%), Endotheliitis (mit Hornhautödem und Transparenzverlust, 13%) und Konjunktivitis/Skleritis (8%) betroffen.
Bisher wenig beachtet ist das Rezidivrisiko im Zusammenhang mit einer Kataraktoperation. In einer hier zitierenten Beobachtung an 57 Patienten mit HZO in der Vorgeschichte (38 bereits mit rezidivierendem Verlauf) erlitten 23 Patienten ein Rezidiv nach dem Eingriff.
Therapie
Die Behandlung des HZO orientiert sich an international gültigen Leitlinien und erfolgt stets systemisch mit Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir. Bei disseminiertem HZ oder bei immungeschwächten Patienten ist intravenöses Aciclovir indiziert; bei unzureichender Wirkung und wenn gegen Aciclovir Resistenz besteht, kann intravenöses Foscarnet angewendet werden. Ein frühzeitiger Beginn innerhalb von 72 Stunden begrenzt das Fortschreiten der Erkrankung bei Patienten mit HZO. Schwerwiegende entzündliche Erkrankungen mit Stromakeratitis, Hornhautödem, Skleritis, Uveitis und Glaukom wurden bei Patienten mit einer Verzögerung des Therapiebeginns berichtet. Weniger konkrete Empfehlungen werden zu zusätzlichen systemischen und topischen Kortikosteroiden in der Literatur geboten, wie Litt et al. hervorheben. Sie zitieren eine Umfrage unter US-Augenärzten, die im Rahmen der Zoster Eye Disease Study (ZEDS) erfolgte und zeigte, dass eine Mehrheit (63,4–69,1%) der Experten die Kombination eines topischen Kortikosteroids mit einer verlängerten antiviralen Therapie zur Behandlung der HZO-Stromakeratitis sowohl bei neu aufgetretenem als auch bei chronischem HZO einsetzte.
Fazit
In Deutschland erkranken jährlich etwa 350 000–400 000 Menschen an einem HZ, etwa 20% davon sind von einem HZO betroffen. Es liegen Hinweise dafür vor, dass vor allem der HZO in Deutschland disproportional zur HZ-Infektion ansteigt [3]. Bereits jetzt werden jährlich mehr als 22 000 Hospitalisationen mit stationärer Behandlung des HZ notwendig, eine Belastung für alle: Betroffene, Behandler und das Gesundheitssystem. Da aktuell eine gute Prävention durch Vakzination möglich ist, die bislang nur unzureichend genutzt wird, sollten auch Augenärzte auf diese Möglichkeit hinweisen.
Disclosure Statement
Der Autor versichert, dass keine Interessenskonflikte in Bezug zum vorliegenden Wissenstransfer bestehen.