Zusammenfassung
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gab in einer Stellungnahme am 27. Juni 2024 bekannt, dass sie empfiehlt, die Zulassung von Syfovre® auf dem europäischen Markt zu verweigern. Bei Syfovre (Pegcetacoplan) handelt es sich um ein Arzneimittel zur Behandlung der geografischen Atrophie (GA), das von Apellis vertrieben wird. Als Begründung nannte die EMA, dass die vorliegenden Studienergebnisse auf keinem klinisch bedeutsamen Nutzen für die Patienten hindeuteten. Dadurch kam die EMA zu dem Schluss, dass kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis von Syfovre bei der Behandlung der durch AMD verursachten GA nachgewiesen werden konnte. Am 11. Juli 2024 beantragte Apellis eine erneute Prüfung der Stellungnahme der EMA.
Kommentar zur Stellungnahme der Europäischen Arzneimittel-Agentur zu Syfovre® vom 27 Juni 2024
Transfer in die Praxis von Dr. med. Julian Alexander Zimmermann (Münster)
Die geografische Atrophie (GA) ist eine Spätform der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), die durch einen fortschreitenden Verlust von Photorezeptoren und eine Degeneration des retinalen Pigmentepithels (RPE) sowie der Choriokapillaris gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung führt zu einer fortschreitenden Verschlechterung des zentralen Sehvermögens, was erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben kann [1]. In der Augenheilkunde ist die GA von großer Bedeutung, da sie eine der Hauptursachen für irreversiblen Sehverlust bei Patienten über 60 Jahren darstellt. Derzeit gibt es keine Heilung für GA, aber die laufende Forschung und klinische Studien zielen darauf ab, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die das Fortschreiten der Atrophie verlangsamen oder aufhalten können.
Im Gegensatz zur neovaskulären Form der AMD, bei der den Patientinnen und Patienten eine Reihe von Wirkstoffen insbesondere gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) intravitreal verabreicht werden kann, um das Fortschreiten des Sehverlustes zu beeinflussen, ist in der Behandlung der GA kein Behandlungsverfahren derart etabliert [2].
Als an der Pathogenese der GA beteiligt wird eine Überaktivierung des Komplementsystems angesehen. Im Zuge chronischer Entzündungsprozesse, vermittelt über die Aktivierung der Komplementkaskade, kommt es schlussendlich zum Untergang von Photorezeptoren und des RPE.
Als erstes Medikament wurde SYFOVRE® (Pegcetacoplan), Apellis Pharmaceuticals Inc., für den intravitrealen Gebrauch zur Behandlung der GA bei AMD durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA), die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel, im Februar 2023 zugelassen. Pegcetacoplan zielt auf die Komplementfaktoren C3 und C3b ab. C3 ist an allen drei Wegen des Komplementsystems beteiligt und somit ein zentraler Faktor der Komplementkaskade. Vor seiner Zulassung in der Augenheilkunde wurde Pegcetacoplan zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) bei Erwachsenen eingesetzt. Die Zulassung beruht auf Ergebnissen kontrollierter randomisierter Phase-3-Studien.
Im Rahmen der Studien OAKS und DERBY wurden die Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber Scheininjektionen bei Patientinnen und Patienten mit GA untersucht. Nach 24 Monaten Therapie verlangsamte Pegcetacoplan, wenn es monatlich bzw. jeden zweiten Monat verabreicht wurde, das Wachstum der GA-Läsion um 22% bzw. 18% in der OAKS-Studie und um 19% bzw. 16% in der DERBY-Studie, im Vergleich zur Scheinbehandlung [3]. Empfohlen wird eine intravitreale Gabe alle 25–60 Tage.
Im August 2023 wurde der C5-Komplement-Inhibitor IZERVAY® (Avacincaptad Pegol), Astellas Pharma Inc., zur Behandlung der GA als Folge der AMD ebenfalls durch die FDA zugelassen.
Neben der Studie GATHER1 untersuchte die randomisierte, doppelt-maskierte Phase-3-Studie GARHER2 die Wirksamkeit und Sicherheit von Avacincaptad Pegol bei GA-Patienten. Über 12 Monate hinweg zeigte sich ein um 14% langsameres Wachstum der GA-Läsionen verglichen mit der Kontrollgruppe ohne Therapie. Im August 2023 nahm die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) den Zulassungsantrag von Iveric Bio für Avacincaptad Pegol entgegen [4].
Am 27. Juni 2024 empfahl die EMA, die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Pegcetacoplan zur Behandlung der GA bei AMD zu verweigern. Die EMA formuliert in ihrer Begründung zur negativen Bewertung von Pegcetacoplan, das Medikament führe zwar zu einer Verlangsamung des Wachstums der GA, führe aber nicht zu einem klinisch bedeutsamen Nutzen für die Patienten, da zwar die morphologischen, nicht aber die funktionellen Endpunkte der Studie erreicht wurden [5].
Aktuell stehen Patientinnen und Patienten mit GA in Deutschland und Europa im Gegensatz zu den USA keine Behandlungsmöglichkeiten einer progredienten, zu erheblichen Seheinschränkungen führenden Erkrankung zur Verfügung – eine Tatsache, die den Betroffenen in der Sprechstunde bewusst ist.
In einem Update vom 11. Juli 2024 berichtet die EMA, Apellis Pharmaceuticals habe eine erneute Prüfung der Beurteilung von Pegcetacoplan durch die EMA beantragt. Nach aktuellem Stand wird die EMA die Zulassung erneut prüfen und eine finale Empfehlung aussprechen [5].
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